Den Einfluss von Quercia's Styl wird man vielleicht ausserdem erkennen an den Sculpturen der Fassade von Madonna di Galliera. aDagegen zeigt er sich da nicht deutlich, wo man ihn erwarten sollte, nämlich in den Propheten und Sibyllen (unten) an den Seitenfenstern bvon S. Petronio, welche zum Theil gute Arbeiten verschiedener lom- bardischer Meister des XV. Jahrh. sind 1).
Von Quercia's sienesischen Schülern führte Urban von Cor- tona, wie man glaubt nach des Meisters Entwürfen, die Statuen der cHH. Ansanus und Victorius an den mittlern Pfeilern des Casino de' Nobili in Siena aus, lebendige und resolute Gestalten, die an das Beste von Verocchio erinnern; Ähnliches gilt von dem etwas spätern Ne- droccio (Statuen in den beiden Seitennischen der runden Cap. S. Gio- vanni im Dom). Vecchietta dagegen hat die naturalistische Härte Donatello's ohne dessen innere Gewalt; seine Bronzestatue des Er- elösers, auf dem Hauptaltar der Hospitalkirche della Scala, ist wie ein Andrea del Castagno in Erz; die Grabstatue des Soccino (+ 1467) in fden Uffizien (I. Zimmer d. Br.) sieht einem von der Leiche genomme- nen Abguss ähnlich, wenn auch die Falten nicht ohne Geschick geordnet sind. Auch die übrigen Sienesen sind nach den in den Gängen der gAcademie aufgestellten Fragmenten zu schliessen von keiner Bedeutung (die Cozzarelli, u. A.), wenn nicht die mir unbekannten Sculpturen in der Osservanza ihnen doch einen bessern Platz anweisen. -- Spä- ter folgt dann, ganz vereinzelt, der oben bei Anlass der Decoration h(S. 239, e) erwähnte herrliche Altar in Fontegiusta.
Die römische Sculptur dieser Zeit ist eine fast ganz anonyme. Doch steht wenigstens am Anfang des Jahrh. der Name des Paolo Romano fest. In ihm regt sich, gleichzeitig mit Quercia, der be- ginnende Realismus wenigstens in so weit, dass seine liegenden Grab- statuen mit Geist und Freiheit individualisirt heissen können. (Grab-
1)*Die ältern nach dem Campo santo versetzten Grabmäler verschiedener Kir- chen hat der Verfasser nur flüchtig gesehen. Es befindet sich darunter das Grabmal Papst Alexanders V.
Sculptur des XV. Jahrhunderts. Schüler Quercia’s.
Den Einfluss von Quercia’s Styl wird man vielleicht ausserdem erkennen an den Sculpturen der Fassade von Madonna di Galliera. aDagegen zeigt er sich da nicht deutlich, wo man ihn erwarten sollte, nämlich in den Propheten und Sibyllen (unten) an den Seitenfenstern bvon S. Petronio, welche zum Theil gute Arbeiten verschiedener lom- bardischer Meister des XV. Jahrh. sind 1).
Von Quercia’s sienesischen Schülern führte Urban von Cor- tona, wie man glaubt nach des Meisters Entwürfen, die Statuen der cHH. Ansanus und Victorius an den mittlern Pfeilern des Casino de’ Nobili in Siena aus, lebendige und resolute Gestalten, die an das Beste von Verocchio erinnern; Ähnliches gilt von dem etwas spätern Ne- droccio (Statuen in den beiden Seitennischen der runden Cap. S. Gio- vanni im Dom). Vecchietta dagegen hat die naturalistische Härte Donatello’s ohne dessen innere Gewalt; seine Bronzestatue des Er- elösers, auf dem Hauptaltar der Hospitalkirche della Scala, ist wie ein Andrea del Castagno in Erz; die Grabstatue des Soccino († 1467) in fden Uffizien (I. Zimmer d. Br.) sieht einem von der Leiche genomme- nen Abguss ähnlich, wenn auch die Falten nicht ohne Geschick geordnet sind. Auch die übrigen Sienesen sind nach den in den Gängen der gAcademie aufgestellten Fragmenten zu schliessen von keiner Bedeutung (die Cozzarelli, u. A.), wenn nicht die mir unbekannten Sculpturen in der Osservanza ihnen doch einen bessern Platz anweisen. — Spä- ter folgt dann, ganz vereinzelt, der oben bei Anlass der Decoration h(S. 239, e) erwähnte herrliche Altar in Fontegiusta.
Die römische Sculptur dieser Zeit ist eine fast ganz anonyme. Doch steht wenigstens am Anfang des Jahrh. der Name des Paolo Romano fest. In ihm regt sich, gleichzeitig mit Quercia, der be- ginnende Realismus wenigstens in so weit, dass seine liegenden Grab- statuen mit Geist und Freiheit individualisirt heissen können. (Grab-
1)*Die ältern nach dem Campo santo versetzten Grabmäler verschiedener Kir- chen hat der Verfasser nur flüchtig gesehen. Es befindet sich darunter das Grabmal Papst Alexanders V.
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Sculptur des XV. Jahrhunderts. Schüler Quercia’s.
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Dagegen zeigt er sich da nicht deutlich, wo man ihn erwarten sollte,
nämlich in den Propheten und Sibyllen (unten) an den Seitenfenstern
von S. Petronio, welche zum Theil gute Arbeiten verschiedener lom-
bardischer Meister des XV. Jahrh. sind 1).
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Von Quercia’s sienesischen Schülern führte Urban von Cor-
tona, wie man glaubt nach des Meisters Entwürfen, die Statuen der
HH. Ansanus und Victorius an den mittlern Pfeilern des Casino de’
Nobili in Siena aus, lebendige und resolute Gestalten, die an das Beste
von Verocchio erinnern; Ähnliches gilt von dem etwas spätern Ne-
roccio (Statuen in den beiden Seitennischen der runden Cap. S. Gio-
vanni im Dom). Vecchietta dagegen hat die naturalistische Härte
Donatello’s ohne dessen innere Gewalt; seine Bronzestatue des Er-
lösers, auf dem Hauptaltar der Hospitalkirche della Scala, ist wie ein
Andrea del Castagno in Erz; die Grabstatue des Soccino († 1467) in
den Uffizien (I. Zimmer d. Br.) sieht einem von der Leiche genomme-
nen Abguss ähnlich, wenn auch die Falten nicht ohne Geschick geordnet
sind. Auch die übrigen Sienesen sind nach den in den Gängen der
Academie aufgestellten Fragmenten zu schliessen von keiner Bedeutung
(die Cozzarelli, u. A.), wenn nicht die mir unbekannten Sculpturen
in der Osservanza ihnen doch einen bessern Platz anweisen. — Spä-
ter folgt dann, ganz vereinzelt, der oben bei Anlass der Decoration
(S. 239, e) erwähnte herrliche Altar in Fontegiusta.
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Die römische Sculptur dieser Zeit ist eine fast ganz anonyme.
Doch steht wenigstens am Anfang des Jahrh. der Name des Paolo
Romano fest. In ihm regt sich, gleichzeitig mit Quercia, der be-
ginnende Realismus wenigstens in so weit, dass seine liegenden Grab-
statuen mit Geist und Freiheit individualisirt heissen können. (Grab-
1) Die ältern nach dem Campo santo versetzten Grabmäler verschiedener Kir-
chen hat der Verfasser nur flüchtig gesehen. Es befindet sich darunter das
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 614. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/636>, abgerufen am 18.12.2024.
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