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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Etruskische Kunst.
haupt eine früh überlieferte griechische Kunstübung merkwürdig fest-
hielt, ebenfalls und zwar nicht selten zum Vorschein; allein diess
beweist nicht gegen seinen allgemeinen griechischen Ursprung. Wir
werden bei Anlass der Vasen auf eine ähnliche Erscheinung stossen.


Die etruskische Kunst selber übergehen wir, da sie mehr
n ur lehrreiche Seitenbilder zur Geschichte des Schönen als einen un-
mittelbaren Genuss desselben gewährt. Nur mittelst einer langen,
zweifelreichen Forschung könnten wir uns und dem Leser klar machen,
was und wie Vieles hier der alten religiösen Gebundenheit, dem eigen-
thümlichen Volksgenius, den uralten griechischen Cultureinflüssen, der
spätern Einfuhr griechischer Kunstwerke und Einwanderung griechi-
scher Künstler, endlich der Mitleidenschaft unter den Schicksalen und
dem Zerfall der römischen Kunst angehört. Die meist kleinen und
sehr zahlreichen Gegenstände, um welche es sich handelt, sind z. B.
im Vatican zu einem besondern Museo etrusco vereinigt; Mehreres
vom Wichtigsten findet sich in den Uffizien zu Florenz (verschlossnera
Gang gegen Ponte vecchio hin; und zweites Zimmer der Bronzen);
auch im Collegio Romano zu Rom, in den Sammlungen von Volterrab
und Cortona, sowie im Museum von Neapel (letztes Zimmer derc
kleinen Bronzen) steht viel Etruskisches beisammen.

Wer die Hauptfundorte, jene alten Nekropolen von Toscanella,
Cervetri, Vulei, Chiusi etc. bereist, wird wohl noch Manches an Ort
und Stelle in Privatbesitz antreffen und sich ausserdem einen Begriff
von dem prachtvollen Begräbnisswesen jenes räthselhaften Volkes
machen können 1). -- Was diese u. a. Sammelpunkte dem Forscher
des Schönen immer sehr werth macht, sind die vielen einzelnen Reste
und Elemente griechischer Kunst, welche er zwischen und an den
etruskischen Reliquien wahrnehmen wird. Mit dem Museo etrusco
des Vaticans ist z. B. eine herrliche Sammlung von gemalten Vasen
verbunden, welche vielleicht kaum zur Hälfte etruskischen Fundorten

1) Wenn Jemand im Museo etrusco beim Anblick der Terracottenköpfe mit der
langen Oberlippe und dem eigenthümlich starren Kinn an die Nationalphy-
siognomie vieler Engländer erinnert wird, so wollen wir bekennen, dass es
uns und Andern auch so gegangen ist.
B. Cicerone. 27

Etruskische Kunst.
haupt eine früh überlieferte griechische Kunstübung merkwürdig fest-
hielt, ebenfalls und zwar nicht selten zum Vorschein; allein diess
beweist nicht gegen seinen allgemeinen griechischen Ursprung. Wir
werden bei Anlass der Vasen auf eine ähnliche Erscheinung stossen.


Die etruskische Kunst selber übergehen wir, da sie mehr
n ur lehrreiche Seitenbilder zur Geschichte des Schönen als einen un-
mittelbaren Genuss desselben gewährt. Nur mittelst einer langen,
zweifelreichen Forschung könnten wir uns und dem Leser klar machen,
was und wie Vieles hier der alten religiösen Gebundenheit, dem eigen-
thümlichen Volksgenius, den uralten griechischen Cultureinflüssen, der
spätern Einfuhr griechischer Kunstwerke und Einwanderung griechi-
scher Künstler, endlich der Mitleidenschaft unter den Schicksalen und
dem Zerfall der römischen Kunst angehört. Die meist kleinen und
sehr zahlreichen Gegenstände, um welche es sich handelt, sind z. B.
im Vatican zu einem besondern Museo etrusco vereinigt; Mehreres
vom Wichtigsten findet sich in den Uffizien zu Florenz (verschlossnera
Gang gegen Ponte vecchio hin; und zweites Zimmer der Bronzen);
auch im Collegio Romano zu Rom, in den Sammlungen von Volterrab
und Cortona, sowie im Museum von Neapel (letztes Zimmer derc
kleinen Bronzen) steht viel Etruskisches beisammen.

Wer die Hauptfundorte, jene alten Nekropolen von Toscanella,
Cervetri, Vulei, Chiusi etc. bereist, wird wohl noch Manches an Ort
und Stelle in Privatbesitz antreffen und sich ausserdem einen Begriff
von dem prachtvollen Begräbnisswesen jenes räthselhaften Volkes
machen können 1). — Was diese u. a. Sammelpunkte dem Forscher
des Schönen immer sehr werth macht, sind die vielen einzelnen Reste
und Elemente griechischer Kunst, welche er zwischen und an den
etruskischen Reliquien wahrnehmen wird. Mit dem Museo etrusco
des Vaticans ist z. B. eine herrliche Sammlung von gemalten Vasen
verbunden, welche vielleicht kaum zur Hälfte etruskischen Fundorten

1) Wenn Jemand im Museo etrusco beim Anblick der Terracottenköpfe mit der
langen Oberlippe und dem eigenthümlich starren Kinn an die Nationalphy-
siognomie vieler Engländer erinnert wird, so wollen wir bekennen, dass es
uns und Andern auch so gegangen ist.
B. Cicerone. 27
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[417/0439] Etruskische Kunst. haupt eine früh überlieferte griechische Kunstübung merkwürdig fest- hielt, ebenfalls und zwar nicht selten zum Vorschein; allein diess beweist nicht gegen seinen allgemeinen griechischen Ursprung. Wir werden bei Anlass der Vasen auf eine ähnliche Erscheinung stossen. Die etruskische Kunst selber übergehen wir, da sie mehr n ur lehrreiche Seitenbilder zur Geschichte des Schönen als einen un- mittelbaren Genuss desselben gewährt. Nur mittelst einer langen, zweifelreichen Forschung könnten wir uns und dem Leser klar machen, was und wie Vieles hier der alten religiösen Gebundenheit, dem eigen- thümlichen Volksgenius, den uralten griechischen Cultureinflüssen, der spätern Einfuhr griechischer Kunstwerke und Einwanderung griechi- scher Künstler, endlich der Mitleidenschaft unter den Schicksalen und dem Zerfall der römischen Kunst angehört. Die meist kleinen und sehr zahlreichen Gegenstände, um welche es sich handelt, sind z. B. im Vatican zu einem besondern Museo etrusco vereinigt; Mehreres vom Wichtigsten findet sich in den Uffizien zu Florenz (verschlossner Gang gegen Ponte vecchio hin; und zweites Zimmer der Bronzen); auch im Collegio Romano zu Rom, in den Sammlungen von Volterra und Cortona, sowie im Museum von Neapel (letztes Zimmer der kleinen Bronzen) steht viel Etruskisches beisammen. a b c Wer die Hauptfundorte, jene alten Nekropolen von Toscanella, Cervetri, Vulei, Chiusi etc. bereist, wird wohl noch Manches an Ort und Stelle in Privatbesitz antreffen und sich ausserdem einen Begriff von dem prachtvollen Begräbnisswesen jenes räthselhaften Volkes machen können 1). — Was diese u. a. Sammelpunkte dem Forscher des Schönen immer sehr werth macht, sind die vielen einzelnen Reste und Elemente griechischer Kunst, welche er zwischen und an den etruskischen Reliquien wahrnehmen wird. Mit dem Museo etrusco des Vaticans ist z. B. eine herrliche Sammlung von gemalten Vasen verbunden, welche vielleicht kaum zur Hälfte etruskischen Fundorten 1) Wenn Jemand im Museo etrusco beim Anblick der Terracottenköpfe mit der langen Oberlippe und dem eigenthümlich starren Kinn an die Nationalphy- siognomie vieler Engländer erinnert wird, so wollen wir bekennen, dass es uns und Andern auch so gegangen ist. B. Cicerone. 27

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/439>, abgerufen am 18.12.2024.