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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Das Colorit. Die Niederländer.
stattlich ausgemalt; der Calabrese bedeckte Chor und Kuppel desa
Carmine zu Modena mit seinen Improvisationen etc.

Von den Römern hat Sacchi ein kräftigeres und gründlicheres
Colorit als Cortona (die Messe des heil. Gregor, und S. Romuald mitb
seinen Mönchen, vatican. Galerie; Tod der S. Anna, in S. Carlo a'c
catinari, Altar links). Maratta mit aller Sorgfalt ist hierin auffallend
matt; einzelne Köpfe, wie etwa "la pittura" im Pal. Corsini, gerathend
ihm am ehesten ganz lebendig und schön; seine Madonna mit dem
schlafenden Kind, im Pal. Doria, ist auch in der Farbe der reprodu-e
cirte Guido. --

Von den Florentinern ist der schon (S. 1008) genannte Furini
unermüdlich bemüht, das Fleisch seiner weiblichen Akte immer mür-
ber und weicher darzustellen (Pal. Pitti: Schöpfung der Eva; Pal.f
Capponi: David und Abigail; Pal. Corsini: Aktfiguren und Mytho-g
logisches).

Die spätern Venezianer (S. 909) sind im besten Falle die Aus-
beuter Paolo's; Tiepolo befleissigt sich dabei eines hellen Silbertons.


Man wird vielleicht nach längerer Beobachtung mit uns der An-
sicht sein, dass die grössten Meisterwerke des Colorites, welche Italien
aus dieser ganzen Periode besitzt, ein paar Bilder von Rubens und
Murillo sind. Den Rubens kann man in Italien von seiner frühesten
Zeit, d. h. von seinem dortigen Aufenthalt an verfolgen. Die 3 grossen
Bilder im Chor der Chiesa nuova zu Rom (Madonnabild von Engelnh
umgeben, und zwei colossale Gemälde mit je 3 Heiligen) zeigen wie
seine eigenthümliche Charakteristik und sein Colorit sich loszuringen
beginnen von den verschiedenen Manieren die ihn umgaben; auch in
der Beschneidung auf dem Hochaltar von S. Ambrogio zu Genuai
kämpft er noch mit Auffassung und Farbe der Caracci; -- schon fast
ganz er selbst tritt uns entgegen in dem S. Sebastian, welchem diek
Engel die Pfeile aus den Wunden ziehen (Pal. Corsini in Rom), und
in der idyllisch naiven Auffindung des Romulus und Remus (Gal. desl
Capitols); beide Bilder mit gelblichen Fleischtönen; -- die 12 Halb-
figuren von Aposteln (Casino Rospigliosi) glaube ich für echte Werkem
schon aus seiner beinah vollendeten Zeit halten zu dürfen. -- Dann

Das Colorit. Die Niederländer.
stattlich ausgemalt; der Calabrese bedeckte Chor und Kuppel desa
Carmine zu Modena mit seinen Improvisationen etc.

Von den Römern hat Sacchi ein kräftigeres und gründlicheres
Colorit als Cortona (die Messe des heil. Gregor, und S. Romuald mitb
seinen Mönchen, vatican. Galerie; Tod der S. Anna, in S. Carlo a’c
catinari, Altar links). Maratta mit aller Sorgfalt ist hierin auffallend
matt; einzelne Köpfe, wie etwa „la pittura“ im Pal. Corsini, gerathend
ihm am ehesten ganz lebendig und schön; seine Madonna mit dem
schlafenden Kind, im Pal. Doria, ist auch in der Farbe der reprodu-e
cirte Guido. —

Von den Florentinern ist der schon (S. 1008) genannte Furini
unermüdlich bemüht, das Fleisch seiner weiblichen Akte immer mür-
ber und weicher darzustellen (Pal. Pitti: Schöpfung der Eva; Pal.f
Capponi: David und Abigail; Pal. Corsini: Aktfiguren und Mytho-g
logisches).

Die spätern Venezianer (S. 909) sind im besten Falle die Aus-
beuter Paolo’s; Tiepolo befleissigt sich dabei eines hellen Silbertons.


Man wird vielleicht nach längerer Beobachtung mit uns der An-
sicht sein, dass die grössten Meisterwerke des Colorites, welche Italien
aus dieser ganzen Periode besitzt, ein paar Bilder von Rubens und
Murillo sind. Den Rubens kann man in Italien von seiner frühesten
Zeit, d. h. von seinem dortigen Aufenthalt an verfolgen. Die 3 grossen
Bilder im Chor der Chiesa nuova zu Rom (Madonnabild von Engelnh
umgeben, und zwei colossale Gemälde mit je 3 Heiligen) zeigen wie
seine eigenthümliche Charakteristik und sein Colorit sich loszuringen
beginnen von den verschiedenen Manieren die ihn umgaben; auch in
der Beschneidung auf dem Hochaltar von S. Ambrogio zu Genuai
kämpft er noch mit Auffassung und Farbe der Caracci; — schon fast
ganz er selbst tritt uns entgegen in dem S. Sebastian, welchem diek
Engel die Pfeile aus den Wunden ziehen (Pal. Corsini in Rom), und
in der idyllisch naiven Auffindung des Romulus und Remus (Gal. desl
Capitols); beide Bilder mit gelblichen Fleischtönen; — die 12 Halb-
figuren von Aposteln (Casino Rospigliosi) glaube ich für echte Werkem
schon aus seiner beinah vollendeten Zeit halten zu dürfen. — Dann

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[1019/1041] Das Colorit. Die Niederländer. stattlich ausgemalt; der Calabrese bedeckte Chor und Kuppel des Carmine zu Modena mit seinen Improvisationen etc. a Von den Römern hat Sacchi ein kräftigeres und gründlicheres Colorit als Cortona (die Messe des heil. Gregor, und S. Romuald mit seinen Mönchen, vatican. Galerie; Tod der S. Anna, in S. Carlo a’ catinari, Altar links). Maratta mit aller Sorgfalt ist hierin auffallend matt; einzelne Köpfe, wie etwa „la pittura“ im Pal. Corsini, gerathen ihm am ehesten ganz lebendig und schön; seine Madonna mit dem schlafenden Kind, im Pal. Doria, ist auch in der Farbe der reprodu- cirte Guido. — b c d e Von den Florentinern ist der schon (S. 1008) genannte Furini unermüdlich bemüht, das Fleisch seiner weiblichen Akte immer mür- ber und weicher darzustellen (Pal. Pitti: Schöpfung der Eva; Pal. Capponi: David und Abigail; Pal. Corsini: Aktfiguren und Mytho- logisches). f g Die spätern Venezianer (S. 909) sind im besten Falle die Aus- beuter Paolo’s; Tiepolo befleissigt sich dabei eines hellen Silbertons. Man wird vielleicht nach längerer Beobachtung mit uns der An- sicht sein, dass die grössten Meisterwerke des Colorites, welche Italien aus dieser ganzen Periode besitzt, ein paar Bilder von Rubens und Murillo sind. Den Rubens kann man in Italien von seiner frühesten Zeit, d. h. von seinem dortigen Aufenthalt an verfolgen. Die 3 grossen Bilder im Chor der Chiesa nuova zu Rom (Madonnabild von Engeln umgeben, und zwei colossale Gemälde mit je 3 Heiligen) zeigen wie seine eigenthümliche Charakteristik und sein Colorit sich loszuringen beginnen von den verschiedenen Manieren die ihn umgaben; auch in der Beschneidung auf dem Hochaltar von S. Ambrogio zu Genua kämpft er noch mit Auffassung und Farbe der Caracci; — schon fast ganz er selbst tritt uns entgegen in dem S. Sebastian, welchem die Engel die Pfeile aus den Wunden ziehen (Pal. Corsini in Rom), und in der idyllisch naiven Auffindung des Romulus und Remus (Gal. des Capitols); beide Bilder mit gelblichen Fleischtönen; — die 12 Halb- figuren von Aposteln (Casino Rospigliosi) glaube ich für echte Werke schon aus seiner beinah vollendeten Zeit halten zu dürfen. — Dann h i k l m

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 1019. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1041>, abgerufen am 19.05.2024.