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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Reliefs römischer Denkmäler.
und Gefässe) und ein gutes Relieffragment im grossen Saal des Appar-a
tamento Borgia (Vatican). Von einem Gebäude aus trajanischer Zeit:
vier Stücke einer Procession, in den Uffizien zu Florenz (äussereb
Vorhalle); abgesehen von der Überfüllung, welche sich in diesen Flach-
arbeiten besonders empfindlich macht, von ausserordentlicher Schön-
heit; vielleicht gehört das herrliche Hochrelief eines Stieropfers, wel-
ches dabei aufgestellt ist, in dieselbe Kunstepoche. -- Aus der Zeit
Marc-Aurels: die schon beträchtlich geringern und überdiess schlech-c
ter erhaltenen Reliefs der Antoninssäule und die fleissigen, aber
etwas leblosen Sculpturen wahrscheinlich von einem Triumphbo-d
gen, jetzt an der Treppe und in der obern Halle des Conservato-
renpalastes auf dem Capitol eingemauert; weit das beste darunter ist
die Apotheose einer Kaiserinn, entweder der ältern oder der jüngern
Faustina 1). An der Basis des Denkmals des Antonius Pius, jetzt ime
Giardino della Pigna des Vaticans, ist die Apotheose des Kaisers
(rituell nach ältern Vorbildern) ebenfalls auffallend besser als die
Reiterschaaren zu beiden Seiten. -- Am Bogen des Septimius Se-f
verus: Alles von abschreckender Überfüllung und Ungeschicklichkeit;
die Heereszüge im Zickzack angeordnet; -- der gleichzeitige Bogeng
der Goldschmiede blosse Steinmetzenarbeit. -- Am Constantinsbo-h
gen tritt in Allem, was nicht vom Bogen Trajans geraubt ist, der
offene Bankerott des Reliefs und der Sculptur überhaupt zu Tage;
puppenhafte Ungeschicklichkeit des Einzelnen und eine völlig leblose
Anordnung. Ebenso in den Porphyrsärgen der Helena undi
Constantia. (Vatican, Sala a croce greca.)

Überblickt man diesen traurigen Gang der Kunst im Ganzen, so
wird es recht klar, wie wenig Geschichtliches als solches dem Relief
darf zugemuthet werden. Man rechne einmal unter all den Thatsachen,
welche in diesen Siegesdenkmälern verherrlicht sind, diejenigen zu-
sammen, in welchen ein sinnlich wahrnehmbarer dramatischer Moment
durch die Hauptpersonen selbst dargestellt ist, und keine blosse Ce-
remonie, kein blosses Obercommando; man zähle die Scenen, welche

1) Dieses und das gegenüber angebrachte Relief, Marc Aurel als Redner, stam-
men von einem ganz andern Denkmal, dem zerstörten Arco di Portogallo,
her. [Br.]
B. Cicerone. 35

Reliefs römischer Denkmäler.
und Gefässe) und ein gutes Relieffragment im grossen Saal des Appar-a
tamento Borgia (Vatican). Von einem Gebäude aus trajanischer Zeit:
vier Stücke einer Procession, in den Uffizien zu Florenz (äussereb
Vorhalle); abgesehen von der Überfüllung, welche sich in diesen Flach-
arbeiten besonders empfindlich macht, von ausserordentlicher Schön-
heit; vielleicht gehört das herrliche Hochrelief eines Stieropfers, wel-
ches dabei aufgestellt ist, in dieselbe Kunstepoche. — Aus der Zeit
Marc-Aurels: die schon beträchtlich geringern und überdiess schlech-c
ter erhaltenen Reliefs der Antoninssäule und die fleissigen, aber
etwas leblosen Sculpturen wahrscheinlich von einem Triumphbo-d
gen, jetzt an der Treppe und in der obern Halle des Conservato-
renpalastes auf dem Capitol eingemauert; weit das beste darunter ist
die Apotheose einer Kaiserinn, entweder der ältern oder der jüngern
Faustina 1). An der Basis des Denkmals des Antonius Pius, jetzt ime
Giardino della Pigna des Vaticans, ist die Apotheose des Kaisers
(rituell nach ältern Vorbildern) ebenfalls auffallend besser als die
Reiterschaaren zu beiden Seiten. — Am Bogen des Septimius Se-f
verus: Alles von abschreckender Überfüllung und Ungeschicklichkeit;
die Heereszüge im Zickzack angeordnet; — der gleichzeitige Bogeng
der Goldschmiede blosse Steinmetzenarbeit. — Am Constantinsbo-h
gen tritt in Allem, was nicht vom Bogen Trajans geraubt ist, der
offene Bankerott des Reliefs und der Sculptur überhaupt zu Tage;
puppenhafte Ungeschicklichkeit des Einzelnen und eine völlig leblose
Anordnung. Ebenso in den Porphyrsärgen der Helena undi
Constantia. (Vatican, Sala a croce greca.)

Überblickt man diesen traurigen Gang der Kunst im Ganzen, so
wird es recht klar, wie wenig Geschichtliches als solches dem Relief
darf zugemuthet werden. Man rechne einmal unter all den Thatsachen,
welche in diesen Siegesdenkmälern verherrlicht sind, diejenigen zu-
sammen, in welchen ein sinnlich wahrnehmbarer dramatischer Moment
durch die Hauptpersonen selbst dargestellt ist, und keine blosse Ce-
remonie, kein blosses Obercommando; man zähle die Scenen, welche

1) Dieses und das gegenüber angebrachte Relief, Marc Aurel als Redner, stam-
men von einem ganz andern Denkmal, dem zerstörten Arco di Portogallo,
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B. Cicerone. 35
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[545/0567] Reliefs römischer Denkmäler. und Gefässe) und ein gutes Relieffragment im grossen Saal des Appar- tamento Borgia (Vatican). Von einem Gebäude aus trajanischer Zeit: vier Stücke einer Procession, in den Uffizien zu Florenz (äussere Vorhalle); abgesehen von der Überfüllung, welche sich in diesen Flach- arbeiten besonders empfindlich macht, von ausserordentlicher Schön- heit; vielleicht gehört das herrliche Hochrelief eines Stieropfers, wel- ches dabei aufgestellt ist, in dieselbe Kunstepoche. — Aus der Zeit Marc-Aurels: die schon beträchtlich geringern und überdiess schlech- ter erhaltenen Reliefs der Antoninssäule und die fleissigen, aber etwas leblosen Sculpturen wahrscheinlich von einem Triumphbo- gen, jetzt an der Treppe und in der obern Halle des Conservato- renpalastes auf dem Capitol eingemauert; weit das beste darunter ist die Apotheose einer Kaiserinn, entweder der ältern oder der jüngern Faustina 1). An der Basis des Denkmals des Antonius Pius, jetzt im Giardino della Pigna des Vaticans, ist die Apotheose des Kaisers (rituell nach ältern Vorbildern) ebenfalls auffallend besser als die Reiterschaaren zu beiden Seiten. — Am Bogen des Septimius Se- verus: Alles von abschreckender Überfüllung und Ungeschicklichkeit; die Heereszüge im Zickzack angeordnet; — der gleichzeitige Bogen der Goldschmiede blosse Steinmetzenarbeit. — Am Constantinsbo- gen tritt in Allem, was nicht vom Bogen Trajans geraubt ist, der offene Bankerott des Reliefs und der Sculptur überhaupt zu Tage; puppenhafte Ungeschicklichkeit des Einzelnen und eine völlig leblose Anordnung. Ebenso in den Porphyrsärgen der Helena und Constantia. (Vatican, Sala a croce greca.) a b c d e f g h i Überblickt man diesen traurigen Gang der Kunst im Ganzen, so wird es recht klar, wie wenig Geschichtliches als solches dem Relief darf zugemuthet werden. Man rechne einmal unter all den Thatsachen, welche in diesen Siegesdenkmälern verherrlicht sind, diejenigen zu- sammen, in welchen ein sinnlich wahrnehmbarer dramatischer Moment durch die Hauptpersonen selbst dargestellt ist, und keine blosse Ce- remonie, kein blosses Obercommando; man zähle die Scenen, welche 1) Dieses und das gegenüber angebrachte Relief, Marc Aurel als Redner, stam- men von einem ganz andern Denkmal, dem zerstörten Arco di Portogallo, her. [Br.] B. Cicerone. 35

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/567>, abgerufen am 16.06.2024.