mag sie wohl Gefallen erregen; was ihr aber eigen, das ist eine ge- wisse Plumpheit und Puppenhaftigkeit, eine monotone Wiederholung derselben Motive, eine Gedankenlosigkeit, die neben den gleichzeitigen toscanischen Sculpturen arg abstechen würde. Hievon machen weder adie Gräber des Hauses Anjou in S. Chiara, noch die keck bemalten in bder Capella Minutoli im Dom (hinten, rechts), noch diejenigen des cHauses Durazzo im Chorumgang von S. Lorenzo, noch die in S. Do- dmenico, eine Ausnahme. Es sind immer die gleichen allegorischen Tugenden und Wissenschaften, die freistehend den Sarg tragen, immer dieselben Relieffiguren am Sarg selber, die nämlichen vorhangziehen- den Engel drüber u. s. w. Die Statuen der Verstorbenen selbst er- scheinen meist etwas besser. -- Eine Menge solcher Gräber in allen ältern Kirchen, hie und da mit Farbenschmuck und Mosaiken. Ein egrosses erzbischöfliches Grab vom Jahr 1405 in der letzten Capelle des rechten Seitenschiffes im Dom.
Das Beste dieses Styles sind wohl die neun allegorischen Figu- fren, welche je zu dreien gruppirt den Leuchter der Osterkerze in S. Domenico maggiore tragen. Hier belebt sich Antlitz und Gestalt bis zu freier Anmuth; die Behandlung ist derjenigen des Weihbeckens in S. Giovanni Fuoricivitas zu Pistoja ähnlich, welches dem Giovanni Pisano selbst zugeschrieben wird.
Aus dem Anfang des XV. Jahrhunderts kömmt hinzu das grosse gprachtvolle Grabmal des Ladislas und seiner Schwester Johanna II, von Andrea Ciccione, in S. Giovanni a Carbonara. Auch hier ist alles Einzelne viel lebendiger und bedeutender als bei den Masuccj, die Charaktere zumal in den kleinern Statuetten schärfer und energi- scher, so dass sich der Übergang in den eigenthümlichen realistischen Styl des XV. Jahrhunderts nicht verkennen lässt.
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Die Portalsculpturen am Dom und an S. Giovanni Maggiore sind bloss als decoratives Ganzes von Bedeutung.
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Die Grabstatue Innocenz IV, im linken Querschiff des Domes, mit ihrem höchst ausdrucksvollen, imposanten und feinen Priesterant- litz ist wohl erst lange nach seinem Tode (1254), etwa zu Anfang des XV. Jahrhunderts gearbeitet.
Germanische Sculptur. Neapel.
mag sie wohl Gefallen erregen; was ihr aber eigen, das ist eine ge- wisse Plumpheit und Puppenhaftigkeit, eine monotone Wiederholung derselben Motive, eine Gedankenlosigkeit, die neben den gleichzeitigen toscanischen Sculpturen arg abstechen würde. Hievon machen weder adie Gräber des Hauses Anjou in S. Chiara, noch die keck bemalten in bder Capella Minutoli im Dom (hinten, rechts), noch diejenigen des cHauses Durazzo im Chorumgang von S. Lorenzo, noch die in S. Do- dmenico, eine Ausnahme. Es sind immer die gleichen allegorischen Tugenden und Wissenschaften, die freistehend den Sarg tragen, immer dieselben Relieffiguren am Sarg selber, die nämlichen vorhangziehen- den Engel drüber u. s. w. Die Statuen der Verstorbenen selbst er- scheinen meist etwas besser. — Eine Menge solcher Gräber in allen ältern Kirchen, hie und da mit Farbenschmuck und Mosaiken. Ein egrosses erzbischöfliches Grab vom Jahr 1405 in der letzten Capelle des rechten Seitenschiffes im Dom.
Das Beste dieses Styles sind wohl die neun allegorischen Figu- fren, welche je zu dreien gruppirt den Leuchter der Osterkerze in S. Domenico maggiore tragen. Hier belebt sich Antlitz und Gestalt bis zu freier Anmuth; die Behandlung ist derjenigen des Weihbeckens in S. Giovanni Fuoricivitas zu Pistoja ähnlich, welches dem Giovanni Pisano selbst zugeschrieben wird.
Aus dem Anfang des XV. Jahrhunderts kömmt hinzu das grosse gprachtvolle Grabmal des Ladislas und seiner Schwester Johanna II, von Andrea Ciccione, in S. Giovanni a Carbonara. Auch hier ist alles Einzelne viel lebendiger und bedeutender als bei den Masuccj, die Charaktere zumal in den kleinern Statuetten schärfer und energi- scher, so dass sich der Übergang in den eigenthümlichen realistischen Styl des XV. Jahrhunderts nicht verkennen lässt.
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Die Portalsculpturen am Dom und an S. Giovanni Maggiore sind bloss als decoratives Ganzes von Bedeutung.
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Die Grabstatue Innocenz IV, im linken Querschiff des Domes, mit ihrem höchst ausdrucksvollen, imposanten und feinen Priesterant- litz ist wohl erst lange nach seinem Tode (1254), etwa zu Anfang des XV. Jahrhunderts gearbeitet.
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[584/0606]
Germanische Sculptur. Neapel.
mag sie wohl Gefallen erregen; was ihr aber eigen, das ist eine ge-
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derselben Motive, eine Gedankenlosigkeit, die neben den gleichzeitigen
toscanischen Sculpturen arg abstechen würde. Hievon machen weder
die Gräber des Hauses Anjou in S. Chiara, noch die keck bemalten in
der Capella Minutoli im Dom (hinten, rechts), noch diejenigen des
Hauses Durazzo im Chorumgang von S. Lorenzo, noch die in S. Do-
menico, eine Ausnahme. Es sind immer die gleichen allegorischen
Tugenden und Wissenschaften, die freistehend den Sarg tragen, immer
dieselben Relieffiguren am Sarg selber, die nämlichen vorhangziehen-
den Engel drüber u. s. w. Die Statuen der Verstorbenen selbst er-
scheinen meist etwas besser. — Eine Menge solcher Gräber in allen
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grosses erzbischöfliches Grab vom Jahr 1405 in der letzten Capelle
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S. Domenico maggiore tragen. Hier belebt sich Antlitz und Gestalt
bis zu freier Anmuth; die Behandlung ist derjenigen des Weihbeckens
in S. Giovanni Fuoricivitas zu Pistoja ähnlich, welches dem Giovanni
Pisano selbst zugeschrieben wird.
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Aus dem Anfang des XV. Jahrhunderts kömmt hinzu das grosse
prachtvolle Grabmal des Ladislas und seiner Schwester Johanna II,
von Andrea Ciccione, in S. Giovanni a Carbonara. Auch hier ist
alles Einzelne viel lebendiger und bedeutender als bei den Masuccj,
die Charaktere zumal in den kleinern Statuetten schärfer und energi-
scher, so dass sich der Übergang in den eigenthümlichen realistischen
Styl des XV. Jahrhunderts nicht verkennen lässt.
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Die Portalsculpturen am Dom und an S. Giovanni Maggiore sind
bloss als decoratives Ganzes von Bedeutung.
Die Grabstatue Innocenz IV, im linken Querschiff des Domes,
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litz ist wohl erst lange nach seinem Tode (1254), etwa zu Anfang
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 584. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/606>, abgerufen am 18.12.2024.
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