Der als Decorator gerühmte Desiderio da Settignano (S. 234) ist auch als Bildhauer in einzelnen Theilen seiner Werke so trefflich, dass ihm das auffallend Geringere daran unmöglich zugeschrieben werden kann. An dem Grabmal Marzuppini im linken Seiten-a schiff von S. Croce sind ausser der höchst edel gelegten und behan- delten Statue wohl nur die beiden kräftigen Engelknaben als Guir- landenträger von ihm; an dem Tabernakel von S. Lorenzo (rechtesb Querschiff) gehören ihm nur die drei obersten Engelkinder sicher an 1).
Ob der grosse Matteo Civitali von Lucca (1435--1501) ein Schüler Desiderio's war, weiss ich nicht anzugeben, ganz gewiss aber geht er parallel mit dessen zunächst zu erwähnendem Schüler Mino da Fiesole, mit welchem er manche Äusserlichkeiten gemein hat. Nur war in Matteo viel weniger Manier, ein viel grösserer Schönheitssinn, eine Gabe des Bedeutenden, wie wir sie unter den Malern etwa bei D. Ghirlandajo antreffen. Die Härten und Ecken Donatello's sind bei ihm gänzlich überwunden; wie in der Decoration, so ist er in der Sculptur einer der Einfachsten seiner Zeit.
In den Uffizien zu Florenz (Gang der tosc. Sculpt.) ist von ihmc das Relief einer Fides, deren schöner und inniger Ausdruck wohl auffordern mag zum Besuch der classischen Stätte von Matteo's Wirk- samkeit: des Domes von Lucca. Hier findet man in den beidend anbetenden Engeln auf dem Altar der Sacramentscapelle (rechtes Quer- schiff) Alles erfüllt, was jene Gestalt verhiess. Mit dem edelsten Styl, den das XV. Jahrhundert seit Ghiberti aufweist, verbindet sich hier der Ausdruck einer inbrünstigen Andacht und hohe jugendliche Schön- heit. Das Grabmal des Petrus a Noceto (1472, ebenda), eine frühere Arbeit, verräth in der Reliefmadonna und den Putten den Mitstreben- den Mino's, aber schon auf einer ungleich höhern Stufe der Ausbil- dung und des Ausdruckes; auch die liegende Statue ist der ähnlichen
1) Bei diesem oder irgend einem andern Anlass müsste auf den köstlichen Mar- moraltar in dem Carmeliterkirchlein S. Maria, eine Viertelstunde vor Arezzo* aufmerksam gemacht werden. Ich kann aus der Erinnerung nur so viel sagen, dass er mir dem Styl nach zwischen den Robbia und Mino da Fiesole zu stehen scheint.
Settignano. Civitali.
Der als Decorator gerühmte Desiderio da Settignano (S. 234) ist auch als Bildhauer in einzelnen Theilen seiner Werke so trefflich, dass ihm das auffallend Geringere daran unmöglich zugeschrieben werden kann. An dem Grabmal Marzuppini im linken Seiten-a schiff von S. Croce sind ausser der höchst edel gelegten und behan- delten Statue wohl nur die beiden kräftigen Engelknaben als Guir- landenträger von ihm; an dem Tabernakel von S. Lorenzo (rechtesb Querschiff) gehören ihm nur die drei obersten Engelkinder sicher an 1).
Ob der grosse Matteo Civitali von Lucca (1435—1501) ein Schüler Desiderio’s war, weiss ich nicht anzugeben, ganz gewiss aber geht er parallel mit dessen zunächst zu erwähnendem Schüler Mino da Fiesole, mit welchem er manche Äusserlichkeiten gemein hat. Nur war in Matteo viel weniger Manier, ein viel grösserer Schönheitssinn, eine Gabe des Bedeutenden, wie wir sie unter den Malern etwa bei D. Ghirlandajo antreffen. Die Härten und Ecken Donatello’s sind bei ihm gänzlich überwunden; wie in der Decoration, so ist er in der Sculptur einer der Einfachsten seiner Zeit.
In den Uffizien zu Florenz (Gang der tosc. Sculpt.) ist von ihmc das Relief einer Fides, deren schöner und inniger Ausdruck wohl auffordern mag zum Besuch der classischen Stätte von Matteo’s Wirk- samkeit: des Domes von Lucca. Hier findet man in den beidend anbetenden Engeln auf dem Altar der Sacramentscapelle (rechtes Quer- schiff) Alles erfüllt, was jene Gestalt verhiess. Mit dem edelsten Styl, den das XV. Jahrhundert seit Ghiberti aufweist, verbindet sich hier der Ausdruck einer inbrünstigen Andacht und hohe jugendliche Schön- heit. Das Grabmal des Petrus a Noceto (1472, ebenda), eine frühere Arbeit, verräth in der Reliefmadonna und den Putten den Mitstreben- den Mino’s, aber schon auf einer ungleich höhern Stufe der Ausbil- dung und des Ausdruckes; auch die liegende Statue ist der ähnlichen
1) Bei diesem oder irgend einem andern Anlass müsste auf den köstlichen Mar- moraltar in dem Carmeliterkirchlein S. Maria, eine Viertelstunde vor Arezzo* aufmerksam gemacht werden. Ich kann aus der Erinnerung nur so viel sagen, dass er mir dem Styl nach zwischen den Robbia und Mino da Fiesole zu stehen scheint.
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Settignano. Civitali.
Der als Decorator gerühmte Desiderio da Settignano (S. 234)
ist auch als Bildhauer in einzelnen Theilen seiner Werke so trefflich,
dass ihm das auffallend Geringere daran unmöglich zugeschrieben
werden kann. An dem Grabmal Marzuppini im linken Seiten-
schiff von S. Croce sind ausser der höchst edel gelegten und behan-
delten Statue wohl nur die beiden kräftigen Engelknaben als Guir-
landenträger von ihm; an dem Tabernakel von S. Lorenzo (rechtes
Querschiff) gehören ihm nur die drei obersten Engelkinder sicher an 1).
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Ob der grosse Matteo Civitali von Lucca (1435—1501) ein
Schüler Desiderio’s war, weiss ich nicht anzugeben, ganz gewiss aber
geht er parallel mit dessen zunächst zu erwähnendem Schüler Mino
da Fiesole, mit welchem er manche Äusserlichkeiten gemein hat. Nur
war in Matteo viel weniger Manier, ein viel grösserer Schönheitssinn,
eine Gabe des Bedeutenden, wie wir sie unter den Malern etwa bei
D. Ghirlandajo antreffen. Die Härten und Ecken Donatello’s sind bei
ihm gänzlich überwunden; wie in der Decoration, so ist er in der
Sculptur einer der Einfachsten seiner Zeit.
In den Uffizien zu Florenz (Gang der tosc. Sculpt.) ist von ihm
das Relief einer Fides, deren schöner und inniger Ausdruck wohl
auffordern mag zum Besuch der classischen Stätte von Matteo’s Wirk-
samkeit: des Domes von Lucca. Hier findet man in den beiden
anbetenden Engeln auf dem Altar der Sacramentscapelle (rechtes Quer-
schiff) Alles erfüllt, was jene Gestalt verhiess. Mit dem edelsten Styl,
den das XV. Jahrhundert seit Ghiberti aufweist, verbindet sich hier
der Ausdruck einer inbrünstigen Andacht und hohe jugendliche Schön-
heit. Das Grabmal des Petrus a Noceto (1472, ebenda), eine frühere
Arbeit, verräth in der Reliefmadonna und den Putten den Mitstreben-
den Mino’s, aber schon auf einer ungleich höhern Stufe der Ausbil-
dung und des Ausdruckes; auch die liegende Statue ist der ähnlichen
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1) Bei diesem oder irgend einem andern Anlass müsste auf den köstlichen Mar-
moraltar in dem Carmeliterkirchlein S. Maria, eine Viertelstunde vor Arezzo
aufmerksam gemacht werden. Ich kann aus der Erinnerung nur so viel sagen,
dass er mir dem Styl nach zwischen den Robbia und Mino da Fiesole zu
stehen scheint.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 605. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/627>, abgerufen am 18.12.2024.
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