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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Die bessern Leistungen.
etwa ein phantastisch schöner Wurf (der todte Christus, von Fackel-a
haltenden Engeln beweint, im Pal. Borghese zu Rom), natürlich nur
in sehr bedingter Weise. Santi di Tito ist sogar als Historien-
maler in dieser Zeit fast ohne Affektation, ja ein einfacher Mensch
geblieben. (Mehrere Altarblätter bes. in S. Croce zu Florenz; derb
Engelreigen über dem Hauptportal im Dom etc.; der 1. Altar in S.c
Marco rechts; Antheil an den Lunetten des grossen Klosterhofes beid
S. Maria novella etc.). Wir werden an diesen Namen wieder an-
knüpfen müssen bei der Herstellung der florentin. Malerschule, welche
nach den bösen Jahrzehnden 1550--1580 beginnt. Unter den Römern
ist Pasquale Cati von Jesi (grosses Fresco in S. Lorenzo in Pa-e
nisperna zu Rom) gewissermassen ein naiver Michelangelist, Sicio-
lante da Sermoneta
(Christi Geburt, in S. Maria della Pace zuf
Rom; Taufe Chlodwigs, in S. Luigi, 4. Cap. rechts) ebenfalls inner-g
lich wahr und gemässigt. Dann arbeitete in Rom der aus obiger na-
politanischer Reihe stammende Scipione Gaetano, dem es in
seiner Beschränktheit immer ein solcher Ernst ist, dass eine Anzahl
ganz vortrefflich naiver, wenn auch etwas harter Porträts zu Stande
kamen (vatican. Biblioth.; Pal. Colonna etc.). In idealen Gegenständenh
(heil. Familie, Pal. Borghese; Vermählung der heil. Catharina, Pal.i
Doria; Mariä Himmelfahrt, linkes Querschiff von S. Silvestro di Montek
cavallo) ist er nach Vorzügen und Mängeln seiner heimischen Schule
verwandt und erfreut durch ein saftiges Colorit.

Sogar eine ganze Schule, diejenige von Siena, ist vorherrschend
wahr und lebendig geblieben; ein nobler Naturalismus, der seinen An-
halt an Andrea del Sarto und Sodoma sucht, beseelt die bessern Werke
eines Francesco Vanni (1565--1609; in S. Domenico zu Sienal
alles was in der Catharinencapelle nicht dem Sodoma angehört; in
S. M. di Carignano zu Genua, Alt. r. neben d. Chor, die letzte Com-m
munion der heil. Magdalena, etc.), eines Arcangelo und Ventura
Salimbeni
(Fresken im Chor des Domes von Siena mit den Ge-n
schichten der heil. Catharina und eines heil. Bischofs; im Unterraum
von S. Caterina das 2. Bild, r.), eines Domenico Manetti, u. A. m.o

Viele der genannten Maler verschiedener Schulen waren mehr
oder weniger influenzirt von einem merkwürdigen, meist abseits in
seiner Heimath Urbino lebenden Meister, Federigo Baroccio

Die bessern Leistungen.
etwa ein phantastisch schöner Wurf (der todte Christus, von Fackel-a
haltenden Engeln beweint, im Pal. Borghese zu Rom), natürlich nur
in sehr bedingter Weise. Santi di Tito ist sogar als Historien-
maler in dieser Zeit fast ohne Affektation, ja ein einfacher Mensch
geblieben. (Mehrere Altarblätter bes. in S. Croce zu Florenz; derb
Engelreigen über dem Hauptportal im Dom etc.; der 1. Altar in S.c
Marco rechts; Antheil an den Lunetten des grossen Klosterhofes beid
S. Maria novella etc.). Wir werden an diesen Namen wieder an-
knüpfen müssen bei der Herstellung der florentin. Malerschule, welche
nach den bösen Jahrzehnden 1550—1580 beginnt. Unter den Römern
ist Pasquale Cati von Jesi (grosses Fresco in S. Lorenzo in Pa-e
nisperna zu Rom) gewissermassen ein naiver Michelangelist, Sicio-
lante da Sermoneta
(Christi Geburt, in S. Maria della Pace zuf
Rom; Taufe Chlodwigs, in S. Luigi, 4. Cap. rechts) ebenfalls inner-g
lich wahr und gemässigt. Dann arbeitete in Rom der aus obiger na-
politanischer Reihe stammende Scipione Gaetano, dem es in
seiner Beschränktheit immer ein solcher Ernst ist, dass eine Anzahl
ganz vortrefflich naiver, wenn auch etwas harter Porträts zu Stande
kamen (vatican. Biblioth.; Pal. Colonna etc.). In idealen Gegenständenh
(heil. Familie, Pal. Borghese; Vermählung der heil. Catharina, Pal.i
Doria; Mariä Himmelfahrt, linkes Querschiff von S. Silvestro di Montek
cavallo) ist er nach Vorzügen und Mängeln seiner heimischen Schule
verwandt und erfreut durch ein saftiges Colorit.

Sogar eine ganze Schule, diejenige von Siena, ist vorherrschend
wahr und lebendig geblieben; ein nobler Naturalismus, der seinen An-
halt an Andrea del Sarto und Sodoma sucht, beseelt die bessern Werke
eines Francesco Vanni (1565—1609; in S. Domenico zu Sienal
alles was in der Catharinencapelle nicht dem Sodoma angehört; in
S. M. di Carignano zu Genua, Alt. r. neben d. Chor, die letzte Com-m
munion der heil. Magdalena, etc.), eines Arcangelo und Ventura
Salimbeni
(Fresken im Chor des Domes von Siena mit den Ge-n
schichten der heil. Catharina und eines heil. Bischofs; im Unterraum
von S. Caterina das 2. Bild, r.), eines Domenico Manetti, u. A. m.o

Viele der genannten Maler verschiedener Schulen waren mehr
oder weniger influenzirt von einem merkwürdigen, meist abseits in
seiner Heimath Urbino lebenden Meister, Federigo Baroccio

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[999/1021] Die bessern Leistungen. etwa ein phantastisch schöner Wurf (der todte Christus, von Fackel- haltenden Engeln beweint, im Pal. Borghese zu Rom), natürlich nur in sehr bedingter Weise. Santi di Tito ist sogar als Historien- maler in dieser Zeit fast ohne Affektation, ja ein einfacher Mensch geblieben. (Mehrere Altarblätter bes. in S. Croce zu Florenz; der Engelreigen über dem Hauptportal im Dom etc.; der 1. Altar in S. Marco rechts; Antheil an den Lunetten des grossen Klosterhofes bei S. Maria novella etc.). Wir werden an diesen Namen wieder an- knüpfen müssen bei der Herstellung der florentin. Malerschule, welche nach den bösen Jahrzehnden 1550—1580 beginnt. Unter den Römern ist Pasquale Cati von Jesi (grosses Fresco in S. Lorenzo in Pa- nisperna zu Rom) gewissermassen ein naiver Michelangelist, Sicio- lante da Sermoneta (Christi Geburt, in S. Maria della Pace zu Rom; Taufe Chlodwigs, in S. Luigi, 4. Cap. rechts) ebenfalls inner- lich wahr und gemässigt. Dann arbeitete in Rom der aus obiger na- politanischer Reihe stammende Scipione Gaetano, dem es in seiner Beschränktheit immer ein solcher Ernst ist, dass eine Anzahl ganz vortrefflich naiver, wenn auch etwas harter Porträts zu Stande kamen (vatican. Biblioth.; Pal. Colonna etc.). In idealen Gegenständen (heil. Familie, Pal. Borghese; Vermählung der heil. Catharina, Pal. Doria; Mariä Himmelfahrt, linkes Querschiff von S. Silvestro di Monte cavallo) ist er nach Vorzügen und Mängeln seiner heimischen Schule verwandt und erfreut durch ein saftiges Colorit. a b c d e f g h i k Sogar eine ganze Schule, diejenige von Siena, ist vorherrschend wahr und lebendig geblieben; ein nobler Naturalismus, der seinen An- halt an Andrea del Sarto und Sodoma sucht, beseelt die bessern Werke eines Francesco Vanni (1565—1609; in S. Domenico zu Siena alles was in der Catharinencapelle nicht dem Sodoma angehört; in S. M. di Carignano zu Genua, Alt. r. neben d. Chor, die letzte Com- munion der heil. Magdalena, etc.), eines Arcangelo und Ventura Salimbeni (Fresken im Chor des Domes von Siena mit den Ge- schichten der heil. Catharina und eines heil. Bischofs; im Unterraum von S. Caterina das 2. Bild, r.), eines Domenico Manetti, u. A. m. l m n o Viele der genannten Maler verschiedener Schulen waren mehr oder weniger influenzirt von einem merkwürdigen, meist abseits in seiner Heimath Urbino lebenden Meister, Federigo Baroccio

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 999. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1021>, abgerufen am 26.05.2024.