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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Hochrenaissance. Bramante's Nachfolger.
ganz besonderer Bedeutung. Die runde Form (vgl. S. 303) sollte sich
an diesem so kleinen Bau in den verschiedensten Graden und Ab-
sichten wiederholen und spiegeln, als Hauptrunde des Kernbaues, des
Umganges, des grössern Porticus, als Kuppel, dann als Nische des
Innern, des Äussern, der Porticuswand und selbst der Porticuscapellen
-- Alles streng zu einem Ganzen geschlossen. Das Nischenwerk der
bisherigen Renaissance erscheint gegen diese systematische Aufnahme
und Erweiterung altrömischen Thermen- und Palastbaues gehalten
wie ein blosser befangener Versuch.


Ohne dass sich eine eigentliche Schule an Bramante angeschlos-
sen hätte (womit es sich in der Baukunst überhaupt anders verhält
als in Sculptur und Malerei), lernten doch die Meister des XVI. Jahr-
hunderts alle von ihm. Ganz besonders hatte er in dem Grundriss
von S. Peter, den man (was Kuppelraum und Kreuzarme betrifft) viel-
fach änderte aber nie völlig umstiess, ein Programm grandiosen Pfei-
lerbaues mit Nischen aufgestellt, wonach alle Künftigen sich zu achten
hatten. Die toscanische Schule, mit all ihren bisherigen Kuppeln und
Gewölbekirchen, war hier durch ein neues System der Massenbelebung,
ein neues Verhältniss von Nischen und Eckpilastern überflügelt; sie
hatte sich noch immer stellenweise auf den Säulenbau verlassen; Bra-
mante gab ihn im Wesentlichen auf.

Seine Pfeiler mit Pilastern, wenigstens an Aussenbauten, sind viel-
leicht die einfachsten, welche die Renaissance gebildet, ohne Canne-
lüren, mit nur sehr gedämpftem Blattwerk etc. der Capitäle; und
wenn die Schönheit in der vollkommenen Harmonie des Einzelnen
zum Ganzen besteht, so sind sie auch die schönsten.

Allein schon die nächsten Nachfolger begnügten sich damit nicht
gerne. Sie behielten aus der frühern Renaissance die Wandsäulen,
wenigstens zur Fensterbekleidung bei, auch wohl zur Wandbekleidung.
Demgemäss traten dann auch die betreffenden Gesimse weit und stark-
schattig hervor. Man vergass zu leicht das, wovon der grosse Meister
allein ein völlig klares Bewusstsein scheint gehabt zu haben: dass näm-
lich einem abgeleiteten, mittelbaren Styl wie dieser, sobald die Zeit
der naiven Decoration vorüber ist, nur die gemessenste Strenge und

Hochrenaissance. Bramante’s Nachfolger.
ganz besonderer Bedeutung. Die runde Form (vgl. S. 303) sollte sich
an diesem so kleinen Bau in den verschiedensten Graden und Ab-
sichten wiederholen und spiegeln, als Hauptrunde des Kernbaues, des
Umganges, des grössern Porticus, als Kuppel, dann als Nische des
Innern, des Äussern, der Porticuswand und selbst der Porticuscapellen
— Alles streng zu einem Ganzen geschlossen. Das Nischenwerk der
bisherigen Renaissance erscheint gegen diese systematische Aufnahme
und Erweiterung altrömischen Thermen- und Palastbaues gehalten
wie ein blosser befangener Versuch.


Ohne dass sich eine eigentliche Schule an Bramante angeschlos-
sen hätte (womit es sich in der Baukunst überhaupt anders verhält
als in Sculptur und Malerei), lernten doch die Meister des XVI. Jahr-
hunderts alle von ihm. Ganz besonders hatte er in dem Grundriss
von S. Peter, den man (was Kuppelraum und Kreuzarme betrifft) viel-
fach änderte aber nie völlig umstiess, ein Programm grandiosen Pfei-
lerbaues mit Nischen aufgestellt, wonach alle Künftigen sich zu achten
hatten. Die toscanische Schule, mit all ihren bisherigen Kuppeln und
Gewölbekirchen, war hier durch ein neues System der Massenbelebung,
ein neues Verhältniss von Nischen und Eckpilastern überflügelt; sie
hatte sich noch immer stellenweise auf den Säulenbau verlassen; Bra-
mante gab ihn im Wesentlichen auf.

Seine Pfeiler mit Pilastern, wenigstens an Aussenbauten, sind viel-
leicht die einfachsten, welche die Renaissance gebildet, ohne Canne-
lüren, mit nur sehr gedämpftem Blattwerk etc. der Capitäle; und
wenn die Schönheit in der vollkommenen Harmonie des Einzelnen
zum Ganzen besteht, so sind sie auch die schönsten.

Allein schon die nächsten Nachfolger begnügten sich damit nicht
gerne. Sie behielten aus der frühern Renaissance die Wandsäulen,
wenigstens zur Fensterbekleidung bei, auch wohl zur Wandbekleidung.
Demgemäss traten dann auch die betreffenden Gesimse weit und stark-
schattig hervor. Man vergass zu leicht das, wovon der grosse Meister
allein ein völlig klares Bewusstsein scheint gehabt zu haben: dass näm-
lich einem abgeleiteten, mittelbaren Styl wie dieser, sobald die Zeit
der naiven Decoration vorüber ist, nur die gemessenste Strenge und

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[308/0330] Hochrenaissance. Bramante’s Nachfolger. ganz besonderer Bedeutung. Die runde Form (vgl. S. 303) sollte sich an diesem so kleinen Bau in den verschiedensten Graden und Ab- sichten wiederholen und spiegeln, als Hauptrunde des Kernbaues, des Umganges, des grössern Porticus, als Kuppel, dann als Nische des Innern, des Äussern, der Porticuswand und selbst der Porticuscapellen — Alles streng zu einem Ganzen geschlossen. Das Nischenwerk der bisherigen Renaissance erscheint gegen diese systematische Aufnahme und Erweiterung altrömischen Thermen- und Palastbaues gehalten wie ein blosser befangener Versuch. Ohne dass sich eine eigentliche Schule an Bramante angeschlos- sen hätte (womit es sich in der Baukunst überhaupt anders verhält als in Sculptur und Malerei), lernten doch die Meister des XVI. Jahr- hunderts alle von ihm. Ganz besonders hatte er in dem Grundriss von S. Peter, den man (was Kuppelraum und Kreuzarme betrifft) viel- fach änderte aber nie völlig umstiess, ein Programm grandiosen Pfei- lerbaues mit Nischen aufgestellt, wonach alle Künftigen sich zu achten hatten. Die toscanische Schule, mit all ihren bisherigen Kuppeln und Gewölbekirchen, war hier durch ein neues System der Massenbelebung, ein neues Verhältniss von Nischen und Eckpilastern überflügelt; sie hatte sich noch immer stellenweise auf den Säulenbau verlassen; Bra- mante gab ihn im Wesentlichen auf. Seine Pfeiler mit Pilastern, wenigstens an Aussenbauten, sind viel- leicht die einfachsten, welche die Renaissance gebildet, ohne Canne- lüren, mit nur sehr gedämpftem Blattwerk etc. der Capitäle; und wenn die Schönheit in der vollkommenen Harmonie des Einzelnen zum Ganzen besteht, so sind sie auch die schönsten. Allein schon die nächsten Nachfolger begnügten sich damit nicht gerne. Sie behielten aus der frühern Renaissance die Wandsäulen, wenigstens zur Fensterbekleidung bei, auch wohl zur Wandbekleidung. Demgemäss traten dann auch die betreffenden Gesimse weit und stark- schattig hervor. Man vergass zu leicht das, wovon der grosse Meister allein ein völlig klares Bewusstsein scheint gehabt zu haben: dass näm- lich einem abgeleiteten, mittelbaren Styl wie dieser, sobald die Zeit der naiven Decoration vorüber ist, nur die gemessenste Strenge und

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/330>, abgerufen am 20.12.2024.