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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Architektur von 1540 bis 1580.
mürrischen Rustica Ernst gemacht, sei es dass der Baumeister oder
dass San Carlo selber für diesen Hof den Charakter einer düstern
Majestät verlangte; nur ein unteres und ein oberes Stockwerk, aber
von enormer Höhe; die Bauglieder (Schlussteine, Consolen, Gebälk-
theile etc.) nicht classisch, sondern in angemessener barocker Umbil-
dung gegeben. Der hintere Hof und die Fassade gegen Piazza Fontana
später, ebenfalls tüchtig.

a

Aus derselben Zeit ist der Hof des erzbischöflichen Seminars,
von Giuseppe Meda, eine schöne, unten dorische, oben ionische
Doppelhalle, mit geradem Gebälk, deren Säulen abwechselnd enge und
bweite Intervalle haben. -- Vincenzo Seregno's Collegio de' nobili
(auf Piazza de' mercanti), vom Jahr 1564, erinnert in der Behandlung
der untern Stützen schon sehr an Galeazzo Alessi, dessen mai-
ländische Bauten nun im Zusammenhang mit den genuesischen zu
besprechen sein werden.


In dieser Zeit (1540--1600) setzte sich nämlich auch der Typus
der genuesischen Paläste, hauptsächlich durch oberitalienische Bau-
meister fest, welchem dann Alessi seine volle Ausbildung gab.

c

Noch ausserhalb der Linie steht gewissermassen der grosse Pa-
last, den Gio. Angelo Montorsoli (seit 1529?) für den berühmten
Andrea Doria baute. Von Architektonischem ist hier nur das Noth-
wendige gegeben, indem die Hauptwirkung der (jetzt aussen fast
durchgängig verlorenen und durch gelben Anstrich ersetzten) Bema-
lung mit Figuren und Historien vorbehalten war. Die dünnen Fen-
stereinfassungen, der Mangel an Pilasterwerk und die mässige Profi-
lirung überhaupt geben jetzt dem Gebäude einen Anschein von Früh-
renaissance. Als freier Phantasiebau ohne strenge Composition wird
es mit seinen luftigen Hallen an beiden Enden und mit den in den
Garten vortretenden Altanen auf Portiken immer einen so bezaubern-
den südlichen Eindruck machen, wie kaum ein anderer grosser Palast
Italiens. Die mit Hallen bedeckten Treppen am Ende des Gartens
und die Brunnen mit Ausnahme eines sind aus derselben Zeit 1).

1) *Gleichzeitig: Pal. Mari, ehemals Odero, nicht die Fronte gegen Str. nuovis-
sima, sondern der obere Hof, in welchen man von der Salita del Castelletto

Architektur von 1540 bis 1580.
mürrischen Rustica Ernst gemacht, sei es dass der Baumeister oder
dass San Carlo selber für diesen Hof den Charakter einer düstern
Majestät verlangte; nur ein unteres und ein oberes Stockwerk, aber
von enormer Höhe; die Bauglieder (Schlussteine, Consolen, Gebälk-
theile etc.) nicht classisch, sondern in angemessener barocker Umbil-
dung gegeben. Der hintere Hof und die Fassade gegen Piazza Fontana
später, ebenfalls tüchtig.

a

Aus derselben Zeit ist der Hof des erzbischöflichen Seminars,
von Giuseppe Meda, eine schöne, unten dorische, oben ionische
Doppelhalle, mit geradem Gebälk, deren Säulen abwechselnd enge und
bweite Intervalle haben. — Vincenzo Seregno’s Collegio de’ nobili
(auf Piazza de’ mercanti), vom Jahr 1564, erinnert in der Behandlung
der untern Stützen schon sehr an Galeazzo Alessi, dessen mai-
ländische Bauten nun im Zusammenhang mit den genuesischen zu
besprechen sein werden.


In dieser Zeit (1540—1600) setzte sich nämlich auch der Typus
der genuesischen Paläste, hauptsächlich durch oberitalienische Bau-
meister fest, welchem dann Alessi seine volle Ausbildung gab.

c

Noch ausserhalb der Linie steht gewissermassen der grosse Pa-
last, den Gio. Angelo Montorsoli (seit 1529?) für den berühmten
Andrea Doria baute. Von Architektonischem ist hier nur das Noth-
wendige gegeben, indem die Hauptwirkung der (jetzt aussen fast
durchgängig verlorenen und durch gelben Anstrich ersetzten) Bema-
lung mit Figuren und Historien vorbehalten war. Die dünnen Fen-
stereinfassungen, der Mangel an Pilasterwerk und die mässige Profi-
lirung überhaupt geben jetzt dem Gebäude einen Anschein von Früh-
renaissance. Als freier Phantasiebau ohne strenge Composition wird
es mit seinen luftigen Hallen an beiden Enden und mit den in den
Garten vortretenden Altanen auf Portiken immer einen so bezaubern-
den südlichen Eindruck machen, wie kaum ein anderer grosser Palast
Italiens. Die mit Hallen bedeckten Treppen am Ende des Gartens
und die Brunnen mit Ausnahme eines sind aus derselben Zeit 1).

1) *Gleichzeitig: Pal. Mari, ehemals Odero, nicht die Fronte gegen Str. nuovis-
sima, sondern der obere Hof, in welchen man von der Salita del Castelletto
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[348/0370] Architektur von 1540 bis 1580. mürrischen Rustica Ernst gemacht, sei es dass der Baumeister oder dass San Carlo selber für diesen Hof den Charakter einer düstern Majestät verlangte; nur ein unteres und ein oberes Stockwerk, aber von enormer Höhe; die Bauglieder (Schlussteine, Consolen, Gebälk- theile etc.) nicht classisch, sondern in angemessener barocker Umbil- dung gegeben. Der hintere Hof und die Fassade gegen Piazza Fontana später, ebenfalls tüchtig. Aus derselben Zeit ist der Hof des erzbischöflichen Seminars, von Giuseppe Meda, eine schöne, unten dorische, oben ionische Doppelhalle, mit geradem Gebälk, deren Säulen abwechselnd enge und weite Intervalle haben. — Vincenzo Seregno’s Collegio de’ nobili (auf Piazza de’ mercanti), vom Jahr 1564, erinnert in der Behandlung der untern Stützen schon sehr an Galeazzo Alessi, dessen mai- ländische Bauten nun im Zusammenhang mit den genuesischen zu besprechen sein werden. b In dieser Zeit (1540—1600) setzte sich nämlich auch der Typus der genuesischen Paläste, hauptsächlich durch oberitalienische Bau- meister fest, welchem dann Alessi seine volle Ausbildung gab. Noch ausserhalb der Linie steht gewissermassen der grosse Pa- last, den Gio. Angelo Montorsoli (seit 1529?) für den berühmten Andrea Doria baute. Von Architektonischem ist hier nur das Noth- wendige gegeben, indem die Hauptwirkung der (jetzt aussen fast durchgängig verlorenen und durch gelben Anstrich ersetzten) Bema- lung mit Figuren und Historien vorbehalten war. Die dünnen Fen- stereinfassungen, der Mangel an Pilasterwerk und die mässige Profi- lirung überhaupt geben jetzt dem Gebäude einen Anschein von Früh- renaissance. Als freier Phantasiebau ohne strenge Composition wird es mit seinen luftigen Hallen an beiden Enden und mit den in den Garten vortretenden Altanen auf Portiken immer einen so bezaubern- den südlichen Eindruck machen, wie kaum ein anderer grosser Palast Italiens. Die mit Hallen bedeckten Treppen am Ende des Gartens und die Brunnen mit Ausnahme eines sind aus derselben Zeit 1). 1) Gleichzeitig: Pal. Mari, ehemals Odero, nicht die Fronte gegen Str. nuovis- sima, sondern der obere Hof, in welchen man von der Salita del Castelletto

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/370>, abgerufen am 18.05.2024.