a(flüchtig und sehr verdorben, trotz der griechischen Inschrift eine späte Arbeit), einen Alcibiades, welcher der vaticanischen Statue (Sala della biga) gleicht, einen jener Köpfe, welche Sappho zu heissen pflegen, u. A. m.
Von den bessern Büsten dieser Art, d. h. von denjenigen, welche nicht späte Duzendnachbildungen sind, gilt durchgängig, was schon bei Anlass der ganzen Statuen gesagt wurde: sie stellen den Menschen so umgegossen dar, wie er nach seinem tiefsten Wesen hätte sein müs- sen, und verdienen desshalb den Namen -- nicht von "idealisirten", sondern von Idealbildnissen im besten Sinne. Es wird nicht etwas conventionell für schön Geltendes von aussen in den Kopf hineinge- bracht, sondern das persönliche Ideal, was innen in Jedem verborgen lag, wird entwickelt.
Vielleicht hatte die griechische Kunst schon einen bedeutend schwerern Stand, als sie seit Alexander die Fürsten der neuen grie- chischen Reiche, seine Nachfolger (Diadochen) verherrlichen musste. Hier galt es nun allerdings lebende Zeitgenossen, und zwar zum Theil Menschen von abscheulichem oder verächtlichem Charakter; und diese wollten überdies in einer ganz besondern Weise idealisirt sein, indem sie sich oft als bestimmte Götter abbilden liessen. Die griechische Sculptur that nun das mehr als Mögliche. Ohne von den bezeichnen- den Zügen des Betreffenden wesentlich abzugehen, gab sie dieselben mit einer eigenthümlichen Grösse und Offenheit wieder, wie sie etwa in einzelnen guten Stunden konnten ausgesehen haben. Das Ver- schmitzte, Kleinlich-Bösartige, das wir z. B. bei den spätern Ptole- mäern vermuthen, wird hier gar nicht dargestellt, weil der Ausdruck eines göttlich waltenden Herrschers das wesentliche Ziel war. Viel- leicht die nächste Analogie in der ganzen Kunstgeschichte gewähren eine Anzahl von Bildnissen Tizians, in welchen die Menschen des XVI. Jahrhunderts auch so gross und so frei von allem Momentanen und kleinlich Charakteristischen vor uns erscheinen, wie sie vielleicht selten oder nie sich wirklich ausnahmen.
Die höchst prunkhaften und zum Theil colossalen Statuen, welche in Antiochien, Alexandrien, Pergamus u. a. damaligen Residenzen er- richtet wurden, sind freilich alle verloren und unser obiges Urtheil ist auf eine Anzahl von Köpfen im Museum von Neapel beschränkt,
Antike Sculptur. Diadochenköpfe.
a(flüchtig und sehr verdorben, trotz der griechischen Inschrift eine späte Arbeit), einen Alcibiades, welcher der vaticanischen Statue (Sala della biga) gleicht, einen jener Köpfe, welche Sappho zu heissen pflegen, u. A. m.
Von den bessern Büsten dieser Art, d. h. von denjenigen, welche nicht späte Duzendnachbildungen sind, gilt durchgängig, was schon bei Anlass der ganzen Statuen gesagt wurde: sie stellen den Menschen so umgegossen dar, wie er nach seinem tiefsten Wesen hätte sein müs- sen, und verdienen desshalb den Namen — nicht von „idealisirten“, sondern von Idealbildnissen im besten Sinne. Es wird nicht etwas conventionell für schön Geltendes von aussen in den Kopf hineinge- bracht, sondern das persönliche Ideal, was innen in Jedem verborgen lag, wird entwickelt.
Vielleicht hatte die griechische Kunst schon einen bedeutend schwerern Stand, als sie seit Alexander die Fürsten der neuen grie- chischen Reiche, seine Nachfolger (Diadochen) verherrlichen musste. Hier galt es nun allerdings lebende Zeitgenossen, und zwar zum Theil Menschen von abscheulichem oder verächtlichem Charakter; und diese wollten überdies in einer ganz besondern Weise idealisirt sein, indem sie sich oft als bestimmte Götter abbilden liessen. Die griechische Sculptur that nun das mehr als Mögliche. Ohne von den bezeichnen- den Zügen des Betreffenden wesentlich abzugehen, gab sie dieselben mit einer eigenthümlichen Grösse und Offenheit wieder, wie sie etwa in einzelnen guten Stunden konnten ausgesehen haben. Das Ver- schmitzte, Kleinlich-Bösartige, das wir z. B. bei den spätern Ptole- mäern vermuthen, wird hier gar nicht dargestellt, weil der Ausdruck eines göttlich waltenden Herrschers das wesentliche Ziel war. Viel- leicht die nächste Analogie in der ganzen Kunstgeschichte gewähren eine Anzahl von Bildnissen Tizians, in welchen die Menschen des XVI. Jahrhunderts auch so gross und so frei von allem Momentanen und kleinlich Charakteristischen vor uns erscheinen, wie sie vielleicht selten oder nie sich wirklich ausnahmen.
Die höchst prunkhaften und zum Theil colossalen Statuen, welche in Antiochien, Alexandrien, Pergamus u. a. damaligen Residenzen er- richtet wurden, sind freilich alle verloren und unser obiges Urtheil ist auf eine Anzahl von Köpfen im Museum von Neapel beschränkt,
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[514/0536]
Antike Sculptur. Diadochenköpfe.
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della biga) gleicht, einen jener Köpfe, welche Sappho zu heissen
pflegen, u. A. m.
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Von den bessern Büsten dieser Art, d. h. von denjenigen, welche
nicht späte Duzendnachbildungen sind, gilt durchgängig, was schon bei
Anlass der ganzen Statuen gesagt wurde: sie stellen den Menschen so
umgegossen dar, wie er nach seinem tiefsten Wesen hätte sein müs-
sen, und verdienen desshalb den Namen — nicht von „idealisirten“,
sondern von Idealbildnissen im besten Sinne. Es wird nicht etwas
conventionell für schön Geltendes von aussen in den Kopf hineinge-
bracht, sondern das persönliche Ideal, was innen in Jedem verborgen
lag, wird entwickelt.
Vielleicht hatte die griechische Kunst schon einen bedeutend
schwerern Stand, als sie seit Alexander die Fürsten der neuen grie-
chischen Reiche, seine Nachfolger (Diadochen) verherrlichen musste.
Hier galt es nun allerdings lebende Zeitgenossen, und zwar zum Theil
Menschen von abscheulichem oder verächtlichem Charakter; und diese
wollten überdies in einer ganz besondern Weise idealisirt sein, indem
sie sich oft als bestimmte Götter abbilden liessen. Die griechische
Sculptur that nun das mehr als Mögliche. Ohne von den bezeichnen-
den Zügen des Betreffenden wesentlich abzugehen, gab sie dieselben
mit einer eigenthümlichen Grösse und Offenheit wieder, wie sie etwa
in einzelnen guten Stunden konnten ausgesehen haben. Das Ver-
schmitzte, Kleinlich-Bösartige, das wir z. B. bei den spätern Ptole-
mäern vermuthen, wird hier gar nicht dargestellt, weil der Ausdruck
eines göttlich waltenden Herrschers das wesentliche Ziel war. Viel-
leicht die nächste Analogie in der ganzen Kunstgeschichte gewähren
eine Anzahl von Bildnissen Tizians, in welchen die Menschen des
XVI. Jahrhunderts auch so gross und so frei von allem Momentanen
und kleinlich Charakteristischen vor uns erscheinen, wie sie vielleicht
selten oder nie sich wirklich ausnahmen.
Die höchst prunkhaften und zum Theil colossalen Statuen, welche
in Antiochien, Alexandrien, Pergamus u. a. damaligen Residenzen er-
richtet wurden, sind freilich alle verloren und unser obiges Urtheil
ist auf eine Anzahl von Köpfen im Museum von Neapel beschränkt,
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/536>, abgerufen am 18.12.2024.
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