Die paduanische Sitte zwang ihn, noch drei andere Kuppeln rechts, links und hinten beizufügen, die er zwar etwas kleiner und weniger schlank als die mittlere bildete; gleichwohl sind sie derselben im Wege, decken sich, schneiden sich unschön und tragen zur Wirkung des Innern sehr wenig bei. Immerhin sind die Thorheiten der Bau- meister des Santo nach Kräften vermieden. Eine auffallend geringe, rohe Bildung und dunkle Färbung der Pilastercapitäle, auch der Ge- simse macht es nöthig, das Auge etwas an dieses Innere zu gewöhnen welches nicht nur an Grösse, sondern auch an Wohlräumigkeit eines der ersten der goldenen Zeit ist.
Aussen ist die Fassade noch nicht incrustirt. Die Seitenschiffe haben lauter einzelne Flachgiebel, den grossen Tonnengewölben des Innern entsprechend.
Seit der Mitte des Jahrhunderts wurde dann von Andrea della aValle und Agostino Righetto der jetzige Dom zu Padua erbaut. Dass ein Entwarf von Michelangelo zu Grunde liege, ist kaum glaub- lich, da die Verwandtschaft mit den nahen oberitalischen Bauten viel grösser ist, als diejenige mit den seinigen; wohl aber mag man bei der Behandlung der kuppeltragenden Tonnengewölbe und ihrer Eck- räume auf sein Modell von S. Peter hingeblickt haben, welches damals einen noch ganz frischen Ruhm genoss. Das Langhaus wird zuerst durch ein kürzeres Querschiff mit kleinerer Kuppel unterbrochen, dann durch ein grösseres mit einer (modernen) höhern Kuppel und runden Abschlüssen. Die Seitenschiffe sind lauter kleine Kuppelräume mit anstossenden Capellen. Die Bildung der Pilastercapitäle und Gesimse zeigen die Übelstände derjenigen von S. Giustina in noch höherm Grade.
Die Wirkung dieses Innern hängt, wie bei so vielen Kirchen, vom Schliessen und Öffnen der Vorhänge ab. Hat man die Kirche bei ge- schlossenen Vorhängen der Kuppelfenster und offenen der (weitherab- reichenden) Chorfenster gesehen, so glaubt man in ein ganz anderes Gebäude zu treten, wenn das Verhältniss ein entgegengesetztes ist. Die Bequemlichkeit der Sacristane, welche sich mit den Vorhängen in der Kuppel nicht gerne abgeben, raubt bisweilen einem Gebäude jahrelang seine beste Bedeutung. -- Die Fassade ebenfalls nackt.
Hochrenaissance. Padua.
Die paduanische Sitte zwang ihn, noch drei andere Kuppeln rechts, links und hinten beizufügen, die er zwar etwas kleiner und weniger schlank als die mittlere bildete; gleichwohl sind sie derselben im Wege, decken sich, schneiden sich unschön und tragen zur Wirkung des Innern sehr wenig bei. Immerhin sind die Thorheiten der Bau- meister des Santo nach Kräften vermieden. Eine auffallend geringe, rohe Bildung und dunkle Färbung der Pilastercapitäle, auch der Ge- simse macht es nöthig, das Auge etwas an dieses Innere zu gewöhnen welches nicht nur an Grösse, sondern auch an Wohlräumigkeit eines der ersten der goldenen Zeit ist.
Aussen ist die Fassade noch nicht incrustirt. Die Seitenschiffe haben lauter einzelne Flachgiebel, den grossen Tonnengewölben des Innern entsprechend.
Seit der Mitte des Jahrhunderts wurde dann von Andrea della aValle und Agostino Righetto der jetzige Dom zu Padua erbaut. Dass ein Entwarf von Michelangelo zu Grunde liege, ist kaum glaub- lich, da die Verwandtschaft mit den nahen oberitalischen Bauten viel grösser ist, als diejenige mit den seinigen; wohl aber mag man bei der Behandlung der kuppeltragenden Tonnengewölbe und ihrer Eck- räume auf sein Modell von S. Peter hingeblickt haben, welches damals einen noch ganz frischen Ruhm genoss. Das Langhaus wird zuerst durch ein kürzeres Querschiff mit kleinerer Kuppel unterbrochen, dann durch ein grösseres mit einer (modernen) höhern Kuppel und runden Abschlüssen. Die Seitenschiffe sind lauter kleine Kuppelräume mit anstossenden Capellen. Die Bildung der Pilastercapitäle und Gesimse zeigen die Übelstände derjenigen von S. Giustina in noch höherm Grade.
Die Wirkung dieses Innern hängt, wie bei so vielen Kirchen, vom Schliessen und Öffnen der Vorhänge ab. Hat man die Kirche bei ge- schlossenen Vorhängen der Kuppelfenster und offenen der (weitherab- reichenden) Chorfenster gesehen, so glaubt man in ein ganz anderes Gebäude zu treten, wenn das Verhältniss ein entgegengesetztes ist. Die Bequemlichkeit der Sacristane, welche sich mit den Vorhängen in der Kuppel nicht gerne abgeben, raubt bisweilen einem Gebäude jahrelang seine beste Bedeutung. — Die Fassade ebenfalls nackt.
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Hochrenaissance. Padua.
Die paduanische Sitte zwang ihn, noch drei andere Kuppeln rechts,
links und hinten beizufügen, die er zwar etwas kleiner und weniger
schlank als die mittlere bildete; gleichwohl sind sie derselben im
Wege, decken sich, schneiden sich unschön und tragen zur Wirkung
des Innern sehr wenig bei. Immerhin sind die Thorheiten der Bau-
meister des Santo nach Kräften vermieden. Eine auffallend geringe,
rohe Bildung und dunkle Färbung der Pilastercapitäle, auch der Ge-
simse macht es nöthig, das Auge etwas an dieses Innere zu gewöhnen
welches nicht nur an Grösse, sondern auch an Wohlräumigkeit eines
der ersten der goldenen Zeit ist.
Aussen ist die Fassade noch nicht incrustirt. Die Seitenschiffe
haben lauter einzelne Flachgiebel, den grossen Tonnengewölben des
Innern entsprechend.
Seit der Mitte des Jahrhunderts wurde dann von Andrea della
Valle und Agostino Righetto der jetzige Dom zu Padua erbaut.
Dass ein Entwarf von Michelangelo zu Grunde liege, ist kaum glaub-
lich, da die Verwandtschaft mit den nahen oberitalischen Bauten viel
grösser ist, als diejenige mit den seinigen; wohl aber mag man bei
der Behandlung der kuppeltragenden Tonnengewölbe und ihrer Eck-
räume auf sein Modell von S. Peter hingeblickt haben, welches damals
einen noch ganz frischen Ruhm genoss. Das Langhaus wird zuerst
durch ein kürzeres Querschiff mit kleinerer Kuppel unterbrochen, dann
durch ein grösseres mit einer (modernen) höhern Kuppel und runden
Abschlüssen. Die Seitenschiffe sind lauter kleine Kuppelräume mit
anstossenden Capellen. Die Bildung der Pilastercapitäle und Gesimse
zeigen die Übelstände derjenigen von S. Giustina in noch höherm Grade.
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Die Wirkung dieses Innern hängt, wie bei so vielen Kirchen, vom
Schliessen und Öffnen der Vorhänge ab. Hat man die Kirche bei ge-
schlossenen Vorhängen der Kuppelfenster und offenen der (weitherab-
reichenden) Chorfenster gesehen, so glaubt man in ein ganz anderes
Gebäude zu treten, wenn das Verhältniss ein entgegengesetztes ist.
Die Bequemlichkeit der Sacristane, welche sich mit den Vorhängen
in der Kuppel nicht gerne abgeben, raubt bisweilen einem Gebäude
jahrelang seine beste Bedeutung. — Die Fassade ebenfalls nackt.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/342>, abgerufen am 19.12.2024.
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