die von der aufgestützten linken Schulter nach dem rechten Schenkel ageht, sehr energisch ausgesprochen. -- Womit ein guter, aber stark überarbeiteter Satyr im Vatican (Galeria delle Statue) zu verglei- chen ist.
Arme, alte, verstossene Satyrn mit mürrischem Ausdruck müssen inzwischen Schläuche halten und schleppen. (Meist Brunnenfiguren.) bEin solcher im runden Saal der Villa Albani. Als Träger eines cWasserbeckens ihrer drei dieser Art, im obern Gang des Vaticans. dAuch ein jugendlicher, brutal-fröhlicher Schlauchträger kommt vor.
Endlich überwältigt der Schlaf den trunkenen Satyr. Ein Werk, das dem berühmten "barberinischen Faun" in der Münchner Glypto- thek gleich käme, besitzt Italien in dieser Gattung nicht. Der bronzene des Museums von Neapel (grosse Bronzen) ist bei seinen starken Restaurationen und der etwas conventionellen Behandlung des Ur- sprünglichen nur durch das Motiv interessant. Er schläft sitzend auf einem Felsstück, den rechten Arm über das Haupt gelegt, den linken hängen lassend, als wäre ihm eben das Trinkgefäss entglitten.
Ein bestimmter Satyr, Marsyas, hat durch sein bekanntes Schick- sal der antiken Kunst Anlass gegeben zu einem der wenigen Motive körperlicher Qual, welche sie behandelt hat. Vielleicht wäre auch dieses unterblieben, wenn nicht gerade der Satyrsleib mit seiner elasti- schen Musculatur in der Stellung eines an den Armen Aufgehängten eine besonders interessante Aufgabe dargeboten hätte. Es gab eine namhafte Gruppe im Alterthum, welche Apoll, einen oder zwei Skla- ven und den unglücklichen Satyr dargestellt haben muss; davon sind edie jetzt vorhandenen Marsyasfiguren, u. a. eine in der Villa Albani f(im Kaffehaus), zwei in den Uffizien zu Florenz (Anfang des zweiten Ganges) Einzelwiederholungen, die freilich mit ihrer geringen Aus- führung keinen Begriff geben von dem grossen Raffinement, welches wir im Urbilde voraussetzen dürfen. -- Den bereits Geschundenen darzustellen war erst die Sache der neuern Kunst, die in ihrem S. Bartholomäus durch das höchstmögliche Leiden Eindruck machen gwollte. (Statue des Marco Agrato im Chorumgang des Domes von Mailand.) Bei Michelangelo (im jüngsten Gericht der Sistina) zeigt der Heilige seine abgezogene Haut zwar auch vor, allein er hat zu- gleich eine andere am Leibe.
Antike Sculptur. Satyrn. Marsyas.
die von der aufgestützten linken Schulter nach dem rechten Schenkel ageht, sehr energisch ausgesprochen. — Womit ein guter, aber stark überarbeiteter Satyr im Vatican (Galeria delle Statue) zu verglei- chen ist.
Arme, alte, verstossene Satyrn mit mürrischem Ausdruck müssen inzwischen Schläuche halten und schleppen. (Meist Brunnenfiguren.) bEin solcher im runden Saal der Villa Albani. Als Träger eines cWasserbeckens ihrer drei dieser Art, im obern Gang des Vaticans. dAuch ein jugendlicher, brutal-fröhlicher Schlauchträger kommt vor.
Endlich überwältigt der Schlaf den trunkenen Satyr. Ein Werk, das dem berühmten „barberinischen Faun“ in der Münchner Glypto- thek gleich käme, besitzt Italien in dieser Gattung nicht. Der bronzene des Museums von Neapel (grosse Bronzen) ist bei seinen starken Restaurationen und der etwas conventionellen Behandlung des Ur- sprünglichen nur durch das Motiv interessant. Er schläft sitzend auf einem Felsstück, den rechten Arm über das Haupt gelegt, den linken hängen lassend, als wäre ihm eben das Trinkgefäss entglitten.
Ein bestimmter Satyr, Marsyas, hat durch sein bekanntes Schick- sal der antiken Kunst Anlass gegeben zu einem der wenigen Motive körperlicher Qual, welche sie behandelt hat. Vielleicht wäre auch dieses unterblieben, wenn nicht gerade der Satyrsleib mit seiner elasti- schen Musculatur in der Stellung eines an den Armen Aufgehängten eine besonders interessante Aufgabe dargeboten hätte. Es gab eine namhafte Gruppe im Alterthum, welche Apoll, einen oder zwei Skla- ven und den unglücklichen Satyr dargestellt haben muss; davon sind edie jetzt vorhandenen Marsyasfiguren, u. a. eine in der Villa Albani f(im Kaffehaus), zwei in den Uffizien zu Florenz (Anfang des zweiten Ganges) Einzelwiederholungen, die freilich mit ihrer geringen Aus- führung keinen Begriff geben von dem grossen Raffinement, welches wir im Urbilde voraussetzen dürfen. — Den bereits Geschundenen darzustellen war erst die Sache der neuern Kunst, die in ihrem S. Bartholomäus durch das höchstmögliche Leiden Eindruck machen gwollte. (Statue des Marco Agrato im Chorumgang des Domes von Mailand.) Bei Michelangelo (im jüngsten Gericht der Sistina) zeigt der Heilige seine abgezogene Haut zwar auch vor, allein er hat zu- gleich eine andere am Leibe.
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Antike Sculptur. Satyrn. Marsyas.
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geht, sehr energisch ausgesprochen. — Womit ein guter, aber stark
überarbeiteter Satyr im Vatican (Galeria delle Statue) zu verglei-
chen ist.
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Arme, alte, verstossene Satyrn mit mürrischem Ausdruck müssen
inzwischen Schläuche halten und schleppen. (Meist Brunnenfiguren.)
Ein solcher im runden Saal der Villa Albani. Als Träger eines
Wasserbeckens ihrer drei dieser Art, im obern Gang des Vaticans.
Auch ein jugendlicher, brutal-fröhlicher Schlauchträger kommt vor.
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d
Endlich überwältigt der Schlaf den trunkenen Satyr. Ein Werk,
das dem berühmten „barberinischen Faun“ in der Münchner Glypto-
thek gleich käme, besitzt Italien in dieser Gattung nicht. Der bronzene
des Museums von Neapel (grosse Bronzen) ist bei seinen starken
Restaurationen und der etwas conventionellen Behandlung des Ur-
sprünglichen nur durch das Motiv interessant. Er schläft sitzend auf
einem Felsstück, den rechten Arm über das Haupt gelegt, den linken
hängen lassend, als wäre ihm eben das Trinkgefäss entglitten.
Ein bestimmter Satyr, Marsyas, hat durch sein bekanntes Schick-
sal der antiken Kunst Anlass gegeben zu einem der wenigen Motive
körperlicher Qual, welche sie behandelt hat. Vielleicht wäre auch
dieses unterblieben, wenn nicht gerade der Satyrsleib mit seiner elasti-
schen Musculatur in der Stellung eines an den Armen Aufgehängten
eine besonders interessante Aufgabe dargeboten hätte. Es gab eine
namhafte Gruppe im Alterthum, welche Apoll, einen oder zwei Skla-
ven und den unglücklichen Satyr dargestellt haben muss; davon sind
die jetzt vorhandenen Marsyasfiguren, u. a. eine in der Villa Albani
(im Kaffehaus), zwei in den Uffizien zu Florenz (Anfang des zweiten
Ganges) Einzelwiederholungen, die freilich mit ihrer geringen Aus-
führung keinen Begriff geben von dem grossen Raffinement, welches
wir im Urbilde voraussetzen dürfen. — Den bereits Geschundenen
darzustellen war erst die Sache der neuern Kunst, die in ihrem S.
Bartholomäus durch das höchstmögliche Leiden Eindruck machen
wollte. (Statue des Marco Agrato im Chorumgang des Domes von
Mailand.) Bei Michelangelo (im jüngsten Gericht der Sistina) zeigt
der Heilige seine abgezogene Haut zwar auch vor, allein er hat zu-
gleich eine andere am Leibe.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/500>, abgerufen am 18.12.2024.
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