Madonna mit sechs Heiligen nebst Predella, Puttenfries u. a. Zu- thaten. Neben die Sculpturen der Lombardi etc. gehalten, zeugt diess Werk bei allen Härten doch deutlich für die siegreiche toscanische Leichtigkeit, alle Lebensäusserungen sich eigen zu machen und dar- zustellen.
Auch der Paduaner Vellano war D.'s Schüler und seine Bronze- reliefs an den Chorwänden des Santo (1488) zeigen deutlicher als ir-a gend ein toscanisches Schulwerk, wohin man gelangen konnte, wenn man Donatello's Freiheiten nachahmte ohne seinen Verstand und seine allbelebende Darstellungsgabe zu besitzen. Es sind ganz kindlich auf- geschichtete Historien in zahllosen, sorgfältigen Figürchen.
Dagegen lebte in Andrea Briosco genannt Riccio (Crispus, von seinen gelockten Haaren) der echte Geist der grossen Zeit. Das Figürliche an seinem berühmten ehernen Candelaber im Chor desb Santo (Seite 254, l) ist zwar um so viel glücklicher, je mehr es sich dem Decorativen nähert (Nereidenzüge, Centauren u. s. w.), aber auch die überfüllten erzählenden Reliefs sind geistvoll und originell. In den zwei Reliefs jener von Vellano begonnenen Reihe an den Chorwän-c den, welche dem Riccio angehören, zeigt sich eine ungemeine Über- legenheit. (David vor der Bundeslade; Judith und Holofernes, vom Jahr 1507.) Der Styl des XV. Jahrh. ist wie überall, so auch hier, dann am reizendsten, wenn er sich dem idealen Styl zu nähern beginnt.
In derselben Art sind noch eine Anzahl anderer Sculpturen gear- beitet, deren Urheber dem Verfasser nicht bekannt sind. -- In S. Fran- cesco sieht man (linkes Querschiff) ein grosses Bronzerelief der thro-d nenden Jungfrau zwischen zwei heil. Mönchen, und (rechtes Querschiff) das ebenfalls bronzene Grabrelief eines Professors, der hinter seinem Schreibtisch, Bücher nachschlagend, abgebildet ist; zu beiden Seiten Putten als Schildhalter, angenehme Werke, wenn auch ohne höheres Leben. -- In den Eremitani (rechts und links von der Thür) gewal-e tige Tabernakel von Terracotta, bemalt, mit grossen Statuen und zahl- reichen, auch decorativ nicht werthlosen Zuthaten, der eine (mit dem Gemälde in der Mitte) datirt 1511. In beiden scheint der Styl Dona- tello's und derjenige der Lombardi gemischt.
Paduanische Nachfolger Donatello’s.
Madonna mit sechs Heiligen nebst Predella, Puttenfries u. a. Zu- thaten. Neben die Sculpturen der Lombardi etc. gehalten, zeugt diess Werk bei allen Härten doch deutlich für die siegreiche toscanische Leichtigkeit, alle Lebensäusserungen sich eigen zu machen und dar- zustellen.
Auch der Paduaner Vellano war D.’s Schüler und seine Bronze- reliefs an den Chorwänden des Santo (1488) zeigen deutlicher als ir-a gend ein toscanisches Schulwerk, wohin man gelangen konnte, wenn man Donatello’s Freiheiten nachahmte ohne seinen Verstand und seine allbelebende Darstellungsgabe zu besitzen. Es sind ganz kindlich auf- geschichtete Historien in zahllosen, sorgfältigen Figürchen.
Dagegen lebte in Andrea Briosco genannt Riccio (Crispus, von seinen gelockten Haaren) der echte Geist der grossen Zeit. Das Figürliche an seinem berühmten ehernen Candelaber im Chor desb Santo (Seite 254, l) ist zwar um so viel glücklicher, je mehr es sich dem Decorativen nähert (Nereidenzüge, Centauren u. s. w.), aber auch die überfüllten erzählenden Reliefs sind geistvoll und originell. In den zwei Reliefs jener von Vellano begonnenen Reihe an den Chorwän-c den, welche dem Riccio angehören, zeigt sich eine ungemeine Über- legenheit. (David vor der Bundeslade; Judith und Holofernes, vom Jahr 1507.) Der Styl des XV. Jahrh. ist wie überall, so auch hier, dann am reizendsten, wenn er sich dem idealen Styl zu nähern beginnt.
In derselben Art sind noch eine Anzahl anderer Sculpturen gear- beitet, deren Urheber dem Verfasser nicht bekannt sind. — In S. Fran- cesco sieht man (linkes Querschiff) ein grosses Bronzerelief der thro-d nenden Jungfrau zwischen zwei heil. Mönchen, und (rechtes Querschiff) das ebenfalls bronzene Grabrelief eines Professors, der hinter seinem Schreibtisch, Bücher nachschlagend, abgebildet ist; zu beiden Seiten Putten als Schildhalter, angenehme Werke, wenn auch ohne höheres Leben. — In den Eremitani (rechts und links von der Thür) gewal-e tige Tabernakel von Terracotta, bemalt, mit grossen Statuen und zahl- reichen, auch decorativ nicht werthlosen Zuthaten, der eine (mit dem Gemälde in der Mitte) datirt 1511. In beiden scheint der Styl Dona- tello’s und derjenige der Lombardi gemischt.
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Paduanische Nachfolger Donatello’s.
Madonna mit sechs Heiligen nebst Predella, Puttenfries u. a. Zu-
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Werk bei allen Härten doch deutlich für die siegreiche toscanische
Leichtigkeit, alle Lebensäusserungen sich eigen zu machen und dar-
zustellen.
Auch der Paduaner Vellano war D.’s Schüler und seine Bronze-
reliefs an den Chorwänden des Santo (1488) zeigen deutlicher als ir-
gend ein toscanisches Schulwerk, wohin man gelangen konnte, wenn
man Donatello’s Freiheiten nachahmte ohne seinen Verstand und seine
allbelebende Darstellungsgabe zu besitzen. Es sind ganz kindlich auf-
geschichtete Historien in zahllosen, sorgfältigen Figürchen.
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Dagegen lebte in Andrea Briosco genannt Riccio (Crispus,
von seinen gelockten Haaren) der echte Geist der grossen Zeit. Das
Figürliche an seinem berühmten ehernen Candelaber im Chor des
Santo (Seite 254, l) ist zwar um so viel glücklicher, je mehr es sich
dem Decorativen nähert (Nereidenzüge, Centauren u. s. w.), aber auch
die überfüllten erzählenden Reliefs sind geistvoll und originell. In den
zwei Reliefs jener von Vellano begonnenen Reihe an den Chorwän-
den, welche dem Riccio angehören, zeigt sich eine ungemeine Über-
legenheit. (David vor der Bundeslade; Judith und Holofernes, vom
Jahr 1507.) Der Styl des XV. Jahrh. ist wie überall, so auch hier,
dann am reizendsten, wenn er sich dem idealen Styl zu nähern
beginnt.
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In derselben Art sind noch eine Anzahl anderer Sculpturen gear-
beitet, deren Urheber dem Verfasser nicht bekannt sind. — In S. Fran-
cesco sieht man (linkes Querschiff) ein grosses Bronzerelief der thro-
nenden Jungfrau zwischen zwei heil. Mönchen, und (rechtes Querschiff)
das ebenfalls bronzene Grabrelief eines Professors, der hinter seinem
Schreibtisch, Bücher nachschlagend, abgebildet ist; zu beiden Seiten
Putten als Schildhalter, angenehme Werke, wenn auch ohne höheres
Leben. — In den Eremitani (rechts und links von der Thür) gewal-
tige Tabernakel von Terracotta, bemalt, mit grossen Statuen und zahl-
reichen, auch decorativ nicht werthlosen Zuthaten, der eine (mit dem
Gemälde in der Mitte) datirt 1511. In beiden scheint der Styl Dona-
tello’s und derjenige der Lombardi gemischt.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 629. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/651>, abgerufen am 18.12.2024.
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