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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Venedig.
Hände gewaltet haben, ausgenommen etwa an der Basis der Madonna,
welche Leopardo's nicht unwürdig wäre.)

Für alles Übrige werden bestimmte Namen überhaupt nicht oder
doch ohne genügende Sicherheit genannt, bis mit Guglielmo Ber-
gamasco
und J. Sansovino eine näher documentirte Reihe --
freilich von geringerm ornamentalem Interesse -- beginnt.

Im Dogenpalast enthalten die Sala de' Busti und die Camera aa
letto noch prächtige Marmorkamine aus der Schule der Lombardi;
über gewundenen Säulchen und herrlichen Consolen etwas zu schwere
Friese (sogar ein doppelter) und neuere Aufsätze.

Die Brunnen gaben in Venedig als blosse Cisternenmündungen
kein geeignetes Motiv zu besonderm Schmucke her; doch musste den
beiden im Hof des Marcuspalastes eine Gestalt verliehen werden, dieb
mit der Umgebung in Harmonie stand, was allerdings erst zur Zeit
der beginnenden Barockformen (1556 und 1559, durch Conti und
Alberghetti) geschah. Der eine ist ein vorzügliches Denkmal
phantastisch reicher Decoration in der Art des Benvenuto Cellini, mit
glücklicher Mischung des Zierrathes und des Figürlichen. -- Von Sa-
cristeibrunnen hat derjenige bei den Frari einen guten Marmorfries.c
-- Ein ganz einfacher und sehr guter ist in der Hofhalle der Academie
eingemauert.

Von Altären sind die beiden des Pietro Lombardo im Quer-d
schiff von S. Marco decorativ wohl die zierlichsten.

An Grabmälern hat wohl etwa der Sarcophag eine gute
Rankenverzierung (Grab Soriano in S. Stefano, links vom Portal,e
u. a. m.), dagegen sind die Arabesken der baulichen Einfassung, wie
bemerkt, selten mehr als mittelmässig. Die Einfassung selbst ist als
grosses Gerüst in der Frührenaissance meist sehr gut gedacht; ja
man könnte Denkmäler wie die Dogengräber im Chor von S. Gio-f
vanni e Paolo (Vendramin 1478, von Aless. Leopardo) und von
S. Maria de' Frari (Denkmal Tron 1472, von den Bregni) harmo-g
nischer finden als die Kirchenfassaden desselben Styles, zu welchen
die organisirende Kraft nicht ausreichte; die genannten Gräber sind
überdiess auch im Ornament gut. -- Aber mit dem XVI. Jahrhundert
wird dieses Gerüst auffallend einfacher, grösser und derber, mit vor-
tretenden Säulen, Simsen und Giebeln; die Einzeldecoration muss

Venedig.
Hände gewaltet haben, ausgenommen etwa an der Basis der Madonna,
welche Leopardo’s nicht unwürdig wäre.)

Für alles Übrige werden bestimmte Namen überhaupt nicht oder
doch ohne genügende Sicherheit genannt, bis mit Guglielmo Ber-
gamasco
und J. Sansovino eine näher documentirte Reihe —
freilich von geringerm ornamentalem Interesse — beginnt.

Im Dogenpalast enthalten die Sala de’ Busti und die Camera aa
letto noch prächtige Marmorkamine aus der Schule der Lombardi;
über gewundenen Säulchen und herrlichen Consolen etwas zu schwere
Friese (sogar ein doppelter) und neuere Aufsätze.

Die Brunnen gaben in Venedig als blosse Cisternenmündungen
kein geeignetes Motiv zu besonderm Schmucke her; doch musste den
beiden im Hof des Marcuspalastes eine Gestalt verliehen werden, dieb
mit der Umgebung in Harmonie stand, was allerdings erst zur Zeit
der beginnenden Barockformen (1556 und 1559, durch Conti und
Alberghetti) geschah. Der eine ist ein vorzügliches Denkmal
phantastisch reicher Decoration in der Art des Benvenuto Cellini, mit
glücklicher Mischung des Zierrathes und des Figürlichen. — Von Sa-
cristeibrunnen hat derjenige bei den Frari einen guten Marmorfries.c
— Ein ganz einfacher und sehr guter ist in der Hofhalle der Academie
eingemauert.

Von Altären sind die beiden des Pietro Lombardo im Quer-d
schiff von S. Marco decorativ wohl die zierlichsten.

An Grabmälern hat wohl etwa der Sarcophag eine gute
Rankenverzierung (Grab Soriano in S. Stefano, links vom Portal,e
u. a. m.), dagegen sind die Arabesken der baulichen Einfassung, wie
bemerkt, selten mehr als mittelmässig. Die Einfassung selbst ist als
grosses Gerüst in der Frührenaissance meist sehr gut gedacht; ja
man könnte Denkmäler wie die Dogengräber im Chor von S. Gio-f
vanni e Paolo (Vendramin 1478, von Aless. Leopardo) und von
S. Maria de’ Frari (Denkmal Tron 1472, von den Bregni) harmo-g
nischer finden als die Kirchenfassaden desselben Styles, zu welchen
die organisirende Kraft nicht ausreichte; die genannten Gräber sind
überdiess auch im Ornament gut. — Aber mit dem XVI. Jahrhundert
wird dieses Gerüst auffallend einfacher, grösser und derber, mit vor-
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[253/0275] Venedig. Hände gewaltet haben, ausgenommen etwa an der Basis der Madonna, welche Leopardo’s nicht unwürdig wäre.) Für alles Übrige werden bestimmte Namen überhaupt nicht oder doch ohne genügende Sicherheit genannt, bis mit Guglielmo Ber- gamasco und J. Sansovino eine näher documentirte Reihe — freilich von geringerm ornamentalem Interesse — beginnt. Im Dogenpalast enthalten die Sala de’ Busti und die Camera a letto noch prächtige Marmorkamine aus der Schule der Lombardi; über gewundenen Säulchen und herrlichen Consolen etwas zu schwere Friese (sogar ein doppelter) und neuere Aufsätze. a Die Brunnen gaben in Venedig als blosse Cisternenmündungen kein geeignetes Motiv zu besonderm Schmucke her; doch musste den beiden im Hof des Marcuspalastes eine Gestalt verliehen werden, die mit der Umgebung in Harmonie stand, was allerdings erst zur Zeit der beginnenden Barockformen (1556 und 1559, durch Conti und Alberghetti) geschah. Der eine ist ein vorzügliches Denkmal phantastisch reicher Decoration in der Art des Benvenuto Cellini, mit glücklicher Mischung des Zierrathes und des Figürlichen. — Von Sa- cristeibrunnen hat derjenige bei den Frari einen guten Marmorfries. — Ein ganz einfacher und sehr guter ist in der Hofhalle der Academie eingemauert. b c Von Altären sind die beiden des Pietro Lombardo im Quer- schiff von S. Marco decorativ wohl die zierlichsten. d An Grabmälern hat wohl etwa der Sarcophag eine gute Rankenverzierung (Grab Soriano in S. Stefano, links vom Portal, u. a. m.), dagegen sind die Arabesken der baulichen Einfassung, wie bemerkt, selten mehr als mittelmässig. Die Einfassung selbst ist als grosses Gerüst in der Frührenaissance meist sehr gut gedacht; ja man könnte Denkmäler wie die Dogengräber im Chor von S. Gio- vanni e Paolo (Vendramin 1478, von Aless. Leopardo) und von S. Maria de’ Frari (Denkmal Tron 1472, von den Bregni) harmo- nischer finden als die Kirchenfassaden desselben Styles, zu welchen die organisirende Kraft nicht ausreichte; die genannten Gräber sind überdiess auch im Ornament gut. — Aber mit dem XVI. Jahrhundert wird dieses Gerüst auffallend einfacher, grösser und derber, mit vor- tretenden Säulen, Simsen und Giebeln; die Einzeldecoration muss e f g

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/275>, abgerufen am 18.05.2024.