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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Statuen und Köpfe berühmter Griechen.

Im Vorsaal der Villa Ludovisi zu Rom: eine unbekannte, vor-a
trefflich drapirte Statue (mit römischem Kopf?), bezeichnet als das
Werk des Zenon, Sohnes des Attinos, von Aphrodisias.

Unter mehrern Statuetten dieser Art (Einiges im obern Gang desb
Vaticans, u. a. a. O.) müssen zwei im Museum von Neapel (Halle der
Musen), die eine mit der Inschrift: Moschion, besonders hervor-c
gehoben werden; köstliche, lebensvolle Figuren, Geberden und Ge-
wandungen; nicht in feierlichem Reden, sondern etwa in ruhigem
Dociren gedacht, bequem rückwärts gelehnt, in beiden Händen Schrift-
rollen. Endlich der zweifelhafte Anakreon im Musenzimmer der Villad
Borghese, und "Aristides der Smyrnäer" im Museo cristiano des Va-e
ticans, beide in ihrer Art bedeutend.

In den Uffizien zu Florenz könnte der "Jupiter" (im zweitenf
Gange) vor der Restauration ein griechischer Philosoph gewesen sein,
allerdings nur in römischer Ausführung. (Stehend, mit nackter Brust,
die in den Mantel gehüllte Linke auf die Hüfte stützend.)


Viel zahlreicher als die ganzen Statuen sind natürlich die er-
haltenen Köpfe berühmter Griechen, dergleichen noch in römischer
Zeit ganze Reihen müssen nachgearbeitet worden sein. Die echte
griechische Form für Bildnisse, welchen man keine ganze Statue
widmen wollte, war die Herme, d. h. ein beinah oder völlig manns-
hoher Pfeiler (und zwar ein senkrecht geschnittener), dessen oberes
Ende der Kopf sammt einem sehr genau bemessenen Theil der Brust
und des Schulteransatzes bildete. Allein unter den "berühmten Grie-
chen" stehen in den Galerien blosse Köpfe mit Hals, Köpfe mit rö-
mischer oder moderner Gewandbüste, eigentliche Hermen, Fragmente
von Statuen u. s. w. beisammen, ein Gemisch das wir um so
weniger auseinander scheiden können, da nur das Bedeutendste hier
mit Namen erwähnt werden darf.

An der Spitze der griechischen Porträtbildungen steht billig der
Typus Homers. Von einem wirklich überlieferten Bildniss kann
natürlich keine Rede sein; die Kunst hat diesen Kopf allein geschaf-
fen. (Schönstes Exemplar im Museum von Neapel, Halle des Ti-g
berius; ein gutes nebst geringern im Philosophenzimmer des Museoh

Statuen und Köpfe berühmter Griechen.

Im Vorsaal der Villa Ludovisi zu Rom: eine unbekannte, vor-a
trefflich drapirte Statue (mit römischem Kopf?), bezeichnet als das
Werk des Zenon, Sohnes des Attinos, von Aphrodisias.

Unter mehrern Statuetten dieser Art (Einiges im obern Gang desb
Vaticans, u. a. a. O.) müssen zwei im Museum von Neapel (Halle der
Musen), die eine mit der Inschrift: Moschion, besonders hervor-c
gehoben werden; köstliche, lebensvolle Figuren, Geberden und Ge-
wandungen; nicht in feierlichem Reden, sondern etwa in ruhigem
Dociren gedacht, bequem rückwärts gelehnt, in beiden Händen Schrift-
rollen. Endlich der zweifelhafte Anakreon im Musenzimmer der Villad
Borghese, und „Aristides der Smyrnäer“ im Museo cristiano des Va-e
ticans, beide in ihrer Art bedeutend.

In den Uffizien zu Florenz könnte der „Jupiter“ (im zweitenf
Gange) vor der Restauration ein griechischer Philosoph gewesen sein,
allerdings nur in römischer Ausführung. (Stehend, mit nackter Brust,
die in den Mantel gehüllte Linke auf die Hüfte stützend.)


Viel zahlreicher als die ganzen Statuen sind natürlich die er-
haltenen Köpfe berühmter Griechen, dergleichen noch in römischer
Zeit ganze Reihen müssen nachgearbeitet worden sein. Die echte
griechische Form für Bildnisse, welchen man keine ganze Statue
widmen wollte, war die Herme, d. h. ein beinah oder völlig manns-
hoher Pfeiler (und zwar ein senkrecht geschnittener), dessen oberes
Ende der Kopf sammt einem sehr genau bemessenen Theil der Brust
und des Schulteransatzes bildete. Allein unter den „berühmten Grie-
chen“ stehen in den Galerien blosse Köpfe mit Hals, Köpfe mit rö-
mischer oder moderner Gewandbüste, eigentliche Hermen, Fragmente
von Statuen u. s. w. beisammen, ein Gemisch das wir um so
weniger auseinander scheiden können, da nur das Bedeutendste hier
mit Namen erwähnt werden darf.

An der Spitze der griechischen Porträtbildungen steht billig der
Typus Homers. Von einem wirklich überlieferten Bildniss kann
natürlich keine Rede sein; die Kunst hat diesen Kopf allein geschaf-
fen. (Schönstes Exemplar im Museum von Neapel, Halle des Ti-g
berius; ein gutes nebst geringern im Philosophenzimmer des Museoh

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[511/0533] Statuen und Köpfe berühmter Griechen. Im Vorsaal der Villa Ludovisi zu Rom: eine unbekannte, vor- trefflich drapirte Statue (mit römischem Kopf?), bezeichnet als das Werk des Zenon, Sohnes des Attinos, von Aphrodisias. a Unter mehrern Statuetten dieser Art (Einiges im obern Gang des Vaticans, u. a. a. O.) müssen zwei im Museum von Neapel (Halle der Musen), die eine mit der Inschrift: Moschion, besonders hervor- gehoben werden; köstliche, lebensvolle Figuren, Geberden und Ge- wandungen; nicht in feierlichem Reden, sondern etwa in ruhigem Dociren gedacht, bequem rückwärts gelehnt, in beiden Händen Schrift- rollen. Endlich der zweifelhafte Anakreon im Musenzimmer der Villa Borghese, und „Aristides der Smyrnäer“ im Museo cristiano des Va- ticans, beide in ihrer Art bedeutend. b c d e In den Uffizien zu Florenz könnte der „Jupiter“ (im zweiten Gange) vor der Restauration ein griechischer Philosoph gewesen sein, allerdings nur in römischer Ausführung. (Stehend, mit nackter Brust, die in den Mantel gehüllte Linke auf die Hüfte stützend.) f Viel zahlreicher als die ganzen Statuen sind natürlich die er- haltenen Köpfe berühmter Griechen, dergleichen noch in römischer Zeit ganze Reihen müssen nachgearbeitet worden sein. Die echte griechische Form für Bildnisse, welchen man keine ganze Statue widmen wollte, war die Herme, d. h. ein beinah oder völlig manns- hoher Pfeiler (und zwar ein senkrecht geschnittener), dessen oberes Ende der Kopf sammt einem sehr genau bemessenen Theil der Brust und des Schulteransatzes bildete. Allein unter den „berühmten Grie- chen“ stehen in den Galerien blosse Köpfe mit Hals, Köpfe mit rö- mischer oder moderner Gewandbüste, eigentliche Hermen, Fragmente von Statuen u. s. w. beisammen, ein Gemisch das wir um so weniger auseinander scheiden können, da nur das Bedeutendste hier mit Namen erwähnt werden darf. An der Spitze der griechischen Porträtbildungen steht billig der Typus Homers. Von einem wirklich überlieferten Bildniss kann natürlich keine Rede sein; die Kunst hat diesen Kopf allein geschaf- fen. (Schönstes Exemplar im Museum von Neapel, Halle des Ti- berius; ein gutes nebst geringern im Philosophenzimmer des Museo g h

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/533>, abgerufen am 02.06.2024.