Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bürger, Gottfried August: Gedichte. Göttingen, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

nal vor mir liegen gehabt und Zeile bei Zei-
le verdolmetschet hätte. Oefters hatte ich
das fremde Gedicht vor Jahren gelesen;
sein Inhalt war meinem Gedächtnisse ge-
genwärtig geblieben; diesen stelte ich teutsch
dar, und gab ihm Bildung und Farbe aus
eignem Vermögen. Wer von dem Verhält-
nis dieser meiner teutschen Umbildungen zu
den Originalen sich einen Begrif machen
wil, und etwa die wenigen englischen und
französischen Stücke nicht bei der Hand hat,
der vergleiche nur meine Nachtfeier der
Venus mit dem lateinischen Pervigilium
Veneris;
oder noch näher, mein Zechlied
mit seinem der Rarität und Schnurrigkeit
wegen vorangesezten Originale. So viel
ich hier ohngefähr dem Lateiner schuldig
bin, so viel, oder nicht vielmehr, bin ich
anderwärts dem Britten und Franzosen
schuldig geworden. Indessen wil ich doch,
um die Litteratoren der undankbaren Mühe
des Nachspürens zu überheben, alles, was

nicht

nal vor mir liegen gehabt und Zeile bei Zei-
le verdolmetſchet haͤtte. Oefters hatte ich
das fremde Gedicht vor Jahren geleſen;
ſein Inhalt war meinem Gedaͤchtniſſe ge-
genwaͤrtig geblieben; dieſen ſtelte ich teutſch
dar, und gab ihm Bildung und Farbe aus
eignem Vermoͤgen. Wer von dem Verhaͤlt-
nis dieſer meiner teutſchen Umbildungen zu
den Originalen ſich einen Begrif machen
wil, und etwa die wenigen engliſchen und
franzoͤſiſchen Stuͤcke nicht bei der Hand hat,
der vergleiche nur meine Nachtfeier der
Venus mit dem lateiniſchen Pervigilium
Veneris;
oder noch naͤher, mein Zechlied
mit ſeinem der Raritaͤt und Schnurrigkeit
wegen vorangeſezten Originale. So viel
ich hier ohngefaͤhr dem Lateiner ſchuldig
bin, ſo viel, oder nicht vielmehr, bin ich
anderwaͤrts dem Britten und Franzoſen
ſchuldig geworden. Indeſſen wil ich doch,
um die Litteratoren der undankbaren Muͤhe
des Nachſpuͤrens zu uͤberheben, alles, was

nicht
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0051" n="XII"/>
nal vor mir liegen gehabt und Zeile bei Zei-<lb/>
le verdolmet&#x017F;chet ha&#x0364;tte. Oefters hatte ich<lb/>
das fremde Gedicht vor Jahren gele&#x017F;en;<lb/>
&#x017F;ein Inhalt war meinem Geda&#x0364;chtni&#x017F;&#x017F;e ge-<lb/>
genwa&#x0364;rtig geblieben; die&#x017F;en &#x017F;telte ich teut&#x017F;ch<lb/>
dar, und gab ihm Bildung und Farbe aus<lb/>
eignem Vermo&#x0364;gen. Wer von dem Verha&#x0364;lt-<lb/>
nis die&#x017F;er meiner teut&#x017F;chen Umbildungen zu<lb/>
den Originalen &#x017F;ich einen Begrif machen<lb/>
wil, und etwa die wenigen engli&#x017F;chen und<lb/>
franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Stu&#x0364;cke nicht bei der Hand hat,<lb/>
der vergleiche nur meine <hi rendition="#fr">Nachtfeier</hi> der<lb/><hi rendition="#fr">Venus</hi> mit dem lateini&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Pervigilium<lb/>
Veneris;</hi> oder noch na&#x0364;her, mein Zechlied<lb/>
mit &#x017F;einem der Rarita&#x0364;t und Schnurrigkeit<lb/>
wegen vorange&#x017F;ezten Originale. So viel<lb/>
ich hier ohngefa&#x0364;hr dem Lateiner &#x017F;chuldig<lb/>
bin, &#x017F;o viel, oder nicht vielmehr, bin ich<lb/>
anderwa&#x0364;rts dem Britten und Franzo&#x017F;en<lb/>
&#x017F;chuldig geworden. Inde&#x017F;&#x017F;en wil ich doch,<lb/>
um die Litteratoren der undankbaren Mu&#x0364;he<lb/>
des Nach&#x017F;pu&#x0364;rens zu u&#x0364;berheben, alles, was<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XII/0051] nal vor mir liegen gehabt und Zeile bei Zei- le verdolmetſchet haͤtte. Oefters hatte ich das fremde Gedicht vor Jahren geleſen; ſein Inhalt war meinem Gedaͤchtniſſe ge- genwaͤrtig geblieben; dieſen ſtelte ich teutſch dar, und gab ihm Bildung und Farbe aus eignem Vermoͤgen. Wer von dem Verhaͤlt- nis dieſer meiner teutſchen Umbildungen zu den Originalen ſich einen Begrif machen wil, und etwa die wenigen engliſchen und franzoͤſiſchen Stuͤcke nicht bei der Hand hat, der vergleiche nur meine Nachtfeier der Venus mit dem lateiniſchen Pervigilium Veneris; oder noch naͤher, mein Zechlied mit ſeinem der Raritaͤt und Schnurrigkeit wegen vorangeſezten Originale. So viel ich hier ohngefaͤhr dem Lateiner ſchuldig bin, ſo viel, oder nicht vielmehr, bin ich anderwaͤrts dem Britten und Franzoſen ſchuldig geworden. Indeſſen wil ich doch, um die Litteratoren der undankbaren Muͤhe des Nachſpuͤrens zu uͤberheben, alles, was nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buerger_gedichte_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buerger_gedichte_1778/51
Zitationshilfe: Bürger, Gottfried August: Gedichte. Göttingen, 1778, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buerger_gedichte_1778/51>, abgerufen am 22.11.2024.