nommene Gliederung auf Mauermassen und Pfeilerbau berechnet, wobei Säulen nur als vorgesetzter Schmuck zur Anwendung kamen, nicht nur verabscheute man jetzt im Ganzen die Bogenstellungen auf Säulen, sondern auch das Raumgefühl des Barockstyls fand bei engen Intervallen jeglicher Art seine Rechnung nicht mehr. Dennoch ge- hören gerade die paar Basiliken zu den bessern Gebäuden des Styles; die Gerolomini (oder S. Filippo) in Neapel (von Giobatt. Cavagnia 1597); die Annunziata in Genua (von Giac. della Porta), beib welcher man sich durch die schwere Vergoldung und Bemalung des Oberbaues nicht darf irre machen lassen, u. a. m. In S. Siro und inc Madonna delle Vigne zu Genua (1576 und 1586) stehen je zwei Säu- len zusammen, wobei der Baumeister durch Anbringung eines Gebälk- stückes und durch grössere Zwischenweiten sein Gewissen beruhigen konnte; ein Motiv das damals auch bei allen Säulenhöfen befolgt oder wenigstens verlangt wurde.
Sodann musste das griechische Kreuz, wie Bramante es für S. Peter beabsichtigt, Michelangelo schon so viel als durchgesetzt hatte, einen grossen Eindruck auf alle Architekten machen. Mehr als ein halbes Jahrhundert hindurch (bis 1605) wusste man von nichts Anderem, als dass diese Kirche aller Kirchen ein griechisches Kreuz werden und bleiben solle, welches von seiner Kuppel nach allen Seiten hin beherrscht worden wäre. In dieser Gestalt kannten die grossen Baumeister von 1550--1600 S. Peter; auch wir können uns den Eindruck vergegenwärtigen, sobald wir uns innen an das eine Ende des Querbaues stellen, oder aussen in die Gegend neben der Sacristei. -- Damals entlehnte hier Galeazzo Alessi, wie wir sahen (S. 351), die Grundform für seine Madonna di Carignano; spä- ter, nach 1596, wurde die Madonna della Ghiara in Reggio ent-d worfen, deren schönes Innere nur durch die vollständige Bemalung der Gewölbe und Kuppel über dem hellfarbigen Unterbau schwer er- scheint. Beide Gebäude schliessen allerdings nicht in halbrunden, sondern in lauter geradlinigen Fassaden, letzteres mit Ausnahme des Chores. In Rom ist das Innere von S. Carlo a' Catinari (1612, vone Rosati) ein schöner Bau dieser Art. Noch in ganz späten Re- dactionen, wie S. Agnese in Piazza navona zu Rom (Inneres von Carlo Rinaldi) und S. Alessandro in Zebedia zu Mailand wirktf
Thürme. Kuppeln. Basiliken. Griech. Kreuz.
nommene Gliederung auf Mauermassen und Pfeilerbau berechnet, wobei Säulen nur als vorgesetzter Schmuck zur Anwendung kamen, nicht nur verabscheute man jetzt im Ganzen die Bogenstellungen auf Säulen, sondern auch das Raumgefühl des Barockstyls fand bei engen Intervallen jeglicher Art seine Rechnung nicht mehr. Dennoch ge- hören gerade die paar Basiliken zu den bessern Gebäuden des Styles; die Gerolomini (oder S. Filippo) in Neapel (von Giobatt. Cavagnia 1597); die Annunziata in Genua (von Giac. della Porta), beib welcher man sich durch die schwere Vergoldung und Bemalung des Oberbaues nicht darf irre machen lassen, u. a. m. In S. Siro und inc Madonna delle Vigne zu Genua (1576 und 1586) stehen je zwei Säu- len zusammen, wobei der Baumeister durch Anbringung eines Gebälk- stückes und durch grössere Zwischenweiten sein Gewissen beruhigen konnte; ein Motiv das damals auch bei allen Säulenhöfen befolgt oder wenigstens verlangt wurde.
Sodann musste das griechische Kreuz, wie Bramante es für S. Peter beabsichtigt, Michelangelo schon so viel als durchgesetzt hatte, einen grossen Eindruck auf alle Architekten machen. Mehr als ein halbes Jahrhundert hindurch (bis 1605) wusste man von nichts Anderem, als dass diese Kirche aller Kirchen ein griechisches Kreuz werden und bleiben solle, welches von seiner Kuppel nach allen Seiten hin beherrscht worden wäre. In dieser Gestalt kannten die grossen Baumeister von 1550—1600 S. Peter; auch wir können uns den Eindruck vergegenwärtigen, sobald wir uns innen an das eine Ende des Querbaues stellen, oder aussen in die Gegend neben der Sacristei. — Damals entlehnte hier Galeazzo Alessi, wie wir sahen (S. 351), die Grundform für seine Madonna di Carignano; spä- ter, nach 1596, wurde die Madonna della Ghiara in Reggio ent-d worfen, deren schönes Innere nur durch die vollständige Bemalung der Gewölbe und Kuppel über dem hellfarbigen Unterbau schwer er- scheint. Beide Gebäude schliessen allerdings nicht in halbrunden, sondern in lauter geradlinigen Fassaden, letzteres mit Ausnahme des Chores. In Rom ist das Innere von S. Carlo a’ Catinari (1612, vone Rosati) ein schöner Bau dieser Art. Noch in ganz späten Re- dactionen, wie S. Agnese in Piazza navona zu Rom (Inneres von Carlo Rinaldi) und S. Alessandro in Zebedia zu Mailand wirktf
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0399"n="377"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Thürme. Kuppeln. Basiliken. Griech. Kreuz.</hi></fw><lb/>
nommene Gliederung auf Mauermassen und Pfeilerbau berechnet,<lb/>
wobei Säulen nur als vorgesetzter Schmuck zur Anwendung kamen,<lb/>
nicht nur verabscheute man jetzt im Ganzen die Bogenstellungen auf<lb/>
Säulen, sondern auch das Raumgefühl des Barockstyls fand bei engen<lb/>
Intervallen jeglicher Art seine Rechnung nicht mehr. Dennoch ge-<lb/>
hören gerade die paar Basiliken zu den bessern Gebäuden des Styles;<lb/>
die Gerolomini (oder S. Filippo) in Neapel (von <hirendition="#g">Giobatt. Cavagni</hi><noteplace="right">a</note><lb/>
1597); die Annunziata in Genua (von <hirendition="#g">Giac. della Porta</hi>), bei<noteplace="right">b</note><lb/>
welcher man sich durch die schwere Vergoldung und Bemalung des<lb/>
Oberbaues nicht darf irre machen lassen, u. a. m. In S. Siro und in<noteplace="right">c</note><lb/>
Madonna delle Vigne zu Genua (1576 und 1586) stehen je zwei Säu-<lb/>
len zusammen, wobei der Baumeister durch Anbringung eines Gebälk-<lb/>
stückes und durch grössere Zwischenweiten sein Gewissen beruhigen<lb/>
konnte; ein Motiv das damals auch bei allen Säulenhöfen befolgt oder<lb/>
wenigstens verlangt wurde.</p><lb/><p>Sodann musste das <hirendition="#g">griechische Kreuz</hi>, wie Bramante es für<lb/>
S. Peter beabsichtigt, Michelangelo schon so viel als durchgesetzt<lb/>
hatte, einen grossen Eindruck auf alle Architekten machen. Mehr als<lb/>
ein halbes Jahrhundert hindurch (bis 1605) wusste man von nichts<lb/>
Anderem, als dass diese Kirche aller Kirchen ein griechisches Kreuz<lb/>
werden und bleiben solle, welches von seiner Kuppel nach allen<lb/>
Seiten hin beherrscht worden wäre. In dieser Gestalt kannten die<lb/>
grossen Baumeister von 1550—1600 S. Peter; auch wir können uns<lb/>
den Eindruck vergegenwärtigen, sobald wir uns innen an das eine<lb/>
Ende des Querbaues stellen, oder aussen in die Gegend neben der<lb/>
Sacristei. — Damals entlehnte hier <hirendition="#g">Galeazzo Alessi</hi>, wie wir<lb/>
sahen (S. 351), die Grundform für seine Madonna di Carignano; spä-<lb/>
ter, nach 1596, wurde die Madonna della Ghiara in <hirendition="#g">Reggio</hi> ent-<noteplace="right">d</note><lb/>
worfen, deren schönes Innere nur durch die vollständige Bemalung<lb/>
der Gewölbe und Kuppel über dem hellfarbigen Unterbau schwer er-<lb/>
scheint. Beide Gebäude schliessen allerdings nicht in halbrunden,<lb/>
sondern in lauter geradlinigen Fassaden, letzteres mit Ausnahme des<lb/>
Chores. In Rom ist das Innere von S. Carlo a’ Catinari (1612, von<noteplace="right">e</note><lb/><hirendition="#g">Rosati</hi>) ein schöner Bau dieser Art. Noch in ganz späten Re-<lb/>
dactionen, wie S. Agnese in Piazza navona zu Rom (Inneres von<lb/><hirendition="#g">Carlo Rinaldi</hi>) und S. Alessandro in Zebedia zu Mailand wirkt<noteplace="right">f</note><lb/></p></div></body></text></TEI>
[377/0399]
Thürme. Kuppeln. Basiliken. Griech. Kreuz.
nommene Gliederung auf Mauermassen und Pfeilerbau berechnet,
wobei Säulen nur als vorgesetzter Schmuck zur Anwendung kamen,
nicht nur verabscheute man jetzt im Ganzen die Bogenstellungen auf
Säulen, sondern auch das Raumgefühl des Barockstyls fand bei engen
Intervallen jeglicher Art seine Rechnung nicht mehr. Dennoch ge-
hören gerade die paar Basiliken zu den bessern Gebäuden des Styles;
die Gerolomini (oder S. Filippo) in Neapel (von Giobatt. Cavagni
1597); die Annunziata in Genua (von Giac. della Porta), bei
welcher man sich durch die schwere Vergoldung und Bemalung des
Oberbaues nicht darf irre machen lassen, u. a. m. In S. Siro und in
Madonna delle Vigne zu Genua (1576 und 1586) stehen je zwei Säu-
len zusammen, wobei der Baumeister durch Anbringung eines Gebälk-
stückes und durch grössere Zwischenweiten sein Gewissen beruhigen
konnte; ein Motiv das damals auch bei allen Säulenhöfen befolgt oder
wenigstens verlangt wurde.
a
b
c
Sodann musste das griechische Kreuz, wie Bramante es für
S. Peter beabsichtigt, Michelangelo schon so viel als durchgesetzt
hatte, einen grossen Eindruck auf alle Architekten machen. Mehr als
ein halbes Jahrhundert hindurch (bis 1605) wusste man von nichts
Anderem, als dass diese Kirche aller Kirchen ein griechisches Kreuz
werden und bleiben solle, welches von seiner Kuppel nach allen
Seiten hin beherrscht worden wäre. In dieser Gestalt kannten die
grossen Baumeister von 1550—1600 S. Peter; auch wir können uns
den Eindruck vergegenwärtigen, sobald wir uns innen an das eine
Ende des Querbaues stellen, oder aussen in die Gegend neben der
Sacristei. — Damals entlehnte hier Galeazzo Alessi, wie wir
sahen (S. 351), die Grundform für seine Madonna di Carignano; spä-
ter, nach 1596, wurde die Madonna della Ghiara in Reggio ent-
worfen, deren schönes Innere nur durch die vollständige Bemalung
der Gewölbe und Kuppel über dem hellfarbigen Unterbau schwer er-
scheint. Beide Gebäude schliessen allerdings nicht in halbrunden,
sondern in lauter geradlinigen Fassaden, letzteres mit Ausnahme des
Chores. In Rom ist das Innere von S. Carlo a’ Catinari (1612, von
Rosati) ein schöner Bau dieser Art. Noch in ganz späten Re-
dactionen, wie S. Agnese in Piazza navona zu Rom (Inneres von
Carlo Rinaldi) und S. Alessandro in Zebedia zu Mailand wirkt
d
e
f
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/399>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.