Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite
Styl des Benvenuto Cellini.

Das gegebene Motiv war in der Regel: irgend ein kostbares Mi-
neral, hauptsächlich Agate, Jaspen, Lapislazuli, auch wohl schöne
Glasflüsse in mehr oder weniger freier, selbst phantastischer Form
zum Gefässe zu bilden und mit Henkeln, Fuss, Rand, Deckelgriff etc.
von Gold mit Email oder Edelsteinen zu versehen; oder man fasste
eine Vase von Bergkrystall mit eingeschliffenen Ornamenten oder Ge-
schichten auf dieselbe Weise ein; Seemuscheln u. dgl. erhielten meist
einen geringern Schmuck. Ausserdem giebt es noch hie und da ganz
metallene Goldschmiedearbeit mit Email und Edelsteinen aus die-
ser Zeit.

In dem vegetabilischen Ornament, in der Bildung der Arabeske
darf man hier wohl nirgends mehr die unabhängige, elastische Schön-
heit der frühern Renaissance suchen, allein innerhalb der Grenzen der
Gattung hätte diese wohl überhaupt kaum eine Stelle gefunden. Das
Wesentliche ist der vollkommene Einklang der reichen Formen und
der Farben; der Gefässprofile und der Einfassungen und Zuthaten,
der hier erreicht ist; allerdings scheinbar nur ein conventioneller Ein-
klang, der aber gleichwohl classische Gültigkeit erlangt hat. Kostbare
Steinarten, bei deren Bildung der Künstler schon auf die Form des
eben vorhandenen Stückes Rücksicht nehmen, und die er zu irgend
einem Phantasiemotiv verarbeiten musste, gestatteten in der goldenen
Einfassung nichts streng Architektonisches, auch keinen zu grossen
plastischen Reichthum, sondern verlangten gerade die delicaten Hen-
kel, Ränder etc. von Gold und Email, welche wir hier sehen. Und
zwar wechselt insgemein flacheres Email auf Gold mit Relieforna-
menten rings um die Edelsteine. In den Farben ist mit feinstem Sinn
das Richtige getroffen: zu Lapislazuli u. dgl. eine Einfassung von
Gold und Perlen; zu rothbraunem Agat eine Einfassung von weissen
Emailzierrathen und Diamanten auf schwarzem Grunde u. s. w. Eine
Hauptconsequenz der freien Gefässform aber war die phantastische
(und doch noch nicht fratzenhafte) Ausbildung einzelner Theile der
Einfassung zu Masken, Nymphen, Drachen, Thierköpfen u. dgl., und
hier scheint Benvenuto vorzüglich in seinem Elemente gewesen zu
sein. Statt der reinen Arabeske gab er Leben und Beweglichkeit.

Von den geschliffenen Crystallsachen ist einiges bloss ornamen-
tistischer Art, wie z. B. die herrlich mit Gold und Roth emaillirte

B. Cicerone. 18
Styl des Benvenuto Cellini.

Das gegebene Motiv war in der Regel: irgend ein kostbares Mi-
neral, hauptsächlich Agate, Jaspen, Lapislazuli, auch wohl schöne
Glasflüsse in mehr oder weniger freier, selbst phantastischer Form
zum Gefässe zu bilden und mit Henkeln, Fuss, Rand, Deckelgriff etc.
von Gold mit Email oder Edelsteinen zu versehen; oder man fasste
eine Vase von Bergkrystall mit eingeschliffenen Ornamenten oder Ge-
schichten auf dieselbe Weise ein; Seemuscheln u. dgl. erhielten meist
einen geringern Schmuck. Ausserdem giebt es noch hie und da ganz
metallene Goldschmiedearbeit mit Email und Edelsteinen aus die-
ser Zeit.

In dem vegetabilischen Ornament, in der Bildung der Arabeske
darf man hier wohl nirgends mehr die unabhängige, elastische Schön-
heit der frühern Renaissance suchen, allein innerhalb der Grenzen der
Gattung hätte diese wohl überhaupt kaum eine Stelle gefunden. Das
Wesentliche ist der vollkommene Einklang der reichen Formen und
der Farben; der Gefässprofile und der Einfassungen und Zuthaten,
der hier erreicht ist; allerdings scheinbar nur ein conventioneller Ein-
klang, der aber gleichwohl classische Gültigkeit erlangt hat. Kostbare
Steinarten, bei deren Bildung der Künstler schon auf die Form des
eben vorhandenen Stückes Rücksicht nehmen, und die er zu irgend
einem Phantasiemotiv verarbeiten musste, gestatteten in der goldenen
Einfassung nichts streng Architektonisches, auch keinen zu grossen
plastischen Reichthum, sondern verlangten gerade die delicaten Hen-
kel, Ränder etc. von Gold und Email, welche wir hier sehen. Und
zwar wechselt insgemein flacheres Email auf Gold mit Relieforna-
menten rings um die Edelsteine. In den Farben ist mit feinstem Sinn
das Richtige getroffen: zu Lapislazuli u. dgl. eine Einfassung von
Gold und Perlen; zu rothbraunem Agat eine Einfassung von weissen
Emailzierrathen und Diamanten auf schwarzem Grunde u. s. w. Eine
Hauptconsequenz der freien Gefässform aber war die phantastische
(und doch noch nicht fratzenhafte) Ausbildung einzelner Theile der
Einfassung zu Masken, Nymphen, Drachen, Thierköpfen u. dgl., und
hier scheint Benvenuto vorzüglich in seinem Elemente gewesen zu
sein. Statt der reinen Arabeske gab er Leben und Beweglichkeit.

Von den geschliffenen Crystallsachen ist einiges bloss ornamen-
tistischer Art, wie z. B. die herrlich mit Gold und Roth emaillirte

B. Cicerone. 18
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0295" n="273"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Styl des Benvenuto Cellini.</hi> </fw><lb/>
        <p>Das gegebene Motiv war in der Regel: irgend ein kostbares Mi-<lb/>
neral, hauptsächlich Agate, Jaspen, Lapislazuli, auch wohl schöne<lb/>
Glasflüsse in mehr oder weniger freier, selbst phantastischer Form<lb/>
zum Gefässe zu bilden und mit Henkeln, Fuss, Rand, Deckelgriff etc.<lb/>
von Gold mit Email oder Edelsteinen zu versehen; oder man fasste<lb/>
eine Vase von Bergkrystall mit eingeschliffenen Ornamenten oder Ge-<lb/>
schichten auf dieselbe Weise ein; Seemuscheln u. dgl. erhielten meist<lb/>
einen geringern Schmuck. Ausserdem giebt es noch hie und da ganz<lb/>
metallene Goldschmiedearbeit mit Email und Edelsteinen aus die-<lb/>
ser Zeit.</p><lb/>
        <p>In dem vegetabilischen Ornament, in der Bildung der Arabeske<lb/>
darf man hier wohl nirgends mehr die unabhängige, elastische Schön-<lb/>
heit der frühern Renaissance suchen, allein innerhalb der Grenzen der<lb/>
Gattung hätte diese wohl überhaupt kaum eine Stelle gefunden. Das<lb/>
Wesentliche ist der vollkommene Einklang der reichen Formen und<lb/>
der Farben; der Gefässprofile und der Einfassungen und Zuthaten,<lb/>
der hier erreicht ist; allerdings scheinbar nur ein conventioneller Ein-<lb/>
klang, der aber gleichwohl classische Gültigkeit erlangt hat. Kostbare<lb/>
Steinarten, bei deren Bildung der Künstler schon auf die Form des<lb/>
eben vorhandenen Stückes Rücksicht nehmen, und die er zu irgend<lb/>
einem Phantasiemotiv verarbeiten musste, gestatteten in der goldenen<lb/>
Einfassung nichts streng Architektonisches, auch keinen zu grossen<lb/>
plastischen Reichthum, sondern verlangten gerade die delicaten Hen-<lb/>
kel, Ränder etc. von Gold und Email, welche wir hier sehen. Und<lb/>
zwar wechselt insgemein flacheres Email auf Gold mit Relieforna-<lb/>
menten rings um die Edelsteine. In den Farben ist mit feinstem Sinn<lb/>
das Richtige getroffen: zu Lapislazuli u. dgl. eine Einfassung von<lb/>
Gold und Perlen; zu rothbraunem Agat eine Einfassung von weissen<lb/>
Emailzierrathen und Diamanten auf schwarzem Grunde u. s. w. Eine<lb/>
Hauptconsequenz der freien Gefässform aber war die phantastische<lb/>
(und doch noch nicht fratzenhafte) Ausbildung einzelner Theile der<lb/>
Einfassung zu Masken, Nymphen, Drachen, Thierköpfen u. dgl., und<lb/>
hier scheint Benvenuto vorzüglich in seinem Elemente gewesen zu<lb/>
sein. Statt der reinen Arabeske gab er Leben und Beweglichkeit.</p><lb/>
        <p>Von den geschliffenen Crystallsachen ist einiges bloss ornamen-<lb/>
tistischer Art, wie z. B. die herrlich mit Gold und Roth emaillirte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#i">B. Cicerone.</hi> 18</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0295] Styl des Benvenuto Cellini. Das gegebene Motiv war in der Regel: irgend ein kostbares Mi- neral, hauptsächlich Agate, Jaspen, Lapislazuli, auch wohl schöne Glasflüsse in mehr oder weniger freier, selbst phantastischer Form zum Gefässe zu bilden und mit Henkeln, Fuss, Rand, Deckelgriff etc. von Gold mit Email oder Edelsteinen zu versehen; oder man fasste eine Vase von Bergkrystall mit eingeschliffenen Ornamenten oder Ge- schichten auf dieselbe Weise ein; Seemuscheln u. dgl. erhielten meist einen geringern Schmuck. Ausserdem giebt es noch hie und da ganz metallene Goldschmiedearbeit mit Email und Edelsteinen aus die- ser Zeit. In dem vegetabilischen Ornament, in der Bildung der Arabeske darf man hier wohl nirgends mehr die unabhängige, elastische Schön- heit der frühern Renaissance suchen, allein innerhalb der Grenzen der Gattung hätte diese wohl überhaupt kaum eine Stelle gefunden. Das Wesentliche ist der vollkommene Einklang der reichen Formen und der Farben; der Gefässprofile und der Einfassungen und Zuthaten, der hier erreicht ist; allerdings scheinbar nur ein conventioneller Ein- klang, der aber gleichwohl classische Gültigkeit erlangt hat. Kostbare Steinarten, bei deren Bildung der Künstler schon auf die Form des eben vorhandenen Stückes Rücksicht nehmen, und die er zu irgend einem Phantasiemotiv verarbeiten musste, gestatteten in der goldenen Einfassung nichts streng Architektonisches, auch keinen zu grossen plastischen Reichthum, sondern verlangten gerade die delicaten Hen- kel, Ränder etc. von Gold und Email, welche wir hier sehen. Und zwar wechselt insgemein flacheres Email auf Gold mit Relieforna- menten rings um die Edelsteine. In den Farben ist mit feinstem Sinn das Richtige getroffen: zu Lapislazuli u. dgl. eine Einfassung von Gold und Perlen; zu rothbraunem Agat eine Einfassung von weissen Emailzierrathen und Diamanten auf schwarzem Grunde u. s. w. Eine Hauptconsequenz der freien Gefässform aber war die phantastische (und doch noch nicht fratzenhafte) Ausbildung einzelner Theile der Einfassung zu Masken, Nymphen, Drachen, Thierköpfen u. dgl., und hier scheint Benvenuto vorzüglich in seinem Elemente gewesen zu sein. Statt der reinen Arabeske gab er Leben und Beweglichkeit. Von den geschliffenen Crystallsachen ist einiges bloss ornamen- tistischer Art, wie z. B. die herrlich mit Gold und Roth emaillirte B. Cicerone. 18

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/295
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/295>, abgerufen am 18.12.2024.