ist die des Caravaggio (Pal. Brignole zu Genua) immer eine der be- deutendsten Leistungen des gemeinern Naturalismus. -- Das Abend- mahl fällt gleich unwürdig aus, ob es als Genrebild oder als Affect- scene behandelt werde. Ersteres ist z. B. der Fall in dem grossen Bilde des Aless. Allori (Acad. zu Florenz), welches eine ganz schön gemalte, lebendige "Scene nach Tische" heissen kann. Bei Domenico Piola (S. Stefano in Genua, Anbau links) fehlt es nicht an Pathos aller Art, allein das "unus vestrum" geht unter in einem gesuchten Lichteffect und in den Zuthaten (Bettler, Aufwärter, Kin- der, auch ein niederschwebender Reigen von Putten). -- Im Chor von S. Martino zu Neapel sind ausser der grossen Geburt Christi von Guido vier colossale Bilder dieser Gattung zu finden, deren zum Theil berühmte Urheber doch hier nicht auf ihrer rechten Höhe erscheinen: Ribera, die Communion der Apostel; -- Caracciolo, die Fusswa- schung; -- Stanzioni, figurenreiches Abendmahl; -- Erben des Paolo Veronese, Einsetzung der Eucharistie. (So Galanti, dem ich beim Erlöschen meiner Erinnerungen folgen muss.) -- Von den Pas- sionsscenen (abgesehen von einzelnen Figuren, wie das Eccehomo, der Crucifixus) ist es hauptsächlich der Moment des Affectes im vorzugs- weisen Sinne, welcher nun tausendmal dargestellt wird: die Pieta, der vom Kreuz abgenommene Leichnam, umgeben von Maria, Johannes, Magdalena und Andern. Die Vorbilder Tizian's und Coreggio's be- rechtigten und reizten hier zur höchsten Steigerung des Ausdruckes. Wie bei der Scene unter dem Kreuze, so wird nun auch hier, dem Wirklichkeitsprincip gemäss, die Madonna fast immer ohnmächtig, d. h. der sittliche Inhalt muss mit einem pathologischen theilen. Wo die- ser Zug ausgeschlossen ist, wie z. B. in den Bildern, welche nur die Madonna mit dem Leichnam auf den Knieen darstellen (Lod. Ca- racci: im Pal. Corsini zu Rom; Annibale: im Pal. Doria und im Museum von Neapel), da ist auch der Eindruck viel reiner. -- Die bedeutendste jener vollständigern Darstellungen ist wohl die schon wegen ihrer Anordnung (S. 1025) erwähnte Mad. della Pieta des Guido (Pinacoteca von Bologna); leider hatte er den Muth nicht, diese Scene, wie Rafael seine Transfiguration in einen bestimmten obern, auf einen zweiten Augenpunkt berechneten Raum zu versetzen (etwa auf einen Hügel), sondern brachte sie als auf einer über den knieen-
Der Affect in der biblischen Geschichte.
ist die des Caravaggio (Pal. Brignole zu Genua) immer eine der be- deutendsten Leistungen des gemeinern Naturalismus. — Das Abend- mahl fällt gleich unwürdig aus, ob es als Genrebild oder als Affect- scene behandelt werde. Ersteres ist z. B. der Fall in dem grossen Bilde des Aless. Allori (Acad. zu Florenz), welches eine ganz schön gemalte, lebendige „Scene nach Tische“ heissen kann. Bei Domenico Piola (S. Stefano in Genua, Anbau links) fehlt es nicht an Pathos aller Art, allein das „unus vestrum“ geht unter in einem gesuchten Lichteffect und in den Zuthaten (Bettler, Aufwärter, Kin- der, auch ein niederschwebender Reigen von Putten). — Im Chor von S. Martino zu Neapel sind ausser der grossen Geburt Christi von Guido vier colossale Bilder dieser Gattung zu finden, deren zum Theil berühmte Urheber doch hier nicht auf ihrer rechten Höhe erscheinen: Ribera, die Communion der Apostel; — Caracciolo, die Fusswa- schung; — Stanzioni, figurenreiches Abendmahl; — Erben des Paolo Veronese, Einsetzung der Eucharistie. (So Galanti, dem ich beim Erlöschen meiner Erinnerungen folgen muss.) — Von den Pas- sionsscenen (abgesehen von einzelnen Figuren, wie das Eccehomo, der Crucifixus) ist es hauptsächlich der Moment des Affectes im vorzugs- weisen Sinne, welcher nun tausendmal dargestellt wird: die Pietà, der vom Kreuz abgenommene Leichnam, umgeben von Maria, Johannes, Magdalena und Andern. Die Vorbilder Tizian’s und Coreggio’s be- rechtigten und reizten hier zur höchsten Steigerung des Ausdruckes. Wie bei der Scene unter dem Kreuze, so wird nun auch hier, dem Wirklichkeitsprincip gemäss, die Madonna fast immer ohnmächtig, d. h. der sittliche Inhalt muss mit einem pathologischen theilen. Wo die- ser Zug ausgeschlossen ist, wie z. B. in den Bildern, welche nur die Madonna mit dem Leichnam auf den Knieen darstellen (Lod. Ca- racci: im Pal. Corsini zu Rom; Annibale: im Pal. Doria und im Museum von Neapel), da ist auch der Eindruck viel reiner. — Die bedeutendste jener vollständigern Darstellungen ist wohl die schon wegen ihrer Anordnung (S. 1025) erwähnte Mad. della Pietà des Guido (Pinacoteca von Bologna); leider hatte er den Muth nicht, diese Scene, wie Rafael seine Transfiguration in einen bestimmten obern, auf einen zweiten Augenpunkt berechneten Raum zu versetzen (etwa auf einen Hügel), sondern brachte sie als auf einer über den knieen-
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Der Affect in der biblischen Geschichte.
ist die des Caravaggio (Pal. Brignole zu Genua) immer eine der be-
deutendsten Leistungen des gemeinern Naturalismus. — Das Abend-
mahl fällt gleich unwürdig aus, ob es als Genrebild oder als Affect-
scene behandelt werde. Ersteres ist z. B. der Fall in dem grossen
Bilde des Aless. Allori (Acad. zu Florenz), welches eine ganz
schön gemalte, lebendige „Scene nach Tische“ heissen kann. Bei
Domenico Piola (S. Stefano in Genua, Anbau links) fehlt es nicht
an Pathos aller Art, allein das „unus vestrum“ geht unter in einem
gesuchten Lichteffect und in den Zuthaten (Bettler, Aufwärter, Kin-
der, auch ein niederschwebender Reigen von Putten). — Im Chor
von S. Martino zu Neapel sind ausser der grossen Geburt Christi von
Guido vier colossale Bilder dieser Gattung zu finden, deren zum Theil
berühmte Urheber doch hier nicht auf ihrer rechten Höhe erscheinen:
Ribera, die Communion der Apostel; — Caracciolo, die Fusswa-
schung; — Stanzioni, figurenreiches Abendmahl; — Erben des
Paolo Veronese, Einsetzung der Eucharistie. (So Galanti, dem
ich beim Erlöschen meiner Erinnerungen folgen muss.) — Von den Pas-
sionsscenen (abgesehen von einzelnen Figuren, wie das Eccehomo, der
Crucifixus) ist es hauptsächlich der Moment des Affectes im vorzugs-
weisen Sinne, welcher nun tausendmal dargestellt wird: die Pietà,
der vom Kreuz abgenommene Leichnam, umgeben von Maria, Johannes,
Magdalena und Andern. Die Vorbilder Tizian’s und Coreggio’s be-
rechtigten und reizten hier zur höchsten Steigerung des Ausdruckes.
Wie bei der Scene unter dem Kreuze, so wird nun auch hier, dem
Wirklichkeitsprincip gemäss, die Madonna fast immer ohnmächtig, d. h.
der sittliche Inhalt muss mit einem pathologischen theilen. Wo die-
ser Zug ausgeschlossen ist, wie z. B. in den Bildern, welche nur die
Madonna mit dem Leichnam auf den Knieen darstellen (Lod. Ca-
racci: im Pal. Corsini zu Rom; Annibale: im Pal. Doria und im
Museum von Neapel), da ist auch der Eindruck viel reiner. — Die
bedeutendste jener vollständigern Darstellungen ist wohl die schon
wegen ihrer Anordnung (S. 1025) erwähnte Mad. della Pietà des
Guido (Pinacoteca von Bologna); leider hatte er den Muth nicht,
diese Scene, wie Rafael seine Transfiguration in einen bestimmten
obern, auf einen zweiten Augenpunkt berechneten Raum zu versetzen
(etwa auf einen Hügel), sondern brachte sie als auf einer über den knieen-
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 1029. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1051>, abgerufen am 21.12.2024.
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