Die Rücken der Chorstühle in S. Maria novella, eine (frühe) Ar-a beit des Baccio d'Agnolo (s. unten) beschliessen das XV. Jahr- hundert in dieser Gattung glanzvoll, mit einer Reihenfolge der reinsten und vorzüglichsten Arabesken. (Auch die aufgesetzten Pilaster Intar- sia. -- Die Stühle selbst später nach einer Zeichnung des Vasari er- neuert). -- Jedenfalls erst XVI. Jahrhundert: der mit weiss und Goldb bemalte Orgellettner in S. M. Maddalena de' Pazzi. -- Aus der Mitte dieses Jahrhunderts stammt wohl die Thür, welche jetzt in den Uffi-c zien (Gang der toskanischen Sculptur) angebracht ist; lauter starkes, im neuen Sinn antikisirendes Reliefornament, aber noch von schöner Bildung 1). -- Noch das Stuhlwerk in der Hauptkirche der Certosad und die vom Jahr 1590 datirte Thür offenbaren einen gewissen Wider- stand gegen den andringenden Barockstyl. -- Von den Arbeiten des XVII. Jahrhunderts zeigen z. B. die Beichtstühle und Thüren in S. Mic-e chele e Gaetano diesen Styl zwar siegreich, aber besonders tüchtig und ernst gehandhabt.
Ferner ist Florenz der classische Ort für Bilderrahmen; hier erfährt man am vollständigsten, wie die grossen Maler (und auch die Bildhauer) des XV. Jahrhunderts ihre Werke eingefasst wissen wollen. Das Kunstwerk steht in einem mehr oder weniger architektonischen Sacellum von einer Staffel, zwei Pilastern und einem oft reich bekrön- ten Obergesimse, die Pilaster mit Reliefarabesken insgemein Gold auf Blau, das Gesimse mit ganz vergoldeten; bei Nischen für Sculpturen kommt noch sonstiger baulicher Schmuck hinzu. Der grösste Schatz dieser Art sind die Rahmen der meisten Altargemälde im Querschifff und Hinterbau von S. Spirito; hier allein kann man inne werden, wesshalb ein Sandro, ein Filippino in glatten oder wenig verzierten goldenen Hohlrahmen keinen ganz vollständigen Eindruck macht, in- dem nur diese Prachteinfassung das überreiche Leben des Bildes schön ausklingen lässt 2). Andere vorzügliche Rahmen u. a. in S. M. Mad-
1) Die Decoration der Bibl. Laurenziana siehe unten bei Anlass der Bauten Michel-Angelo's.
2) Noch deutlicher wird ein ähnliches Verhältniss zugestanden in den Marmor- rahmen einiger altvenezianischen Altarbilder, wo der Rahmen die perspecti- visch berechnete Fortsetzung der im Bilde dargestellten Architektur ist; man sieht von der Nische hinter dem Marienthron her die beiden (gemalten) Bo-
Florenz.
Die Rücken der Chorstühle in S. Maria novella, eine (frühe) Ar-a beit des Baccio d’Agnolo (s. unten) beschliessen das XV. Jahr- hundert in dieser Gattung glanzvoll, mit einer Reihenfolge der reinsten und vorzüglichsten Arabesken. (Auch die aufgesetzten Pilaster Intar- sia. — Die Stühle selbst später nach einer Zeichnung des Vasari er- neuert). — Jedenfalls erst XVI. Jahrhundert: der mit weiss und Goldb bemalte Orgellettner in S. M. Maddalena de’ Pazzi. — Aus der Mitte dieses Jahrhunderts stammt wohl die Thür, welche jetzt in den Uffi-c zien (Gang der toskanischen Sculptur) angebracht ist; lauter starkes, im neuen Sinn antikisirendes Reliefornament, aber noch von schöner Bildung 1). — Noch das Stuhlwerk in der Hauptkirche der Certosad und die vom Jahr 1590 datirte Thür offenbaren einen gewissen Wider- stand gegen den andringenden Barockstyl. — Von den Arbeiten des XVII. Jahrhunderts zeigen z. B. die Beichtstühle und Thüren in S. Mic-e chele e Gaetano diesen Styl zwar siegreich, aber besonders tüchtig und ernst gehandhabt.
Ferner ist Florenz der classische Ort für Bilderrahmen; hier erfährt man am vollständigsten, wie die grossen Maler (und auch die Bildhauer) des XV. Jahrhunderts ihre Werke eingefasst wissen wollen. Das Kunstwerk steht in einem mehr oder weniger architektonischen Sacellum von einer Staffel, zwei Pilastern und einem oft reich bekrön- ten Obergesimse, die Pilaster mit Reliefarabesken insgemein Gold auf Blau, das Gesimse mit ganz vergoldeten; bei Nischen für Sculpturen kommt noch sonstiger baulicher Schmuck hinzu. Der grösste Schatz dieser Art sind die Rahmen der meisten Altargemälde im Querschifff und Hinterbau von S. Spirito; hier allein kann man inne werden, wesshalb ein Sandro, ein Filippino in glatten oder wenig verzierten goldenen Hohlrahmen keinen ganz vollständigen Eindruck macht, in- dem nur diese Prachteinfassung das überreiche Leben des Bildes schön ausklingen lässt 2). Andere vorzügliche Rahmen u. a. in S. M. Mad-
1) Die Decoration der Bibl. Laurenziana siehe unten bei Anlass der Bauten Michel-Angelo’s.
2) Noch deutlicher wird ein ähnliches Verhältniss zugestanden in den Marmor- rahmen einiger altvenezianischen Altarbilder, wo der Rahmen die perspecti- visch berechnete Fortsetzung der im Bilde dargestellten Architektur ist; man sieht von der Nische hinter dem Marienthron her die beiden (gemalten) Bo-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0283"n="261"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Florenz.</hi></fw><lb/><p>Die Rücken der Chorstühle in S. Maria novella, eine (frühe) Ar-<noteplace="right">a</note><lb/>
beit des <hirendition="#g">Baccio d’Agnolo</hi> (s. unten) beschliessen das XV. Jahr-<lb/>
hundert in dieser Gattung glanzvoll, mit einer Reihenfolge der reinsten<lb/>
und vorzüglichsten Arabesken. (Auch die aufgesetzten Pilaster Intar-<lb/>
sia. — Die Stühle selbst später nach einer Zeichnung des Vasari er-<lb/>
neuert). — Jedenfalls erst XVI. Jahrhundert: der mit weiss und Gold<noteplace="right">b</note><lb/>
bemalte Orgellettner in S. M. Maddalena de’ Pazzi. — Aus der Mitte<lb/>
dieses Jahrhunderts stammt wohl die Thür, welche jetzt in den Uffi-<noteplace="right">c</note><lb/>
zien (Gang der toskanischen Sculptur) angebracht ist; lauter starkes,<lb/>
im neuen Sinn antikisirendes Reliefornament, aber noch von schöner<lb/>
Bildung <noteplace="foot"n="1)">Die Decoration der Bibl. Laurenziana siehe unten bei Anlass der Bauten<lb/>
Michel-Angelo’s.</note>. — Noch das Stuhlwerk in der Hauptkirche der Certosa<noteplace="right">d</note><lb/>
und die vom Jahr 1590 datirte Thür offenbaren einen gewissen Wider-<lb/>
stand gegen den andringenden Barockstyl. — Von den Arbeiten des<lb/>
XVII. Jahrhunderts zeigen z. B. die Beichtstühle und Thüren in S. Mic-<noteplace="right">e</note><lb/>
chele e Gaetano diesen Styl zwar siegreich, aber besonders tüchtig<lb/>
und ernst gehandhabt.</p><lb/><p>Ferner ist Florenz der classische Ort für <hirendition="#g">Bilderrahmen</hi>; hier<lb/>
erfährt man am vollständigsten, wie die grossen Maler (und auch die<lb/>
Bildhauer) des XV. Jahrhunderts ihre Werke eingefasst wissen wollen.<lb/>
Das Kunstwerk steht in einem mehr oder weniger architektonischen<lb/>
Sacellum von einer Staffel, zwei Pilastern und einem oft reich bekrön-<lb/>
ten Obergesimse, die Pilaster mit Reliefarabesken insgemein Gold auf<lb/>
Blau, das Gesimse mit ganz vergoldeten; bei Nischen für Sculpturen<lb/>
kommt noch sonstiger baulicher Schmuck hinzu. Der grösste Schatz<lb/>
dieser Art sind die Rahmen der meisten Altargemälde im Querschiff<noteplace="right">f</note><lb/>
und Hinterbau von S. Spirito; hier allein kann man inne werden,<lb/>
wesshalb ein Sandro, ein Filippino in glatten oder wenig verzierten<lb/>
goldenen Hohlrahmen keinen ganz vollständigen Eindruck macht, in-<lb/>
dem nur diese Prachteinfassung das überreiche Leben des Bildes schön<lb/>
ausklingen lässt <notexml:id="seg2pn_10_1"next="#seg2pn_10_2"place="foot"n="2)">Noch deutlicher wird ein ähnliches Verhältniss zugestanden in den Marmor-<lb/>
rahmen einiger altvenezianischen Altarbilder, wo der Rahmen die perspecti-<lb/>
visch berechnete Fortsetzung der im Bilde dargestellten Architektur ist; man<lb/>
sieht von der Nische hinter dem Marienthron her die beiden (gemalten) Bo-</note>. Andere vorzügliche Rahmen u. a. in S. M. Mad-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[261/0283]
Florenz.
Die Rücken der Chorstühle in S. Maria novella, eine (frühe) Ar-
beit des Baccio d’Agnolo (s. unten) beschliessen das XV. Jahr-
hundert in dieser Gattung glanzvoll, mit einer Reihenfolge der reinsten
und vorzüglichsten Arabesken. (Auch die aufgesetzten Pilaster Intar-
sia. — Die Stühle selbst später nach einer Zeichnung des Vasari er-
neuert). — Jedenfalls erst XVI. Jahrhundert: der mit weiss und Gold
bemalte Orgellettner in S. M. Maddalena de’ Pazzi. — Aus der Mitte
dieses Jahrhunderts stammt wohl die Thür, welche jetzt in den Uffi-
zien (Gang der toskanischen Sculptur) angebracht ist; lauter starkes,
im neuen Sinn antikisirendes Reliefornament, aber noch von schöner
Bildung 1). — Noch das Stuhlwerk in der Hauptkirche der Certosa
und die vom Jahr 1590 datirte Thür offenbaren einen gewissen Wider-
stand gegen den andringenden Barockstyl. — Von den Arbeiten des
XVII. Jahrhunderts zeigen z. B. die Beichtstühle und Thüren in S. Mic-
chele e Gaetano diesen Styl zwar siegreich, aber besonders tüchtig
und ernst gehandhabt.
a
b
c
d
e
Ferner ist Florenz der classische Ort für Bilderrahmen; hier
erfährt man am vollständigsten, wie die grossen Maler (und auch die
Bildhauer) des XV. Jahrhunderts ihre Werke eingefasst wissen wollen.
Das Kunstwerk steht in einem mehr oder weniger architektonischen
Sacellum von einer Staffel, zwei Pilastern und einem oft reich bekrön-
ten Obergesimse, die Pilaster mit Reliefarabesken insgemein Gold auf
Blau, das Gesimse mit ganz vergoldeten; bei Nischen für Sculpturen
kommt noch sonstiger baulicher Schmuck hinzu. Der grösste Schatz
dieser Art sind die Rahmen der meisten Altargemälde im Querschiff
und Hinterbau von S. Spirito; hier allein kann man inne werden,
wesshalb ein Sandro, ein Filippino in glatten oder wenig verzierten
goldenen Hohlrahmen keinen ganz vollständigen Eindruck macht, in-
dem nur diese Prachteinfassung das überreiche Leben des Bildes schön
ausklingen lässt 2). Andere vorzügliche Rahmen u. a. in S. M. Mad-
f
1) Die Decoration der Bibl. Laurenziana siehe unten bei Anlass der Bauten
Michel-Angelo’s.
2) Noch deutlicher wird ein ähnliches Verhältniss zugestanden in den Marmor-
rahmen einiger altvenezianischen Altarbilder, wo der Rahmen die perspecti-
visch berechnete Fortsetzung der im Bilde dargestellten Architektur ist; man
sieht von der Nische hinter dem Marienthron her die beiden (gemalten) Bo-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/283>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.