grosse feierlich bewegte Composition, im Detail etwas flauer als die Fonte gaja.
Während in Toscana die grossen Florentiner ihn allmälig in den Schatten stellten, gewann er durch seinen Aufenthalt in Bologna einen, wie es scheint, weitgreifenden Einfluss auf die oberitalische Sculptur. Hier sind die Sculpturen am Hauptportal von S. Petro-a nio, begonnen 1429, vielleicht seine bedeutendste Arbeit überhaupt; weniger die Statuen der Madonna und zweier Bischöfe in der Lunette, als die Reliefhalbfiguren der Propheten und Sibyllen in der Schrägung der Pforte und des Bogens. Die neue Kunstzeit spricht hier ver- nehmlich aus den scharf individuellen Köpfen und aus dem Momen- tanen der Bewegung. Die fünf Geschi chten aus der Kindheit Christi, am Architrav passen nicht wohl zu Q.'s sonstigen Reliefs; die zehn Reliefs mit den Geschichten der Genesis an den Pilastern der Thür erregen ebenfalls einige Zweifel. Wenn sie aber von Quercia sind, so würden sie eine so früh im XV. Jahrh. unerhörte Freiheit des Styles bezeugen, während sie für das XVI. Jahrh. doch nur die Geltung von manierirten und wenig durchgebildeten Arbeiten haben könnten.
Ein bolognesischer Schüler Quercia's, Niccolo dell' Arca (st. 1494), fertigte die grosse thönerne, ehemals vergoldete Reliefmadonnab an der Fassade des Pal. Apostolico, die für die Zeit um 1460 kein bedeutendes Werk ist. -- Wichtiger war Niccolo's Theilnahme an der Arca in S. Domenico, von welcher er seinen Beinamen erhielt. Hierc werden ihm mehrere der obern Statuetten und der knieende Engel rechts vom Beschauer 1) zugeschrieben; für die übrigen Statuetten (Niemand sagt genau welche) nennt man einen wohl fünfzig Jahre jüngern Künstler, Girol. Cortellini. Genug dass es angenehme und lebensvolle Figürchen sind, die vielleicht im Abguss eine weite Verbreitung finden würden. (Der heil. Petronius und der Engel unten links vom Beschauer sind anerkanntermassen von Michelangelo.) -- Eine sehr tüchtige Arbeit des Niccolo ist auch das bemalte Reiterrelief desd Annibale Bentivoglio (1458) in der gleichnamigen Capelle zu S. Gia- como maggiore (Chorumgang).
1) Welchen ich glaube für ein Werk des XVI. Jahrhunderts halten zu müssen.
Quercia und Schüler in Bologna.
grosse feierlich bewegte Composition, im Detail etwas flauer als die Fonte gaja.
Während in Toscana die grossen Florentiner ihn allmälig in den Schatten stellten, gewann er durch seinen Aufenthalt in Bologna einen, wie es scheint, weitgreifenden Einfluss auf die oberitalische Sculptur. Hier sind die Sculpturen am Hauptportal von S. Petro-a nio, begonnen 1429, vielleicht seine bedeutendste Arbeit überhaupt; weniger die Statuen der Madonna und zweier Bischöfe in der Lunette, als die Reliefhalbfiguren der Propheten und Sibyllen in der Schrägung der Pforte und des Bogens. Die neue Kunstzeit spricht hier ver- nehmlich aus den scharf individuellen Köpfen und aus dem Momen- tanen der Bewegung. Die fünf Geschi chten aus der Kindheit Christi, am Architrav passen nicht wohl zu Q.’s sonstigen Reliefs; die zehn Reliefs mit den Geschichten der Genesis an den Pilastern der Thür erregen ebenfalls einige Zweifel. Wenn sie aber von Quercia sind, so würden sie eine so früh im XV. Jahrh. unerhörte Freiheit des Styles bezeugen, während sie für das XVI. Jahrh. doch nur die Geltung von manierirten und wenig durchgebildeten Arbeiten haben könnten.
Ein bolognesischer Schüler Quercia’s, Niccolò dell’ Arca (st. 1494), fertigte die grosse thönerne, ehemals vergoldete Reliefmadonnab an der Fassade des Pal. Apostolico, die für die Zeit um 1460 kein bedeutendes Werk ist. — Wichtiger war Niccolò’s Theilnahme an der Arca in S. Domenico, von welcher er seinen Beinamen erhielt. Hierc werden ihm mehrere der obern Statuetten und der knieende Engel rechts vom Beschauer 1) zugeschrieben; für die übrigen Statuetten (Niemand sagt genau welche) nennt man einen wohl fünfzig Jahre jüngern Künstler, Girol. Cortellini. Genug dass es angenehme und lebensvolle Figürchen sind, die vielleicht im Abguss eine weite Verbreitung finden würden. (Der heil. Petronius und der Engel unten links vom Beschauer sind anerkanntermassen von Michelangelo.) — Eine sehr tüchtige Arbeit des Niccolò ist auch das bemalte Reiterrelief desd Annibale Bentivoglio (1458) in der gleichnamigen Capelle zu S. Gia- como maggiore (Chorumgang).
1) Welchen ich glaube für ein Werk des XVI. Jahrhunderts halten zu müssen.
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Quercia und Schüler in Bologna.
grosse feierlich bewegte Composition, im Detail etwas flauer als die
Fonte gaja.
Während in Toscana die grossen Florentiner ihn allmälig in den
Schatten stellten, gewann er durch seinen Aufenthalt in Bologna
einen, wie es scheint, weitgreifenden Einfluss auf die oberitalische
Sculptur. Hier sind die Sculpturen am Hauptportal von S. Petro-
nio, begonnen 1429, vielleicht seine bedeutendste Arbeit überhaupt;
weniger die Statuen der Madonna und zweier Bischöfe in der Lunette,
als die Reliefhalbfiguren der Propheten und Sibyllen in der Schrägung
der Pforte und des Bogens. Die neue Kunstzeit spricht hier ver-
nehmlich aus den scharf individuellen Köpfen und aus dem Momen-
tanen der Bewegung. Die fünf Geschi chten aus der Kindheit Christi,
am Architrav passen nicht wohl zu Q.’s sonstigen Reliefs; die zehn
Reliefs mit den Geschichten der Genesis an den Pilastern der Thür
erregen ebenfalls einige Zweifel. Wenn sie aber von Quercia sind, so
würden sie eine so früh im XV. Jahrh. unerhörte Freiheit des Styles
bezeugen, während sie für das XVI. Jahrh. doch nur die Geltung von
manierirten und wenig durchgebildeten Arbeiten haben könnten.
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Ein bolognesischer Schüler Quercia’s, Niccolò dell’ Arca (st.
1494), fertigte die grosse thönerne, ehemals vergoldete Reliefmadonna
an der Fassade des Pal. Apostolico, die für die Zeit um 1460 kein
bedeutendes Werk ist. — Wichtiger war Niccolò’s Theilnahme an der
Arca in S. Domenico, von welcher er seinen Beinamen erhielt. Hier
werden ihm mehrere der obern Statuetten und der knieende Engel
rechts vom Beschauer 1) zugeschrieben; für die übrigen Statuetten
(Niemand sagt genau welche) nennt man einen wohl fünfzig Jahre
jüngern Künstler, Girol. Cortellini. Genug dass es angenehme
und lebensvolle Figürchen sind, die vielleicht im Abguss eine weite
Verbreitung finden würden. (Der heil. Petronius und der Engel unten
links vom Beschauer sind anerkanntermassen von Michelangelo.) — Eine
sehr tüchtige Arbeit des Niccolò ist auch das bemalte Reiterrelief des
Annibale Bentivoglio (1458) in der gleichnamigen Capelle zu S. Gia-
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/635>, abgerufen am 18.12.2024.
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