Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.Kaiser als Heroen. Kaiserinnen. Rechte zum Sprechen erhoben oder einen Globus haltend, die Linkedas Schwert und einen Bausch des Gewandes fassend. Die werth- vollste Statue dieser Art ist der berühmte colossale Pompejus (ima Palast Spada zu Rom), wahrscheinlich dasselbe Bild, zu dessen Füssen der ermordete Cäsar niedersank. Wir rechnen ihn der heroi- schen Auffassung nach hieher, obschon er kein Kaiser war1). Was folgt, ist grossentheils untergeordnet oder durch den Kopfwechsel weit empfindlicher entstellt als die Geharnischten. Zum Besten gehören ein paar Statuen des L. Verus (im Braccio nuovo des Vaticans, imb dritten Gang des Museums von Neapel u. a. a. O.), abgesehen von den unangenehmen Zügen. Von den grossen Bronzen dieser Art im Museum von Neapel erhebt sich keine über das Mittelmässige, auchc der Germanicus nicht; von den marmornen (im dritten Gange) sindd ausser Verus noch mehrere von mittelguter Arbeit; der colossale Ale- xander Severus aber (in der untern Vorhalle) schon äusserst leblos.e Sehr ansprechend die Statue eines jungen Prinzen von ähnlichem Typus,f im Museo Chiaramonti des Vaticans. -- Geringere nackte Kaiserkin- der: die Bronzestatue im hintern Saal der Villa Borghese; der Prinzg im Verbindungsgang der Uffizien zu Florenz. -- Im Allgemeinen wer-h den die halbnackten Thronenden schon desshalb den Vorzug vor den nackten Stehenden haben, weil das Auge bei jenen einen Porträtkopf erwartet und erträgt, da sie wirklich nur erhöht aufgefasste Bildnisse sein wollen, bei diesen dagegen sich auf einen heroischen Idealkopf gefasst macht, statt dessen aber wohlbekannte Züge findet. Die Kaiserinnen sind durch keinerlei besondern Schmuck von 1) Ebenso ist hier der Colossalstatue des M. Agrippa zu gedenken, welche sich zu Venedig im Hof des Pal. Grimani (unweit S. Maria Formosa) be-* findet. Nur decorativ behandelt, aber ein grossartiges Beispiel heroisch- idealer und doch getreuer Bildnissauffassung. Die starken Restaurationen fallen in die Augen; doch scheinen alt und nur neu angesetzt: Tronco, Ba- sis, Cista und vielleicht der Delphin, welcher den Seehelden bezeichnet. 2) Selbst das Diadem möchte wohl auch andern Frauen zugekommen sein, ebenso
der oft sehr absonderlich scheinende Haarputz. Vgl. S. 521, Anm. 2. Kaiser als Heroen. Kaiserinnen. Rechte zum Sprechen erhoben oder einen Globus haltend, die Linkedas Schwert und einen Bausch des Gewandes fassend. Die werth- vollste Statue dieser Art ist der berühmte colossale Pompejus (ima Palast Spada zu Rom), wahrscheinlich dasselbe Bild, zu dessen Füssen der ermordete Cäsar niedersank. Wir rechnen ihn der heroi- schen Auffassung nach hieher, obschon er kein Kaiser war1). Was folgt, ist grossentheils untergeordnet oder durch den Kopfwechsel weit empfindlicher entstellt als die Geharnischten. Zum Besten gehören ein paar Statuen des L. Verus (im Braccio nuovo des Vaticans, imb dritten Gang des Museums von Neapel u. a. a. O.), abgesehen von den unangenehmen Zügen. Von den grossen Bronzen dieser Art im Museum von Neapel erhebt sich keine über das Mittelmässige, auchc der Germanicus nicht; von den marmornen (im dritten Gange) sindd ausser Verus noch mehrere von mittelguter Arbeit; der colossale Ale- xander Severus aber (in der untern Vorhalle) schon äusserst leblos.e Sehr ansprechend die Statue eines jungen Prinzen von ähnlichem Typus,f im Museo Chiaramonti des Vaticans. — Geringere nackte Kaiserkin- der: die Bronzestatue im hintern Saal der Villa Borghese; der Prinzg im Verbindungsgang der Uffizien zu Florenz. — Im Allgemeinen wer-h den die halbnackten Thronenden schon desshalb den Vorzug vor den nackten Stehenden haben, weil das Auge bei jenen einen Porträtkopf erwartet und erträgt, da sie wirklich nur erhöht aufgefasste Bildnisse sein wollen, bei diesen dagegen sich auf einen heroischen Idealkopf gefasst macht, statt dessen aber wohlbekannte Züge findet. Die Kaiserinnen sind durch keinerlei besondern Schmuck von 1) Ebenso ist hier der Colossalstatue des M. Agrippa zu gedenken, welche sich zu Venedig im Hof des Pal. Grimani (unweit S. Maria Formosa) be-* findet. Nur decorativ behandelt, aber ein grossartiges Beispiel heroisch- idealer und doch getreuer Bildnissauffassung. Die starken Restaurationen fallen in die Augen; doch scheinen alt und nur neu angesetzt: Tronco, Ba- sis, Cista und vielleicht der Delphin, welcher den Seehelden bezeichnet. 2) Selbst das Diadem möchte wohl auch andern Frauen zugekommen sein, ebenso
der oft sehr absonderlich scheinende Haarputz. Vgl. S. 521, Anm. 2. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0541" n="519"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kaiser als Heroen. Kaiserinnen.</hi></fw><lb/> Rechte zum Sprechen erhoben oder einen Globus haltend, die Linke<lb/> das Schwert und einen Bausch des Gewandes fassend. Die werth-<lb/> vollste Statue dieser Art ist der berühmte colossale <hi rendition="#g">Pompejus</hi> (im<note place="right">a</note><lb/><hi rendition="#g">Palast Spada</hi> zu Rom), wahrscheinlich dasselbe Bild, zu dessen<lb/> Füssen der ermordete Cäsar niedersank. Wir rechnen ihn der heroi-<lb/> schen Auffassung nach hieher, obschon er kein Kaiser war<note place="foot" n="1)">Ebenso ist hier der Colossalstatue des M. <hi rendition="#g">Agrippa</hi> zu gedenken, welche<lb/> sich zu <hi rendition="#g">Venedig</hi> im Hof des Pal. Grimani (unweit S. Maria Formosa) be-<note place="right">*</note><lb/> findet. Nur decorativ behandelt, aber ein grossartiges Beispiel heroisch-<lb/> idealer und doch getreuer Bildnissauffassung. Die starken Restaurationen<lb/> fallen in die Augen; doch scheinen alt und nur neu angesetzt: Tronco, Ba-<lb/> sis, Cista und vielleicht der Delphin, welcher den Seehelden bezeichnet.</note>. Was<lb/> folgt, ist grossentheils untergeordnet oder durch den Kopfwechsel weit<lb/> empfindlicher entstellt als die Geharnischten. Zum Besten gehören<lb/> ein paar Statuen des L. <hi rendition="#g">Verus</hi> (im Braccio nuovo des Vaticans, im<note place="right">b</note><lb/> dritten Gang des Museums von Neapel u. a. a. O.), abgesehen von<lb/> den unangenehmen Zügen. Von den grossen Bronzen dieser Art im<lb/> Museum von Neapel erhebt sich keine über das Mittelmässige, auch<note place="right">c</note><lb/> der Germanicus nicht; von den marmornen (im dritten Gange) sind<note place="right">d</note><lb/> ausser Verus noch mehrere von mittelguter Arbeit; der colossale Ale-<lb/> xander Severus aber (in der untern Vorhalle) schon äusserst leblos.<note place="right">e</note><lb/> Sehr ansprechend die Statue eines jungen Prinzen von ähnlichem Typus,<note place="right">f</note><lb/> im Museo Chiaramonti des Vaticans. — Geringere nackte Kaiserkin-<lb/> der: die Bronzestatue im hintern Saal der Villa Borghese; der Prinz<note place="right">g</note><lb/> im Verbindungsgang der Uffizien zu Florenz. — Im Allgemeinen wer-<note place="right">h</note><lb/> den die halbnackten Thronenden schon desshalb den Vorzug vor den<lb/> nackten Stehenden haben, weil das Auge bei jenen einen Porträtkopf<lb/> erwartet und erträgt, da sie wirklich nur erhöht aufgefasste Bildnisse<lb/> sein wollen, bei diesen dagegen sich auf einen heroischen Idealkopf<lb/> gefasst macht, statt dessen aber wohlbekannte Züge findet.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Kaiserinnen</hi> sind durch keinerlei besondern Schmuck von<lb/> den Statuen anderer römischer Damen unterschieden<note place="foot" n="2)">Selbst das Diadem möchte wohl auch andern Frauen zugekommen sein, ebenso<lb/> der oft sehr absonderlich scheinende Haarputz. Vgl. S. 521, Anm. 2.</note>. Das Preis-<lb/> würdigste wurde bei Anlass der weiblichen Gewandstatuen beiläufig<lb/> erwähnt; die Kaiserinnen als Göttinnen, z. B. häufig als Venus, zeigen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [519/0541]
Kaiser als Heroen. Kaiserinnen.
Rechte zum Sprechen erhoben oder einen Globus haltend, die Linke
das Schwert und einen Bausch des Gewandes fassend. Die werth-
vollste Statue dieser Art ist der berühmte colossale Pompejus (im
Palast Spada zu Rom), wahrscheinlich dasselbe Bild, zu dessen
Füssen der ermordete Cäsar niedersank. Wir rechnen ihn der heroi-
schen Auffassung nach hieher, obschon er kein Kaiser war 1). Was
folgt, ist grossentheils untergeordnet oder durch den Kopfwechsel weit
empfindlicher entstellt als die Geharnischten. Zum Besten gehören
ein paar Statuen des L. Verus (im Braccio nuovo des Vaticans, im
dritten Gang des Museums von Neapel u. a. a. O.), abgesehen von
den unangenehmen Zügen. Von den grossen Bronzen dieser Art im
Museum von Neapel erhebt sich keine über das Mittelmässige, auch
der Germanicus nicht; von den marmornen (im dritten Gange) sind
ausser Verus noch mehrere von mittelguter Arbeit; der colossale Ale-
xander Severus aber (in der untern Vorhalle) schon äusserst leblos.
Sehr ansprechend die Statue eines jungen Prinzen von ähnlichem Typus,
im Museo Chiaramonti des Vaticans. — Geringere nackte Kaiserkin-
der: die Bronzestatue im hintern Saal der Villa Borghese; der Prinz
im Verbindungsgang der Uffizien zu Florenz. — Im Allgemeinen wer-
den die halbnackten Thronenden schon desshalb den Vorzug vor den
nackten Stehenden haben, weil das Auge bei jenen einen Porträtkopf
erwartet und erträgt, da sie wirklich nur erhöht aufgefasste Bildnisse
sein wollen, bei diesen dagegen sich auf einen heroischen Idealkopf
gefasst macht, statt dessen aber wohlbekannte Züge findet.
a
b
c
d
e
f
g
h
Die Kaiserinnen sind durch keinerlei besondern Schmuck von
den Statuen anderer römischer Damen unterschieden 2). Das Preis-
würdigste wurde bei Anlass der weiblichen Gewandstatuen beiläufig
erwähnt; die Kaiserinnen als Göttinnen, z. B. häufig als Venus, zeigen
1) Ebenso ist hier der Colossalstatue des M. Agrippa zu gedenken, welche
sich zu Venedig im Hof des Pal. Grimani (unweit S. Maria Formosa) be-
findet. Nur decorativ behandelt, aber ein grossartiges Beispiel heroisch-
idealer und doch getreuer Bildnissauffassung. Die starken Restaurationen
fallen in die Augen; doch scheinen alt und nur neu angesetzt: Tronco, Ba-
sis, Cista und vielleicht der Delphin, welcher den Seehelden bezeichnet.
2) Selbst das Diadem möchte wohl auch andern Frauen zugekommen sein, ebenso
der oft sehr absonderlich scheinende Haarputz. Vgl. S. 521, Anm. 2.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |