wenden uns über Ferrara nach Venedig und schliessen mit den Bau- ten der alten venezianischen Terraferma, bis Bergamo gerechnet. Un- endlich Vieles, zum Theil von grossem Werthe, liegt abseits in Landstädten; wir geben was wir gesehen haben.
Wie zunächst in Mailand die Renaissance begann, ist nach den starken Umbauten der folgenden Jahrhunderte schwer zu ermitteln. Einzelne florentinische Einflüsse sind wohl nachweisbar; so baute z. B. Antonio Filarete das Ospedale maggiore in Mailand, allein wie wir sahen, noch in einem vorherrschend gothischen Decorations- styl; von Michelozzo dagegen existirt hinten an S. Eustorgio einea Capelle eleganten florentinischen Styles in der Art Brunellesco's; was er an S. Pietro in Gessate beigefügt hat (Chor, Sacristei und Capitel-b haus), hat Verfasser dieses nicht gesehen. Jedenfalls beginnt die fort- laufende Reihe grösserer Bauten erst mit den Sforzas und das Be- deutendste entsteht erst unter Lodovico Moro. Und zwar hält man fast die sämmtlichen Bauten aus dem letzten Viertel des XV. Jahr- hunderts für frühere Arbeiten des grossen Bramante von Urbino, dessen Name in diesen Gegenden allerdings ein Gattungsbegriff zu werden scheint. (Bramante wurde geboren in Brunellesco's Todesjahr 1444, kam nach Mailand als Ingenieur unter Giangaleazzo Sforza 1476, ging nach Rom vor 1500 und starb daselbst 1514; er war bekanntlich Oheim oder Verwandter Rafaels.) Ohne entscheiden zu können, wie Vieles ihm wirklich angehört, stellen wir die ihm zugeschriebene Gruppe von Bauten hier zusammen; mehrere darunter offenbaren schon die freie Grossartigkeit seiner spätern, römischen Schöpfungen; andere sind noch befangener. Jedenfalls ist sein früherer Styl (diese Gebäude als die seinigen angenommen) bedingt von derjenigen reichen und üppigen Renaissance, wie sie an der Certosa von Pavia (die Fassade 1473) ihren Triumph feiert; zugleich aber muss auch der schöne und sorgfältige Backsteinbau der Lombarden (S. 151 ff.) einen grossen Ein- druck auf ihn gemacht haben.
Beides findet sich vereinigt in Chor, Kuppel und Querbau von S. Maria delle Grazie zu Mailand 1). Das Innere hat eine mo-c
1) In den umliegenden Städten und Flecken gelten u. a. als von Bramante ent- worfen oder erbaut: in Busto Arsizio: eine Rotunde; -- in Legnano: die
Mailand. Frühe Bauten Bramante’s.
wenden uns über Ferrara nach Venedig und schliessen mit den Bau- ten der alten venezianischen Terraferma, bis Bergamo gerechnet. Un- endlich Vieles, zum Theil von grossem Werthe, liegt abseits in Landstädten; wir geben was wir gesehen haben.
Wie zunächst in Mailand die Renaissance begann, ist nach den starken Umbauten der folgenden Jahrhunderte schwer zu ermitteln. Einzelne florentinische Einflüsse sind wohl nachweisbar; so baute z. B. Antonio Filarete das Ospedale maggiore in Mailand, allein wie wir sahen, noch in einem vorherrschend gothischen Decorations- styl; von Michelozzo dagegen existirt hinten an S. Eustorgio einea Capelle eleganten florentinischen Styles in der Art Brunellesco’s; was er an S. Pietro in Gessate beigefügt hat (Chor, Sacristei und Capitel-b haus), hat Verfasser dieses nicht gesehen. Jedenfalls beginnt die fort- laufende Reihe grösserer Bauten erst mit den Sforzas und das Be- deutendste entsteht erst unter Lodovico Moro. Und zwar hält man fast die sämmtlichen Bauten aus dem letzten Viertel des XV. Jahr- hunderts für frühere Arbeiten des grossen Bramante von Urbino, dessen Name in diesen Gegenden allerdings ein Gattungsbegriff zu werden scheint. (Bramante wurde geboren in Brunellesco’s Todesjahr 1444, kam nach Mailand als Ingenieur unter Giangaleazzo Sforza 1476, ging nach Rom vor 1500 und starb daselbst 1514; er war bekanntlich Oheim oder Verwandter Rafaels.) Ohne entscheiden zu können, wie Vieles ihm wirklich angehört, stellen wir die ihm zugeschriebene Gruppe von Bauten hier zusammen; mehrere darunter offenbaren schon die freie Grossartigkeit seiner spätern, römischen Schöpfungen; andere sind noch befangener. Jedenfalls ist sein früherer Styl (diese Gebäude als die seinigen angenommen) bedingt von derjenigen reichen und üppigen Renaissance, wie sie an der Certosa von Pavia (die Fassade 1473) ihren Triumph feiert; zugleich aber muss auch der schöne und sorgfältige Backsteinbau der Lombarden (S. 151 ff.) einen grossen Ein- druck auf ihn gemacht haben.
Beides findet sich vereinigt in Chor, Kuppel und Querbau von S. Maria delle Grazie zu Mailand 1). Das Innere hat eine mo-c
1) In den umliegenden Städten und Flecken gelten u. a. als von Bramante ent- worfen oder erbaut: in Busto Arsizio: eine Rotunde; — in Legnano: die
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Mailand. Frühe Bauten Bramante’s.
wenden uns über Ferrara nach Venedig und schliessen mit den Bau-
ten der alten venezianischen Terraferma, bis Bergamo gerechnet. Un-
endlich Vieles, zum Theil von grossem Werthe, liegt abseits in
Landstädten; wir geben was wir gesehen haben.
Wie zunächst in Mailand die Renaissance begann, ist nach den
starken Umbauten der folgenden Jahrhunderte schwer zu ermitteln.
Einzelne florentinische Einflüsse sind wohl nachweisbar; so baute
z. B. Antonio Filarete das Ospedale maggiore in Mailand, allein
wie wir sahen, noch in einem vorherrschend gothischen Decorations-
styl; von Michelozzo dagegen existirt hinten an S. Eustorgio eine
Capelle eleganten florentinischen Styles in der Art Brunellesco’s; was
er an S. Pietro in Gessate beigefügt hat (Chor, Sacristei und Capitel-
haus), hat Verfasser dieses nicht gesehen. Jedenfalls beginnt die fort-
laufende Reihe grösserer Bauten erst mit den Sforzas und das Be-
deutendste entsteht erst unter Lodovico Moro. Und zwar hält man
fast die sämmtlichen Bauten aus dem letzten Viertel des XV. Jahr-
hunderts für frühere Arbeiten des grossen Bramante von Urbino,
dessen Name in diesen Gegenden allerdings ein Gattungsbegriff zu
werden scheint. (Bramante wurde geboren in Brunellesco’s Todesjahr
1444, kam nach Mailand als Ingenieur unter Giangaleazzo Sforza 1476,
ging nach Rom vor 1500 und starb daselbst 1514; er war bekanntlich
Oheim oder Verwandter Rafaels.) Ohne entscheiden zu können, wie
Vieles ihm wirklich angehört, stellen wir die ihm zugeschriebene
Gruppe von Bauten hier zusammen; mehrere darunter offenbaren schon
die freie Grossartigkeit seiner spätern, römischen Schöpfungen; andere
sind noch befangener. Jedenfalls ist sein früherer Styl (diese Gebäude
als die seinigen angenommen) bedingt von derjenigen reichen und
üppigen Renaissance, wie sie an der Certosa von Pavia (die Fassade
1473) ihren Triumph feiert; zugleich aber muss auch der schöne und
sorgfältige Backsteinbau der Lombarden (S. 151 ff.) einen grossen Ein-
druck auf ihn gemacht haben.
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Beides findet sich vereinigt in Chor, Kuppel und Querbau von
S. Maria delle Grazie zu Mailand 1). Das Innere hat eine mo-
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1) In den umliegenden Städten und Flecken gelten u. a. als von Bramante ent-
worfen oder erbaut: in Busto Arsizio: eine Rotunde; — in Legnano: die
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/221>, abgerufen am 25.11.2024.
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