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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Seine Repräsentanten.
und andere Städte mit seinen Gebilden ganz angefüllt sind. Wer sich
irgend eines weitern Gesichtskreises in der Kunst rühmen will, ist
auch dieser Masse einige Aufmerksamkeit schuldig. Bei dieser Be-
schäftigung des Vergleichens wird man vielleicht auch dem wahren
Verdienst gerecht werden, das manchen Bauten des fraglichen Styles
gar nicht abzusprechen ist, obwohl es ihnen bisweilen in Bausch und
Bogen abgesprochen wird. Diese Verachtung wird man bei gebilde-
ten Architekten niemals bemerken. Dieselben wissen recht wohl In-
tention und Ausdruck zu unterscheiden und beneiden die Künstler des
Barockstyles von ganzem Herzen, ob der Freiheit, welche sie genossen
und in welcher sie bisweilen grossartig sein konnten.

Noch weniger aber als ein allgemeines Verwerfungsurtheil liegt
uns eine allgemeine Billigung nahe.

Unsere Aufgabe ist: aufmerksam zu machen auf die lebendigen
Kräfte und Richtungen, welche sich trotz dem meist verdorbenen und
conventionellen Ausdruck des Einzelnen unverkennbar kund geben.
Die Physiognomie dieses Styles ist gar nicht so interesselos wie man
wohl glaubt.


Die einflussreichsten Architekten waren: zunächst ein vielbe-
schäftigter Schüler Michelangelo's: Giacomo della Porta; dann
jene Colonie von Tessinern, welche Rom seine jetzige Gestalt gab:
Domenico Fontana (1543--1607) nebst seinem Bruder Giovanni
und seinem Neffen Carlo Maderna (1556--1639), welchen noch der
Nebenbuhler Bernini's, Francesco Borromini (1599--1667) und
der späte Carlo Fontana (1634--1714) beizuzählen sind. Dann einige
Lombarden: die drei Lunghi (der Vater Martino, blühte um 1570,
der Sohn Onorio 1569--1619, der Enkel Martino + 1657); Fla-
minio Ponzio
(+ unter Paul V); Cosimo Fansaga 1591--1678,
meist in Neapel thätig; die Bolognesen Domenichino (1581--1641)
und Alessandro Algardi (1602--1654), jener sonst mehr als
Maler, dieser als Bildhauer berühmt; die Römer Girol. Rinaldi
(1570--1655), sein Sohn Carlo (1611--1641) und Giovanni An-
tonio de' Rossi
(1616--1695); ferner der bekannte Maler Pietro
da Cortona
(1596--1669); gleichzeitig mit diesen und Allen über-

Seine Repräsentanten.
und andere Städte mit seinen Gebilden ganz angefüllt sind. Wer sich
irgend eines weitern Gesichtskreises in der Kunst rühmen will, ist
auch dieser Masse einige Aufmerksamkeit schuldig. Bei dieser Be-
schäftigung des Vergleichens wird man vielleicht auch dem wahren
Verdienst gerecht werden, das manchen Bauten des fraglichen Styles
gar nicht abzusprechen ist, obwohl es ihnen bisweilen in Bausch und
Bogen abgesprochen wird. Diese Verachtung wird man bei gebilde-
ten Architekten niemals bemerken. Dieselben wissen recht wohl In-
tention und Ausdruck zu unterscheiden und beneiden die Künstler des
Barockstyles von ganzem Herzen, ob der Freiheit, welche sie genossen
und in welcher sie bisweilen grossartig sein konnten.

Noch weniger aber als ein allgemeines Verwerfungsurtheil liegt
uns eine allgemeine Billigung nahe.

Unsere Aufgabe ist: aufmerksam zu machen auf die lebendigen
Kräfte und Richtungen, welche sich trotz dem meist verdorbenen und
conventionellen Ausdruck des Einzelnen unverkennbar kund geben.
Die Physiognomie dieses Styles ist gar nicht so interesselos wie man
wohl glaubt.


Die einflussreichsten Architekten waren: zunächst ein vielbe-
schäftigter Schüler Michelangelo’s: Giacomo della Porta; dann
jene Colonie von Tessinern, welche Rom seine jetzige Gestalt gab:
Domenico Fontana (1543—1607) nebst seinem Bruder Giovanni
und seinem Neffen Carlo Maderna (1556—1639), welchen noch der
Nebenbuhler Bernini’s, Francesco Borromini (1599—1667) und
der späte Carlo Fontana (1634—1714) beizuzählen sind. Dann einige
Lombarden: die drei Lunghi (der Vater Martino, blühte um 1570,
der Sohn Onorio 1569—1619, der Enkel Martino † 1657); Fla-
minio Ponzio
(† unter Paul V); Cosimo Fansaga 1591—1678,
meist in Neapel thätig; die Bolognesen Domenichino (1581—1641)
und Alessandro Algardi (1602—1654), jener sonst mehr als
Maler, dieser als Bildhauer berühmt; die Römer Girol. Rinaldi
(1570—1655), sein Sohn Carlo (1611—1641) und Giovanni An-
tonio de’ Rossi
(1616—1695); ferner der bekannte Maler Pietro
da Cortona
(1596—1669); gleichzeitig mit diesen und Allen über-

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[367/0389] Seine Repräsentanten. und andere Städte mit seinen Gebilden ganz angefüllt sind. Wer sich irgend eines weitern Gesichtskreises in der Kunst rühmen will, ist auch dieser Masse einige Aufmerksamkeit schuldig. Bei dieser Be- schäftigung des Vergleichens wird man vielleicht auch dem wahren Verdienst gerecht werden, das manchen Bauten des fraglichen Styles gar nicht abzusprechen ist, obwohl es ihnen bisweilen in Bausch und Bogen abgesprochen wird. Diese Verachtung wird man bei gebilde- ten Architekten niemals bemerken. Dieselben wissen recht wohl In- tention und Ausdruck zu unterscheiden und beneiden die Künstler des Barockstyles von ganzem Herzen, ob der Freiheit, welche sie genossen und in welcher sie bisweilen grossartig sein konnten. Noch weniger aber als ein allgemeines Verwerfungsurtheil liegt uns eine allgemeine Billigung nahe. Unsere Aufgabe ist: aufmerksam zu machen auf die lebendigen Kräfte und Richtungen, welche sich trotz dem meist verdorbenen und conventionellen Ausdruck des Einzelnen unverkennbar kund geben. Die Physiognomie dieses Styles ist gar nicht so interesselos wie man wohl glaubt. Die einflussreichsten Architekten waren: zunächst ein vielbe- schäftigter Schüler Michelangelo’s: Giacomo della Porta; dann jene Colonie von Tessinern, welche Rom seine jetzige Gestalt gab: Domenico Fontana (1543—1607) nebst seinem Bruder Giovanni und seinem Neffen Carlo Maderna (1556—1639), welchen noch der Nebenbuhler Bernini’s, Francesco Borromini (1599—1667) und der späte Carlo Fontana (1634—1714) beizuzählen sind. Dann einige Lombarden: die drei Lunghi (der Vater Martino, blühte um 1570, der Sohn Onorio 1569—1619, der Enkel Martino † 1657); Fla- minio Ponzio († unter Paul V); Cosimo Fansaga 1591—1678, meist in Neapel thätig; die Bolognesen Domenichino (1581—1641) und Alessandro Algardi (1602—1654), jener sonst mehr als Maler, dieser als Bildhauer berühmt; die Römer Girol. Rinaldi (1570—1655), sein Sohn Carlo (1611—1641) und Giovanni An- tonio de’ Rossi (1616—1695); ferner der bekannte Maler Pietro da Cortona (1596—1669); gleichzeitig mit diesen und Allen über-

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/389>, abgerufen am 18.05.2024.