Menschen ab. Nun sind leider auch hier bei weitem die meisten Be- nennungen (selbst manche der in griechischen Buchstaben eingegra- benen) streitig oder höchstens nur wahrscheinlich; man errieth z. B. bestimmte Philosophen aus dem physiognomischen Einklang ihrer Lehre mit bestimmten Köpfen, eine Methode, welche doch immer sehr fragliche Resultate abwerfen wird. Aus Gemmen und aus Münzen der Heimathstädte berühmter Griechen mit deren flüchtigem Profilkopf wurden die Namen für eine Anzahl von Büsten ermittelt. Der capi- tolinische Äschylus soll seinen Namen bloss dem kahlen Haupt ver-a danken, welches allerdings für den grossen Tragiker schon seiner Todesart wegen ein wahres Abzeichen sein musste. Wir wollen einige der sicher benannten und zugleich berühmtern bezeichnen.
Einige der sieben Weisen Griechenlands, ideale Cha-b rakterhermen, im Musensaal des Vaticans, flüchtige Nachahmungen (wie man annimmt) nach Lysippos. Ebendaselbst: Perikles und Aspa- sia. Anderswo auch Miltiades und Themistokles. Sokrates in reicher Abstufung, vom feinsten Ausdruck bis zur rohen Brunnenmaske, in allen Sammlungen. Von den Tragikern ist in Büsten nur Euripides (in vielen Exemplaren) ganz sicher, von den übrigen Dichtern vielleicht nicht einmal der capitolinische Pindar; der sehr schöne Bronzekopfc sammt Schultern, welcher im Museum von Neapel (grosse Bronzen)d Sappho heisst, kann auf diesen Namen so viel oder wenig Anspruch machen, als die übrigen Büsten, die man so benennt. Von den Ty- pen der Philosophenköpfe werden etwa zwölf unbedingt aner- kannt, von den namhaftern Rednern Isokrates, Lysias und Demo- sthenes, sammt der zweifelhaften Statue des Äschines. (Hübsche und sichere Köpfchen von Epikur, Zeno, Demosthenes u. A. bei den klei-e nen Bronzen des Museums von Neapel; dagegen die Büsten des He- raklit und Demokrit bei den grossen Bronzen bezweifelt werden; derf schöne sog. Archytas ebenda ist vollends willkürlich so benannt.) Zu- verlässig und bedeutend: die marmorne Doppelherme der beiden Ge-g schichtschreiber Herodot und Thucydides in demselben Museum (Halle des Tiberius).
In den Uffizien zu Florenz enthält die Halle der Inschriften u. a.h einen schönen Hippokrates, einen geringern Demosthenes, eine namen- lose griechische Herme, einen bezeichneten Solon, einen Aristophanes,
B. Cicerone. 33
Köpfe berühmter Griechen.
Menschen ab. Nun sind leider auch hier bei weitem die meisten Be- nennungen (selbst manche der in griechischen Buchstaben eingegra- benen) streitig oder höchstens nur wahrscheinlich; man errieth z. B. bestimmte Philosophen aus dem physiognomischen Einklang ihrer Lehre mit bestimmten Köpfen, eine Methode, welche doch immer sehr fragliche Resultate abwerfen wird. Aus Gemmen und aus Münzen der Heimathstädte berühmter Griechen mit deren flüchtigem Profilkopf wurden die Namen für eine Anzahl von Büsten ermittelt. Der capi- tolinische Äschylus soll seinen Namen bloss dem kahlen Haupt ver-a danken, welches allerdings für den grossen Tragiker schon seiner Todesart wegen ein wahres Abzeichen sein musste. Wir wollen einige der sicher benannten und zugleich berühmtern bezeichnen.
Einige der sieben Weisen Griechenlands, ideale Cha-b rakterhermen, im Musensaal des Vaticans, flüchtige Nachahmungen (wie man annimmt) nach Lysippos. Ebendaselbst: Perikles und Aspa- sia. Anderswo auch Miltiades und Themistokles. Sokrates in reicher Abstufung, vom feinsten Ausdruck bis zur rohen Brunnenmaske, in allen Sammlungen. Von den Tragikern ist in Büsten nur Euripides (in vielen Exemplaren) ganz sicher, von den übrigen Dichtern vielleicht nicht einmal der capitolinische Pindar; der sehr schöne Bronzekopfc sammt Schultern, welcher im Museum von Neapel (grosse Bronzen)d Sappho heisst, kann auf diesen Namen so viel oder wenig Anspruch machen, als die übrigen Büsten, die man so benennt. Von den Ty- pen der Philosophenköpfe werden etwa zwölf unbedingt aner- kannt, von den namhaftern Rednern Isokrates, Lysias und Demo- sthenes, sammt der zweifelhaften Statue des Äschines. (Hübsche und sichere Köpfchen von Epikur, Zeno, Demosthenes u. A. bei den klei-e nen Bronzen des Museums von Neapel; dagegen die Büsten des He- raklit und Demokrit bei den grossen Bronzen bezweifelt werden; derf schöne sog. Archytas ebenda ist vollends willkürlich so benannt.) Zu- verlässig und bedeutend: die marmorne Doppelherme der beiden Ge-g schichtschreiber Herodot und Thucydides in demselben Museum (Halle des Tiberius).
In den Uffizien zu Florenz enthält die Halle der Inschriften u. a.h einen schönen Hippokrates, einen geringern Demosthenes, eine namen- lose griechische Herme, einen bezeichneten Solon, einen Aristophanes,
B. Cicerone. 33
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0535"n="513"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Köpfe berühmter Griechen.</hi></fw><lb/>
Menschen ab. Nun sind leider auch hier bei weitem die meisten Be-<lb/>
nennungen (selbst manche der in griechischen Buchstaben eingegra-<lb/>
benen) streitig oder höchstens nur wahrscheinlich; man errieth z. B.<lb/>
bestimmte Philosophen aus dem physiognomischen Einklang ihrer<lb/>
Lehre mit bestimmten Köpfen, eine Methode, welche doch immer sehr<lb/>
fragliche Resultate abwerfen wird. Aus Gemmen und aus Münzen<lb/>
der Heimathstädte berühmter Griechen mit deren flüchtigem Profilkopf<lb/>
wurden die Namen für eine Anzahl von Büsten ermittelt. Der capi-<lb/>
tolinische Äschylus soll seinen Namen bloss dem kahlen Haupt ver-<noteplace="right">a</note><lb/>
danken, welches allerdings für den grossen Tragiker schon seiner<lb/>
Todesart wegen ein wahres Abzeichen sein musste. Wir wollen einige<lb/>
der sicher benannten und zugleich berühmtern bezeichnen.</p><lb/><p>Einige der <hirendition="#g">sieben Weisen Griechenlands</hi>, ideale Cha-<noteplace="right">b</note><lb/>
rakterhermen, im Musensaal des Vaticans, flüchtige Nachahmungen<lb/>
(wie man annimmt) nach Lysippos. Ebendaselbst: Perikles und Aspa-<lb/>
sia. Anderswo auch Miltiades und Themistokles. Sokrates in reicher<lb/>
Abstufung, vom feinsten Ausdruck bis zur rohen Brunnenmaske, in<lb/>
allen Sammlungen. Von den <hirendition="#g">Tragikern</hi> ist in Büsten nur Euripides<lb/>
(in vielen Exemplaren) ganz sicher, von den übrigen Dichtern vielleicht<lb/>
nicht einmal der capitolinische Pindar; der sehr schöne Bronzekopf<noteplace="right">c</note><lb/>
sammt Schultern, welcher im Museum von Neapel (grosse Bronzen)<noteplace="right">d</note><lb/>
Sappho heisst, kann auf diesen Namen so viel oder wenig Anspruch<lb/>
machen, als die übrigen Büsten, die man so benennt. Von den Ty-<lb/>
pen der <hirendition="#g">Philosophenköpfe</hi> werden etwa zwölf unbedingt aner-<lb/>
kannt, von den namhaftern <hirendition="#g">Rednern</hi> Isokrates, Lysias und Demo-<lb/>
sthenes, sammt der zweifelhaften Statue des Äschines. (Hübsche und<lb/>
sichere Köpfchen von Epikur, Zeno, Demosthenes u. A. bei den klei-<noteplace="right">e</note><lb/>
nen Bronzen des Museums von Neapel; dagegen die Büsten des He-<lb/>
raklit und Demokrit bei den grossen Bronzen bezweifelt werden; der<noteplace="right">f</note><lb/>
schöne sog. Archytas ebenda ist vollends willkürlich so benannt.) Zu-<lb/>
verlässig und bedeutend: die marmorne Doppelherme der beiden Ge-<noteplace="right">g</note><lb/>
schichtschreiber <hirendition="#g">Herodot</hi> und <hirendition="#g">Thucydides</hi> in demselben Museum<lb/>
(Halle des Tiberius).</p><lb/><p>In den Uffizien zu Florenz enthält die Halle der Inschriften u. a.<noteplace="right">h</note><lb/>
einen schönen Hippokrates, einen geringern Demosthenes, eine namen-<lb/>
lose griechische Herme, einen bezeichneten Solon, einen Aristophanes,<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#i">B. Cicerone.</hi> 33</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[513/0535]
Köpfe berühmter Griechen.
Menschen ab. Nun sind leider auch hier bei weitem die meisten Be-
nennungen (selbst manche der in griechischen Buchstaben eingegra-
benen) streitig oder höchstens nur wahrscheinlich; man errieth z. B.
bestimmte Philosophen aus dem physiognomischen Einklang ihrer
Lehre mit bestimmten Köpfen, eine Methode, welche doch immer sehr
fragliche Resultate abwerfen wird. Aus Gemmen und aus Münzen
der Heimathstädte berühmter Griechen mit deren flüchtigem Profilkopf
wurden die Namen für eine Anzahl von Büsten ermittelt. Der capi-
tolinische Äschylus soll seinen Namen bloss dem kahlen Haupt ver-
danken, welches allerdings für den grossen Tragiker schon seiner
Todesart wegen ein wahres Abzeichen sein musste. Wir wollen einige
der sicher benannten und zugleich berühmtern bezeichnen.
a
Einige der sieben Weisen Griechenlands, ideale Cha-
rakterhermen, im Musensaal des Vaticans, flüchtige Nachahmungen
(wie man annimmt) nach Lysippos. Ebendaselbst: Perikles und Aspa-
sia. Anderswo auch Miltiades und Themistokles. Sokrates in reicher
Abstufung, vom feinsten Ausdruck bis zur rohen Brunnenmaske, in
allen Sammlungen. Von den Tragikern ist in Büsten nur Euripides
(in vielen Exemplaren) ganz sicher, von den übrigen Dichtern vielleicht
nicht einmal der capitolinische Pindar; der sehr schöne Bronzekopf
sammt Schultern, welcher im Museum von Neapel (grosse Bronzen)
Sappho heisst, kann auf diesen Namen so viel oder wenig Anspruch
machen, als die übrigen Büsten, die man so benennt. Von den Ty-
pen der Philosophenköpfe werden etwa zwölf unbedingt aner-
kannt, von den namhaftern Rednern Isokrates, Lysias und Demo-
sthenes, sammt der zweifelhaften Statue des Äschines. (Hübsche und
sichere Köpfchen von Epikur, Zeno, Demosthenes u. A. bei den klei-
nen Bronzen des Museums von Neapel; dagegen die Büsten des He-
raklit und Demokrit bei den grossen Bronzen bezweifelt werden; der
schöne sog. Archytas ebenda ist vollends willkürlich so benannt.) Zu-
verlässig und bedeutend: die marmorne Doppelherme der beiden Ge-
schichtschreiber Herodot und Thucydides in demselben Museum
(Halle des Tiberius).
b
c
d
e
f
g
In den Uffizien zu Florenz enthält die Halle der Inschriften u. a.
einen schönen Hippokrates, einen geringern Demosthenes, eine namen-
lose griechische Herme, einen bezeichneten Solon, einen Aristophanes,
h
B. Cicerone. 33
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/535>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.