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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Antike Sculptur. Aphrodite.
per unter dem (marmornen) Wasser versteckt. Bei sehr bedeutenden
Restaurationen bleibt doch die Art, wie die Glieder sich decken und
ihre Linien sich schneiden, unerreichbar schön. Der Körper ist, bei
einer scheinbar leichten Behandlung, voll des edelsten Lebens. (Die
aEpidermis leider stark verletzt, der Kopf überarbeitet?) -- Ein viel
geringeres, stark restaurirtes Exemplar in den Uffizien zu Florenz.
(Verbindungsgang.)

b

Es folgt Aphrodite Kallipygos, im Museum von Neapel 1). Der
Kopf und mehrere andere Theile sind modern und schlecht, das Übrige
aber von merkwürdiger Vollendung und raffinirtem Reize. Die Ab-
sichtlichkeit der ganzen Darstellung rückt dieses Bild in das Gebiet
des Buhlerischen, wenn man es auch nicht obscön nennen kann.

Ähnlich verhält es sich mit zwei charmanten ehernen Figürchen
cderselben Sammlung (kleine Bronzen, drittes Zimmer, auch in Florenz,
dUffizien, zweites Zimmer der Bronzen, zweiter Schrank): einer die
Sandalen ausziehenden und einer im Abtrocknen begriffenen Venus.
Das Stehen auf einem Beine, hier mit der anmuthigsten Wendung des
Körpers verbunden, hat mehr genrehaft Wahres als Ideales und ver-
mag uns die Göttin nicht als solche näher zu bringen.

e

Reiner empfunden ist eine andere Statuette (bei den grossen
Bronzen), welche Aphrodite, von den Hüften an bekleidet, mit ihrem
Haarputz, etwa mit dem Trocknen der Haare nach dem Bade be-
schäftigt darstellt. Ein höchst zierliches Figürchen, von bester Arbeit.
fÄhnlich eine Marmorfigur (freilich mit restaurirten Armen und Locken)
im Braccio nuovo des Vaticans; aus guter römischer Zeit. Bei andern
sehr zierlichen kleinen Bronzen, welche die Göttin in ähnlicher Hand-
lung, aber ganz nackt darstellen, bleibt es zweifelhaft, ob sie nicht
gerst die Haare auflöst. (Uffizien, zweites Zimmer der Bronzen, zweiter
Schrank.) -- Eine zum Bade sich vorbereitende Aphrodite des jugend-
hlichen Typus ist wohl auch dargestellt in der florentinischen sog. Venus
Urania (Uffizien, Halle der Inschriften). Abgesehen von den Restau-
rationen möchte ihre Geberde am ehesten darin bestanden haben, dass
sie das um die Hüften leicht geschürzte Gewand mit der Linken und

1) Gegenwärtig eingeschlossen und, wie man hört, selbst den Begünstigten un-
sichtbar. Abgüsse überall, u. a. im Palazzo Camuccini zu Rom, auf der
Treppe.

Antike Sculptur. Aphrodite.
per unter dem (marmornen) Wasser versteckt. Bei sehr bedeutenden
Restaurationen bleibt doch die Art, wie die Glieder sich decken und
ihre Linien sich schneiden, unerreichbar schön. Der Körper ist, bei
einer scheinbar leichten Behandlung, voll des edelsten Lebens. (Die
aEpidermis leider stark verletzt, der Kopf überarbeitet?) — Ein viel
geringeres, stark restaurirtes Exemplar in den Uffizien zu Florenz.
(Verbindungsgang.)

b

Es folgt Aphrodite Kallipygos, im Museum von Neapel 1). Der
Kopf und mehrere andere Theile sind modern und schlecht, das Übrige
aber von merkwürdiger Vollendung und raffinirtem Reize. Die Ab-
sichtlichkeit der ganzen Darstellung rückt dieses Bild in das Gebiet
des Buhlerischen, wenn man es auch nicht obscön nennen kann.

Ähnlich verhält es sich mit zwei charmanten ehernen Figürchen
cderselben Sammlung (kleine Bronzen, drittes Zimmer, auch in Florenz,
dUffizien, zweites Zimmer der Bronzen, zweiter Schrank): einer die
Sandalen ausziehenden und einer im Abtrocknen begriffenen Venus.
Das Stehen auf einem Beine, hier mit der anmuthigsten Wendung des
Körpers verbunden, hat mehr genrehaft Wahres als Ideales und ver-
mag uns die Göttin nicht als solche näher zu bringen.

e

Reiner empfunden ist eine andere Statuette (bei den grossen
Bronzen), welche Aphrodite, von den Hüften an bekleidet, mit ihrem
Haarputz, etwa mit dem Trocknen der Haare nach dem Bade be-
schäftigt darstellt. Ein höchst zierliches Figürchen, von bester Arbeit.
fÄhnlich eine Marmorfigur (freilich mit restaurirten Armen und Locken)
im Braccio nuovo des Vaticans; aus guter römischer Zeit. Bei andern
sehr zierlichen kleinen Bronzen, welche die Göttin in ähnlicher Hand-
lung, aber ganz nackt darstellen, bleibt es zweifelhaft, ob sie nicht
gerst die Haare auflöst. (Uffizien, zweites Zimmer der Bronzen, zweiter
Schrank.) — Eine zum Bade sich vorbereitende Aphrodite des jugend-
hlichen Typus ist wohl auch dargestellt in der florentinischen sog. Venus
Urania (Uffizien, Halle der Inschriften). Abgesehen von den Restau-
rationen möchte ihre Geberde am ehesten darin bestanden haben, dass
sie das um die Hüften leicht geschürzte Gewand mit der Linken und

1) Gegenwärtig eingeschlossen und, wie man hört, selbst den Begünstigten un-
sichtbar. Abgüsse überall, u. a. im Palazzo Camuccini zu Rom, auf der
Treppe.
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[452/0474] Antike Sculptur. Aphrodite. per unter dem (marmornen) Wasser versteckt. Bei sehr bedeutenden Restaurationen bleibt doch die Art, wie die Glieder sich decken und ihre Linien sich schneiden, unerreichbar schön. Der Körper ist, bei einer scheinbar leichten Behandlung, voll des edelsten Lebens. (Die Epidermis leider stark verletzt, der Kopf überarbeitet?) — Ein viel geringeres, stark restaurirtes Exemplar in den Uffizien zu Florenz. (Verbindungsgang.) a Es folgt Aphrodite Kallipygos, im Museum von Neapel 1). Der Kopf und mehrere andere Theile sind modern und schlecht, das Übrige aber von merkwürdiger Vollendung und raffinirtem Reize. Die Ab- sichtlichkeit der ganzen Darstellung rückt dieses Bild in das Gebiet des Buhlerischen, wenn man es auch nicht obscön nennen kann. Ähnlich verhält es sich mit zwei charmanten ehernen Figürchen derselben Sammlung (kleine Bronzen, drittes Zimmer, auch in Florenz, Uffizien, zweites Zimmer der Bronzen, zweiter Schrank): einer die Sandalen ausziehenden und einer im Abtrocknen begriffenen Venus. Das Stehen auf einem Beine, hier mit der anmuthigsten Wendung des Körpers verbunden, hat mehr genrehaft Wahres als Ideales und ver- mag uns die Göttin nicht als solche näher zu bringen. c d Reiner empfunden ist eine andere Statuette (bei den grossen Bronzen), welche Aphrodite, von den Hüften an bekleidet, mit ihrem Haarputz, etwa mit dem Trocknen der Haare nach dem Bade be- schäftigt darstellt. Ein höchst zierliches Figürchen, von bester Arbeit. Ähnlich eine Marmorfigur (freilich mit restaurirten Armen und Locken) im Braccio nuovo des Vaticans; aus guter römischer Zeit. Bei andern sehr zierlichen kleinen Bronzen, welche die Göttin in ähnlicher Hand- lung, aber ganz nackt darstellen, bleibt es zweifelhaft, ob sie nicht erst die Haare auflöst. (Uffizien, zweites Zimmer der Bronzen, zweiter Schrank.) — Eine zum Bade sich vorbereitende Aphrodite des jugend- lichen Typus ist wohl auch dargestellt in der florentinischen sog. Venus Urania (Uffizien, Halle der Inschriften). Abgesehen von den Restau- rationen möchte ihre Geberde am ehesten darin bestanden haben, dass sie das um die Hüften leicht geschürzte Gewand mit der Linken und f g h 1) Gegenwärtig eingeschlossen und, wie man hört, selbst den Begünstigten un- sichtbar. Abgüsse überall, u. a. im Palazzo Camuccini zu Rom, auf der Treppe.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/474>, abgerufen am 16.06.2024.