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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Heroen. Jäger. Meleager.

Der trefflichste Achill ist mit der ältern borghesischen Sammlung
in den Louvre übergegangen. Vielleicht ist mit einer tüchtigen He-a
roenstatue der Villa Albani (Vorhalle des Kaffehauses) Achill gemeint.
-- Einen wunderschönen Kopf des Achill, von griechischer Arbeit,b
findet man im Camposanto zu Pisa (N. 78).

Von Odysseus haben wir nichts Sicheres, als die kleine Statue
des Museo Chiaramonti (Vatican), welche ihn darstellt, wie er demc
Kyklopen die Schale reicht. Eine stramme, kräftige Figur; in den
Zügen mehr der Energische, Vielduldende als der Schlaue.

Als Bildnissstatue eines Kriegers aus der historischen Zeit ist
jedenfalls der Alcibiades in der Sala della biga des Vaticans zud
betrachten, auch wenn die Benennung sehr zweifelhaft bleiben sollte.
Es ist ein sehr schöner Akt der Vertheidigung; der Beschauer er-
wartet, dass sie erfolgreich sein werde, weil in der ganzen Gestalt
nicht nur physische Macht, sondern hohe geistige Entschiedenheit
waltet.


Auf die Krieger folgen die Jäger und zwar zunächst ihr mythi-
sches Urbild, Meleager. Die berühmte vaticanische Statue (Be-e
vedere), ein vorzügliches Werk der Kaiserzeit, wenn auch nicht in
allen Theilen gleichmässig belebt, giebt uns diesen Typus in seiner
vollkommenen Ausbildung, sehr dem Hermes genähert, selbst in Ge-
stalt und Zügen des jugendlichen Kopfes, und doch wieder wesent-
lich von ihm verschieden. Die Jagd verlangt und bildet einen Körper
anders und einseitiger als die Athletik; ihr genügt das Schlanke und
Rasche; eine für jede Probe durchgearbeitete Musculatur wäre über-
flüssig. So schön und leicht nun diese Gestalt dasteht, so unbeholfen
und zweideutig ist die Stützung unter dem linken Arm (Eberkopf und
Tronco). Vielleicht hatte der Künstler ein ehernes Urbild vor sich
und musste sich in Marmor helfen, wie er konnte. Eine kleine Wie-
derholung von rosso antico im Museum von Neapel (Halle der farbi-f
gen Marmore). Eine stark überarbeitete lebensgrosse Statue im Haupt-g
saal der Villa Borghese.

Weit von dieser Auffasung entfernt und durch den Contrast be-
lehrend: die Statue eines Jägers im grossen Saal des Museo capitolino.h

Heroen. Jäger. Meleager.

Der trefflichste Achill ist mit der ältern borghesischen Sammlung
in den Louvre übergegangen. Vielleicht ist mit einer tüchtigen He-a
roenstatue der Villa Albani (Vorhalle des Kaffehauses) Achill gemeint.
— Einen wunderschönen Kopf des Achill, von griechischer Arbeit,b
findet man im Camposanto zu Pisa (N. 78).

Von Odysseus haben wir nichts Sicheres, als die kleine Statue
des Museo Chiaramonti (Vatican), welche ihn darstellt, wie er demc
Kyklopen die Schale reicht. Eine stramme, kräftige Figur; in den
Zügen mehr der Energische, Vielduldende als der Schlaue.

Als Bildnissstatue eines Kriegers aus der historischen Zeit ist
jedenfalls der Alcibiades in der Sala della biga des Vaticans zud
betrachten, auch wenn die Benennung sehr zweifelhaft bleiben sollte.
Es ist ein sehr schöner Akt der Vertheidigung; der Beschauer er-
wartet, dass sie erfolgreich sein werde, weil in der ganzen Gestalt
nicht nur physische Macht, sondern hohe geistige Entschiedenheit
waltet.


Auf die Krieger folgen die Jäger und zwar zunächst ihr mythi-
sches Urbild, Meleager. Die berühmte vaticanische Statue (Be-e
vedere), ein vorzügliches Werk der Kaiserzeit, wenn auch nicht in
allen Theilen gleichmässig belebt, giebt uns diesen Typus in seiner
vollkommenen Ausbildung, sehr dem Hermes genähert, selbst in Ge-
stalt und Zügen des jugendlichen Kopfes, und doch wieder wesent-
lich von ihm verschieden. Die Jagd verlangt und bildet einen Körper
anders und einseitiger als die Athletik; ihr genügt das Schlanke und
Rasche; eine für jede Probe durchgearbeitete Musculatur wäre über-
flüssig. So schön und leicht nun diese Gestalt dasteht, so unbeholfen
und zweideutig ist die Stützung unter dem linken Arm (Eberkopf und
Tronco). Vielleicht hatte der Künstler ein ehernes Urbild vor sich
und musste sich in Marmor helfen, wie er konnte. Eine kleine Wie-
derholung von rosso antico im Museum von Neapel (Halle der farbi-f
gen Marmore). Eine stark überarbeitete lebensgrosse Statue im Haupt-g
saal der Villa Borghese.

Weit von dieser Auffasung entfernt und durch den Contrast be-
lehrend: die Statue eines Jägers im grossen Saal des Museo capitolino.h

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[437/0459] Heroen. Jäger. Meleager. Der trefflichste Achill ist mit der ältern borghesischen Sammlung in den Louvre übergegangen. Vielleicht ist mit einer tüchtigen He- roenstatue der Villa Albani (Vorhalle des Kaffehauses) Achill gemeint. — Einen wunderschönen Kopf des Achill, von griechischer Arbeit, findet man im Camposanto zu Pisa (N. 78). a b Von Odysseus haben wir nichts Sicheres, als die kleine Statue des Museo Chiaramonti (Vatican), welche ihn darstellt, wie er dem Kyklopen die Schale reicht. Eine stramme, kräftige Figur; in den Zügen mehr der Energische, Vielduldende als der Schlaue. c Als Bildnissstatue eines Kriegers aus der historischen Zeit ist jedenfalls der Alcibiades in der Sala della biga des Vaticans zu betrachten, auch wenn die Benennung sehr zweifelhaft bleiben sollte. Es ist ein sehr schöner Akt der Vertheidigung; der Beschauer er- wartet, dass sie erfolgreich sein werde, weil in der ganzen Gestalt nicht nur physische Macht, sondern hohe geistige Entschiedenheit waltet. d Auf die Krieger folgen die Jäger und zwar zunächst ihr mythi- sches Urbild, Meleager. Die berühmte vaticanische Statue (Be- vedere), ein vorzügliches Werk der Kaiserzeit, wenn auch nicht in allen Theilen gleichmässig belebt, giebt uns diesen Typus in seiner vollkommenen Ausbildung, sehr dem Hermes genähert, selbst in Ge- stalt und Zügen des jugendlichen Kopfes, und doch wieder wesent- lich von ihm verschieden. Die Jagd verlangt und bildet einen Körper anders und einseitiger als die Athletik; ihr genügt das Schlanke und Rasche; eine für jede Probe durchgearbeitete Musculatur wäre über- flüssig. So schön und leicht nun diese Gestalt dasteht, so unbeholfen und zweideutig ist die Stützung unter dem linken Arm (Eberkopf und Tronco). Vielleicht hatte der Künstler ein ehernes Urbild vor sich und musste sich in Marmor helfen, wie er konnte. Eine kleine Wie- derholung von rosso antico im Museum von Neapel (Halle der farbi- gen Marmore). Eine stark überarbeitete lebensgrosse Statue im Haupt- saal der Villa Borghese. e f g Weit von dieser Auffasung entfernt und durch den Contrast be- lehrend: die Statue eines Jägers im grossen Saal des Museo capitolino. h

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/459>, abgerufen am 03.07.2024.