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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Antike Sculptur. Satyrn.
die schwellenden Bauchadern u. dgl. in dem grossen Massstab schon
anicht mehr angenehm. (Ein dritter grosser Satyr, im Faunszimmer,
bist mehr als zur Hälfte neu.) -- Zwei fast identische Statuetten, sprin-
gende Satyrn mit Klingplatten, sich stark zurückbeugend, im obern
Gang des Vaticans; vielleicht Nachbildungen eines berühmten Origi-
cnals. Ein eifriger Bläser der Doppelflöte, kleine Bronze in den Uffi-
zien, zweites Zimmer der Bronzen, dritter Schrank.

Bisweilen ist es mehr ein blosses fröhliches Aufspringen als ein
eigentlicher Tanz, was der Bildner geben wollte. So vielleicht in der
dherrlichen Statuette des Museums von Neapel (grosse Bronzen);
aufwärts blickend, mit den Fingern der einen Hand in der Luft schnal-
zend schwebt der nicht mehr junge Gesell mit, ich möchte sagen, hör-
barem Jubelruf dahin.

Sehr wesentlich ist endlich das Verhältniss der Satyrn zum Wein,
dessen Werth, Bereitung und Wirkung an und mit ihnen hauptsäch-
lich dargestellt wird. (Weinbereitende Genien und Eroten sind in
der Regel eine spätere, schwächere Schöpfung.) Die Reliefs geben
den betreffenden Bilderkreis vollständig; wir müssen uns auf die Sta-
tuen beschränken.

Schon an der Traube (hat der Satyr seine lüsterne Wonne; er
hält sie empor und besieht sie mit einem Gemisch von Lachen und
Begier, das die Kunst gerne raffinirt behandelte. Ein Meisterwerk
eder sog. Fauno di rosso antico, in dem Faunszimmer des Museo
capitolino, spät und zur Hälfte neu, aber in den erhaltenen Theilen
classisch für die Behandlung des Satyrleibes. Eine Wiederholung in
fMarmor, im grossen Saal desselben Museums; ein gutes Exemplar
gwiederum in rosso antico, im Gabinetto delle Maschere des Vaticans.
Andere a. a. O.

Wenn in diesem Typus die Frechheit des ausgewachsenen Satyrs
kenntlich vorherrscht, so verknüpfen andere Statuen dieselbe Handlung
mit einer jugendlichern und edlern Körperbildung und einem harm-
losern Ausdruck; es sind schlanke, ausschreitende Gestalten in der
Art des Satyrs mit dem Bacchuskind; leider fast sämmtlich stark re-
staurirt, doch so beschaffen, dass man ein ausgezeichnetes Urbild ver-
muthen darf, in welchem ein eigenthümliches Problem elastisch-
jugendlicher Form und Bewegung schön muss gelöst gewesen sein.

Antike Sculptur. Satyrn.
die schwellenden Bauchadern u. dgl. in dem grossen Massstab schon
anicht mehr angenehm. (Ein dritter grosser Satyr, im Faunszimmer,
bist mehr als zur Hälfte neu.) — Zwei fast identische Statuetten, sprin-
gende Satyrn mit Klingplatten, sich stark zurückbeugend, im obern
Gang des Vaticans; vielleicht Nachbildungen eines berühmten Origi-
cnals. Ein eifriger Bläser der Doppelflöte, kleine Bronze in den Uffi-
zien, zweites Zimmer der Bronzen, dritter Schrank.

Bisweilen ist es mehr ein blosses fröhliches Aufspringen als ein
eigentlicher Tanz, was der Bildner geben wollte. So vielleicht in der
dherrlichen Statuette des Museums von Neapel (grosse Bronzen);
aufwärts blickend, mit den Fingern der einen Hand in der Luft schnal-
zend schwebt der nicht mehr junge Gesell mit, ich möchte sagen, hör-
barem Jubelruf dahin.

Sehr wesentlich ist endlich das Verhältniss der Satyrn zum Wein,
dessen Werth, Bereitung und Wirkung an und mit ihnen hauptsäch-
lich dargestellt wird. (Weinbereitende Genien und Eroten sind in
der Regel eine spätere, schwächere Schöpfung.) Die Reliefs geben
den betreffenden Bilderkreis vollständig; wir müssen uns auf die Sta-
tuen beschränken.

Schon an der Traube (hat der Satyr seine lüsterne Wonne; er
hält sie empor und besieht sie mit einem Gemisch von Lachen und
Begier, das die Kunst gerne raffinirt behandelte. Ein Meisterwerk
eder sog. Fauno di rosso antico, in dem Faunszimmer des Museo
capitolino, spät und zur Hälfte neu, aber in den erhaltenen Theilen
classisch für die Behandlung des Satyrleibes. Eine Wiederholung in
fMarmor, im grossen Saal desselben Museums; ein gutes Exemplar
gwiederum in rosso antico, im Gabinetto delle Maschere des Vaticans.
Andere a. a. O.

Wenn in diesem Typus die Frechheit des ausgewachsenen Satyrs
kenntlich vorherrscht, so verknüpfen andere Statuen dieselbe Handlung
mit einer jugendlichern und edlern Körperbildung und einem harm-
losern Ausdruck; es sind schlanke, ausschreitende Gestalten in der
Art des Satyrs mit dem Bacchuskind; leider fast sämmtlich stark re-
staurirt, doch so beschaffen, dass man ein ausgezeichnetes Urbild ver-
muthen darf, in welchem ein eigenthümliches Problem elastisch-
jugendlicher Form und Bewegung schön muss gelöst gewesen sein.

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[476/0498] Antike Sculptur. Satyrn. die schwellenden Bauchadern u. dgl. in dem grossen Massstab schon nicht mehr angenehm. (Ein dritter grosser Satyr, im Faunszimmer, ist mehr als zur Hälfte neu.) — Zwei fast identische Statuetten, sprin- gende Satyrn mit Klingplatten, sich stark zurückbeugend, im obern Gang des Vaticans; vielleicht Nachbildungen eines berühmten Origi- nals. Ein eifriger Bläser der Doppelflöte, kleine Bronze in den Uffi- zien, zweites Zimmer der Bronzen, dritter Schrank. a b c Bisweilen ist es mehr ein blosses fröhliches Aufspringen als ein eigentlicher Tanz, was der Bildner geben wollte. So vielleicht in der herrlichen Statuette des Museums von Neapel (grosse Bronzen); aufwärts blickend, mit den Fingern der einen Hand in der Luft schnal- zend schwebt der nicht mehr junge Gesell mit, ich möchte sagen, hör- barem Jubelruf dahin. d Sehr wesentlich ist endlich das Verhältniss der Satyrn zum Wein, dessen Werth, Bereitung und Wirkung an und mit ihnen hauptsäch- lich dargestellt wird. (Weinbereitende Genien und Eroten sind in der Regel eine spätere, schwächere Schöpfung.) Die Reliefs geben den betreffenden Bilderkreis vollständig; wir müssen uns auf die Sta- tuen beschränken. Schon an der Traube (hat der Satyr seine lüsterne Wonne; er hält sie empor und besieht sie mit einem Gemisch von Lachen und Begier, das die Kunst gerne raffinirt behandelte. Ein Meisterwerk der sog. Fauno di rosso antico, in dem Faunszimmer des Museo capitolino, spät und zur Hälfte neu, aber in den erhaltenen Theilen classisch für die Behandlung des Satyrleibes. Eine Wiederholung in Marmor, im grossen Saal desselben Museums; ein gutes Exemplar wiederum in rosso antico, im Gabinetto delle Maschere des Vaticans. Andere a. a. O. e f g Wenn in diesem Typus die Frechheit des ausgewachsenen Satyrs kenntlich vorherrscht, so verknüpfen andere Statuen dieselbe Handlung mit einer jugendlichern und edlern Körperbildung und einem harm- losern Ausdruck; es sind schlanke, ausschreitende Gestalten in der Art des Satyrs mit dem Bacchuskind; leider fast sämmtlich stark re- staurirt, doch so beschaffen, dass man ein ausgezeichnetes Urbild ver- muthen darf, in welchem ein eigenthümliches Problem elastisch- jugendlicher Form und Bewegung schön muss gelöst gewesen sein.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/498>, abgerufen am 16.07.2024.