ahnen. Tribolo bekam noch in jungen Jahren (um 1525) die Seiten- thüren der Fassade von S. Petronio in Bologna zu verzieren. Vona ihm sind an beiden die Propheten, Sibyllen und Engel in der Schrägung der Pforte und des Bogens, sodann die sämmtlichen Pilasterreliefs an der Thür rechts (Geschichten Josephs), und von denjenigen der Thür links das erste, dritte und vierte des linken Pilasters (Geschichten des Moses). In dem kleinen Massstab dieser zahlreichen Gegenstände ist ein reiner und massvoller Styl entwickelt, wie er sonst sehr wenigen Reliefs der damaligen Zeit innewohnt. Die Propheten und Sibyllen verhehlen zwar schon in der Tracht und Körperbildung den Einfluss der Sistina nicht; auch im Motiv selber macht er sich hie und da kenntlich; aber es sind von den reinsten und reizendsten Einzelfiguren der goldenen Zeit. Die erzählenden Reliefs, zwar etwas überfüllt, doch weniger als das meiste Gleichzeitige, geben fast allein einen Be- griff von den Liniengesetzen dieser Gattung, und sind reich an geist- voll prägnanten einzelnen Zügen. (Joseph in den Brunnen gesenkt; an den Midianiter verkauft; die Tödtung des Böckleins; das mit dessen Blut gefärbte Kleid wird dem Jacob vorgewiesen etc.) An diesen in Form und Gedanken trefflichen Arbeiten machte auch der etwas ältere Genosse, Alfonso Lombardi, eine neue Schule durch 1).
Aus Tribolo's späterer Zeit möchte das grosse Relief von Mariäb Himmelfahrt (S. Petronio, 11. Cap. rechts), wenigstens dessen untere Hälfte herrühren. Es zeigt, dass er den falschen Ansprüchen und Manieren der Nachahmer Michelangelo's auch später fern blieb.
Von einem trefflichen ungenannten Meister, der aber dem T. offenbar sehr nahe stand, ist das 1526 errichtete Grab der Familiec Cereoli in S. Petronio (innen links vom Hauptportal), und vielleicht auch die Madonna in der 6. Cap. rechts (daselbst) gearbeitet. -- Vond Alf. Lombardi wird weiter die Rede sein.
Als Tribolo's Hauptwerk zu Rom gilt das Grabmal Papst Ha-e drians VI (st. 1523) im Chor von S. Maria dell' anima (rechts), im
1) Von der Lunettengruppe der Thür rechts gehört nur die Madonna dem T. an,* der Christusleichnam in den Armen des Nicodemus ist eine ungeschickte Ar- beit des Malers Amico Aspertini, und der Johannes von Seccadenari, dem die ganze Arbeit der beiden Seitenthüren im Grossen verdungen war. Die obern Pilaster neben den Giebeln sind von geringern lombardischen Meistern reliefirt.
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Tribolo in Bologna.
ahnen. Tribolo bekam noch in jungen Jahren (um 1525) die Seiten- thüren der Fassade von S. Petronio in Bologna zu verzieren. Vona ihm sind an beiden die Propheten, Sibyllen und Engel in der Schrägung der Pforte und des Bogens, sodann die sämmtlichen Pilasterreliefs an der Thür rechts (Geschichten Josephs), und von denjenigen der Thür links das erste, dritte und vierte des linken Pilasters (Geschichten des Moses). In dem kleinen Massstab dieser zahlreichen Gegenstände ist ein reiner und massvoller Styl entwickelt, wie er sonst sehr wenigen Reliefs der damaligen Zeit innewohnt. Die Propheten und Sibyllen verhehlen zwar schon in der Tracht und Körperbildung den Einfluss der Sistina nicht; auch im Motiv selber macht er sich hie und da kenntlich; aber es sind von den reinsten und reizendsten Einzelfiguren der goldenen Zeit. Die erzählenden Reliefs, zwar etwas überfüllt, doch weniger als das meiste Gleichzeitige, geben fast allein einen Be- griff von den Liniengesetzen dieser Gattung, und sind reich an geist- voll prägnanten einzelnen Zügen. (Joseph in den Brunnen gesenkt; an den Midianiter verkauft; die Tödtung des Böckleins; das mit dessen Blut gefärbte Kleid wird dem Jacob vorgewiesen etc.) An diesen in Form und Gedanken trefflichen Arbeiten machte auch der etwas ältere Genosse, Alfonso Lombardi, eine neue Schule durch 1).
Aus Tribolo’s späterer Zeit möchte das grosse Relief von Mariäb Himmelfahrt (S. Petronio, 11. Cap. rechts), wenigstens dessen untere Hälfte herrühren. Es zeigt, dass er den falschen Ansprüchen und Manieren der Nachahmer Michelangelo’s auch später fern blieb.
Von einem trefflichen ungenannten Meister, der aber dem T. offenbar sehr nahe stand, ist das 1526 errichtete Grab der Familiec Cereoli in S. Petronio (innen links vom Hauptportal), und vielleicht auch die Madonna in der 6. Cap. rechts (daselbst) gearbeitet. — Vond Alf. Lombardi wird weiter die Rede sein.
Als Tribolo’s Hauptwerk zu Rom gilt das Grabmal Papst Ha-e drians VI (st. 1523) im Chor von S. Maria dell’ anima (rechts), im
1) Von der Lunettengruppe der Thür rechts gehört nur die Madonna dem T. an,* der Christusleichnam in den Armen des Nicodemus ist eine ungeschickte Ar- beit des Malers Amico Aspertini, und der Johannes von Seccadenari, dem die ganze Arbeit der beiden Seitenthüren im Grossen verdungen war. Die obern Pilaster neben den Giebeln sind von geringern lombardischen Meistern reliefirt.
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ahnen. Tribolo bekam noch in jungen Jahren (um 1525) die Seiten-
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ihm sind an beiden die Propheten, Sibyllen und Engel in der Schrägung
der Pforte und des Bogens, sodann die sämmtlichen Pilasterreliefs an
der Thür rechts (Geschichten Josephs), und von denjenigen der Thür
links das erste, dritte und vierte des linken Pilasters (Geschichten des
Moses). In dem kleinen Massstab dieser zahlreichen Gegenstände ist
ein reiner und massvoller Styl entwickelt, wie er sonst sehr wenigen
Reliefs der damaligen Zeit innewohnt. Die Propheten und Sibyllen
verhehlen zwar schon in der Tracht und Körperbildung den Einfluss
der Sistina nicht; auch im Motiv selber macht er sich hie und da
kenntlich; aber es sind von den reinsten und reizendsten Einzelfiguren
der goldenen Zeit. Die erzählenden Reliefs, zwar etwas überfüllt,
doch weniger als das meiste Gleichzeitige, geben fast allein einen Be-
griff von den Liniengesetzen dieser Gattung, und sind reich an geist-
voll prägnanten einzelnen Zügen. (Joseph in den Brunnen gesenkt;
an den Midianiter verkauft; die Tödtung des Böckleins; das mit dessen
Blut gefärbte Kleid wird dem Jacob vorgewiesen etc.) An diesen in
Form und Gedanken trefflichen Arbeiten machte auch der etwas ältere
Genosse, Alfonso Lombardi, eine neue Schule durch 1).
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Aus Tribolo’s späterer Zeit möchte das grosse Relief von Mariä
Himmelfahrt (S. Petronio, 11. Cap. rechts), wenigstens dessen untere
Hälfte herrühren. Es zeigt, dass er den falschen Ansprüchen und
Manieren der Nachahmer Michelangelo’s auch später fern blieb.
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Von einem trefflichen ungenannten Meister, der aber dem T.
offenbar sehr nahe stand, ist das 1526 errichtete Grab der Familie
Cereoli in S. Petronio (innen links vom Hauptportal), und vielleicht
auch die Madonna in der 6. Cap. rechts (daselbst) gearbeitet. — Von
Alf. Lombardi wird weiter die Rede sein.
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Als Tribolo’s Hauptwerk zu Rom gilt das Grabmal Papst Ha-
drians VI (st. 1523) im Chor von S. Maria dell’ anima (rechts), im
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1) Von der Lunettengruppe der Thür rechts gehört nur die Madonna dem T. an,
der Christusleichnam in den Armen des Nicodemus ist eine ungeschickte Ar-
beit des Malers Amico Aspertini, und der Johannes von Seccadenari, dem die
ganze Arbeit der beiden Seitenthüren im Grossen verdungen war. Die obern
Pilaster neben den Giebeln sind von geringern lombardischen Meistern reliefirt.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 643. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/665>, abgerufen am 18.12.2024.
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