Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Palladio. Basilica. Privatpaläste.
in bescheidenen Dimensionen grossartig gedacht, mit vollkommener
Consequenz durchgeführt und alle von einander unabhängig sind.

Palladio's erstes grosses Gebäude war die sog. Basilica ina
Vicenza, d. h. die Umbauung des mittelalterlichen Palazzo della ra-
gione mit zwei ringsumgehenden Stockwerken von offenen Bogenhallen,
wobei er auf die Wandeintheilung (Fenster u. dgl.) des alten Baues
eine lästige Rücksicht zu nehmen hatte. Gleichwohl -- und trotz
einzelnen empfindlichen Ungeschicklichkeiten seines eigenen Details
-- kam eines der grossartigsten Werke des XVI. Jahrhunderts zu
Stande, das z. B. in Venedig Sansovins Biblioteca vollkommen in den
Schatten stellen würde. Ernst und in hohem Grade monumental, wie
es sich für ein öffentliches Gebäude ziemt, hat diese Aussenhalle doch
das reichste Grundmotiv, welches in seiner durchgehenden Wieder-
holung (oben wie unten) ganz mächtig wirkt: die Räume zwischen
den mit vortretenden Säulen bekleideten Pfeilern enthalten nämlich
innere Bogen, welche zu beiden Seiten auf je zwei Säulen einer klei-
nern Ordnung ruhen. -- Im Bau seit 1549.

(Das Motiv dieser Halle fand eine allgemeine Bewunderung und
wurde auf verschiedene Weise neu verwerthet. In dem Teatro Far-b
nese zu Parma brauchte es der Baumeister, Giambatt. Aleotti,
1618, für zwei obere Reihen von Logen. Der Hof des Palazzo Du-c
cale zu Modena erhielt durch Anwendung desselben den Charakter
eines der schönsten Höfe von Italien, während an der Fassade der
nämliche Baumeister, Bartol. Avanzini, 1634, seine eigene kläg-
liche Originalität offenbarte.)

Welche Vorgänger Palladio in der Anlage von Privatpalästen
vorfand, wurde oben (S. 224) erörtert. Das Vorbild Giulio Romano's
und seiner mantuanischen Paläste mag für diese Gegenden besonders
wichtig gewesen sein; man erkennt z. B. Giulio's Vorliebe für bloss
Eine Ordnung von Halbsäulen oder Pilastern (über einem Rustica-
Erdgeschoss) in dem Pal. Trissino dal vello d'oro (am Thor gegend
Monte Berico hin), einem in dieser Art recht schönen vorpalladiani-
schen Gebäude vom Jahr 1540, auch in der Fassade des bischöflichene
Palastes (1543? welches wenigstens das Datum des Hofes ist); und
wenn Pal. Annibale Tiene (jetzt Bonini, am Anfang des Corso) einef
reiche vollständige Doppelordnung hat, so ist vielleicht nicht ausser

Palladio. Basilica. Privatpaläste.
in bescheidenen Dimensionen grossartig gedacht, mit vollkommener
Consequenz durchgeführt und alle von einander unabhängig sind.

Palladio’s erstes grosses Gebäude war die sog. Basilica ina
Vicenza, d. h. die Umbauung des mittelalterlichen Palazzo della ra-
gione mit zwei ringsumgehenden Stockwerken von offenen Bogenhallen,
wobei er auf die Wandeintheilung (Fenster u. dgl.) des alten Baues
eine lästige Rücksicht zu nehmen hatte. Gleichwohl — und trotz
einzelnen empfindlichen Ungeschicklichkeiten seines eigenen Details
— kam eines der grossartigsten Werke des XVI. Jahrhunderts zu
Stande, das z. B. in Venedig Sansovins Biblioteca vollkommen in den
Schatten stellen würde. Ernst und in hohem Grade monumental, wie
es sich für ein öffentliches Gebäude ziemt, hat diese Aussenhalle doch
das reichste Grundmotiv, welches in seiner durchgehenden Wieder-
holung (oben wie unten) ganz mächtig wirkt: die Räume zwischen
den mit vortretenden Säulen bekleideten Pfeilern enthalten nämlich
innere Bogen, welche zu beiden Seiten auf je zwei Säulen einer klei-
nern Ordnung ruhen. — Im Bau seit 1549.

(Das Motiv dieser Halle fand eine allgemeine Bewunderung und
wurde auf verschiedene Weise neu verwerthet. In dem Teatro Far-b
nese zu Parma brauchte es der Baumeister, Giambatt. Aleotti,
1618, für zwei obere Reihen von Logen. Der Hof des Palazzo Du-c
cale zu Modena erhielt durch Anwendung desselben den Charakter
eines der schönsten Höfe von Italien, während an der Fassade der
nämliche Baumeister, Bartol. Avanzini, 1634, seine eigene kläg-
liche Originalität offenbarte.)

Welche Vorgänger Palladio in der Anlage von Privatpalästen
vorfand, wurde oben (S. 224) erörtert. Das Vorbild Giulio Romano’s
und seiner mantuanischen Paläste mag für diese Gegenden besonders
wichtig gewesen sein; man erkennt z. B. Giulio’s Vorliebe für bloss
Eine Ordnung von Halbsäulen oder Pilastern (über einem Rustica-
Erdgeschoss) in dem Pal. Trissino dal vello d’oro (am Thor gegend
Monte Berico hin), einem in dieser Art recht schönen vorpalladiani-
schen Gebäude vom Jahr 1540, auch in der Fassade des bischöflichene
Palastes (1543? welches wenigstens das Datum des Hofes ist); und
wenn Pal. Annibale Tiene (jetzt Bonini, am Anfang des Corso) einef
reiche vollständige Doppelordnung hat, so ist vielleicht nicht ausser

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0379" n="357"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Palladio. Basilica. Privatpaläste.</hi></fw><lb/>
in bescheidenen Dimensionen grossartig gedacht, mit vollkommener<lb/>
Consequenz durchgeführt und alle von einander unabhängig sind.</p><lb/>
        <p>Palladio&#x2019;s erstes grosses Gebäude war die sog. <hi rendition="#g">Basilica</hi> in<note place="right">a</note><lb/>
Vicenza, d. h. die Umbauung des mittelalterlichen Palazzo della ra-<lb/>
gione mit zwei ringsumgehenden Stockwerken von offenen Bogenhallen,<lb/>
wobei er auf die Wandeintheilung (Fenster u. dgl.) des alten Baues<lb/>
eine lästige Rücksicht zu nehmen hatte. Gleichwohl &#x2014; und trotz<lb/>
einzelnen empfindlichen Ungeschicklichkeiten seines eigenen Details<lb/>
&#x2014; kam eines der grossartigsten Werke des XVI. Jahrhunderts zu<lb/>
Stande, das z. B. in Venedig Sansovins Biblioteca vollkommen in den<lb/>
Schatten stellen würde. Ernst und in hohem Grade monumental, wie<lb/>
es sich für ein öffentliches Gebäude ziemt, hat diese Aussenhalle doch<lb/>
das reichste Grundmotiv, welches in seiner durchgehenden Wieder-<lb/>
holung (oben wie unten) ganz mächtig wirkt: die Räume zwischen<lb/>
den mit vortretenden Säulen bekleideten Pfeilern enthalten nämlich<lb/>
innere Bogen, welche zu beiden Seiten auf je zwei Säulen einer klei-<lb/>
nern Ordnung ruhen. &#x2014; Im Bau seit 1549.</p><lb/>
        <p>(Das Motiv dieser Halle fand eine allgemeine Bewunderung und<lb/>
wurde auf verschiedene Weise neu verwerthet. In dem Teatro Far-<note place="right">b</note><lb/>
nese zu Parma brauchte es der Baumeister, <hi rendition="#g">Giambatt. Aleotti</hi>,<lb/>
1618, für zwei obere Reihen von Logen. Der Hof des Palazzo Du-<note place="right">c</note><lb/>
cale zu Modena erhielt durch Anwendung desselben den Charakter<lb/>
eines der schönsten Höfe von Italien, während an der Fassade der<lb/>
nämliche Baumeister, <hi rendition="#g">Bartol. Avanzini</hi>, 1634, seine eigene kläg-<lb/>
liche Originalität offenbarte.)</p><lb/>
        <p>Welche Vorgänger Palladio in der Anlage von <hi rendition="#g">Privatpalästen</hi><lb/>
vorfand, wurde oben (S. 224) erörtert. Das Vorbild Giulio Romano&#x2019;s<lb/>
und seiner mantuanischen Paläste mag für diese Gegenden besonders<lb/>
wichtig gewesen sein; man erkennt z. B. Giulio&#x2019;s Vorliebe für bloss<lb/>
Eine Ordnung von Halbsäulen oder Pilastern (über einem Rustica-<lb/>
Erdgeschoss) in dem Pal. Trissino dal vello d&#x2019;oro (am Thor gegen<note place="right">d</note><lb/>
Monte Berico hin), einem in dieser Art recht schönen vorpalladiani-<lb/>
schen Gebäude vom Jahr 1540, auch in der Fassade des bischöflichen<note place="right">e</note><lb/>
Palastes (1543? welches wenigstens das Datum des Hofes ist); und<lb/>
wenn Pal. Annibale Tiene (jetzt Bonini, am Anfang des Corso) eine<note place="right">f</note><lb/>
reiche vollständige Doppelordnung hat, so ist vielleicht nicht ausser<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[357/0379] Palladio. Basilica. Privatpaläste. in bescheidenen Dimensionen grossartig gedacht, mit vollkommener Consequenz durchgeführt und alle von einander unabhängig sind. Palladio’s erstes grosses Gebäude war die sog. Basilica in Vicenza, d. h. die Umbauung des mittelalterlichen Palazzo della ra- gione mit zwei ringsumgehenden Stockwerken von offenen Bogenhallen, wobei er auf die Wandeintheilung (Fenster u. dgl.) des alten Baues eine lästige Rücksicht zu nehmen hatte. Gleichwohl — und trotz einzelnen empfindlichen Ungeschicklichkeiten seines eigenen Details — kam eines der grossartigsten Werke des XVI. Jahrhunderts zu Stande, das z. B. in Venedig Sansovins Biblioteca vollkommen in den Schatten stellen würde. Ernst und in hohem Grade monumental, wie es sich für ein öffentliches Gebäude ziemt, hat diese Aussenhalle doch das reichste Grundmotiv, welches in seiner durchgehenden Wieder- holung (oben wie unten) ganz mächtig wirkt: die Räume zwischen den mit vortretenden Säulen bekleideten Pfeilern enthalten nämlich innere Bogen, welche zu beiden Seiten auf je zwei Säulen einer klei- nern Ordnung ruhen. — Im Bau seit 1549. a (Das Motiv dieser Halle fand eine allgemeine Bewunderung und wurde auf verschiedene Weise neu verwerthet. In dem Teatro Far- nese zu Parma brauchte es der Baumeister, Giambatt. Aleotti, 1618, für zwei obere Reihen von Logen. Der Hof des Palazzo Du- cale zu Modena erhielt durch Anwendung desselben den Charakter eines der schönsten Höfe von Italien, während an der Fassade der nämliche Baumeister, Bartol. Avanzini, 1634, seine eigene kläg- liche Originalität offenbarte.) b c Welche Vorgänger Palladio in der Anlage von Privatpalästen vorfand, wurde oben (S. 224) erörtert. Das Vorbild Giulio Romano’s und seiner mantuanischen Paläste mag für diese Gegenden besonders wichtig gewesen sein; man erkennt z. B. Giulio’s Vorliebe für bloss Eine Ordnung von Halbsäulen oder Pilastern (über einem Rustica- Erdgeschoss) in dem Pal. Trissino dal vello d’oro (am Thor gegen Monte Berico hin), einem in dieser Art recht schönen vorpalladiani- schen Gebäude vom Jahr 1540, auch in der Fassade des bischöflichen Palastes (1543? welches wenigstens das Datum des Hofes ist); und wenn Pal. Annibale Tiene (jetzt Bonini, am Anfang des Corso) eine reiche vollständige Doppelordnung hat, so ist vielleicht nicht ausser d e f

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/379
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/379>, abgerufen am 18.05.2024.