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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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August und Adolf Stöber, ersterer 1808, letzterer 1810
zu Straßburg geboren, welche damals eben an der Academie
ihrer Vaterstadt ihre theologischen und philosophischen Stu-
dien beendeten. Beide sind in der Folge zu so klangvollen
Namen gekommen, daß ihre Dichtweise hier als bekannt
vorausgesetzt werden kann. Büchner nun ging mit ihnen
so weit, als etwa in der Folge mit den Romantikern; er
fand den Volkston und die Pflege nationaler Stoffe löblich,
aber er war, wie er später selbst über diese Gedichte an
Gutzkow schrieb, "kein Verehrer der Manier a la Schwab und
Uhland und der Partei, die immer rückwärts in's Mittel-
alter greift, weil sie in der Gegenwart keinen Platz aus-
füllen kann." (S. 387.) Wenn er diesen Sagen gleichwohl
schon bei ihrer Entstehung seine freudige Theilnahme wid-
mete, so geschah dies neben der Freundschaft für die Ver-
fasser aus deutschem Patriotismus. "Es wäre traurig", dachte
er schon damals, "wenn das Münster ganz auf fremdem
Boden stände!"

Dies leitet uns zu den politischen Ansichten, die Büchner
in Straßburg gewonnen. Sie verdienen nähere Beleuchtung,
weil sie sein gesammtes weiteres Wirken als Mensch, wie
als Dichter bestimmt und gelenkt haben, weil sie ferner an
sich psychologisch merkwürdig sind. Denn hier begegnete
uns eine Consequenz der Ueberzeugung und eine Klarheit
der Anschauung, wie sie in so jungen Jahren fast unerhört
sind. Und doppelt wunderbar müssen sie uns in jenen
Tagen erscheinen, da tolle Schwärmerei in der Luft lag,
dick wie Novembernebel.

Man weiß, daß der achtzehnjährige Jüngling, ehe er nach
Straßburg kam, tiefer und nachhaltiger, als dies in solchem

Auguſt und Adolf Stöber, erſterer 1808, letzterer 1810
zu Straßburg geboren, welche damals eben an der Academie
ihrer Vaterſtadt ihre theologiſchen und philoſophiſchen Stu-
dien beendeten. Beide ſind in der Folge zu ſo klangvollen
Namen gekommen, daß ihre Dichtweiſe hier als bekannt
vorausgeſetzt werden kann. Büchner nun ging mit ihnen
ſo weit, als etwa in der Folge mit den Romantikern; er
fand den Volkston und die Pflege nationaler Stoffe löblich,
aber er war, wie er ſpäter ſelbſt über dieſe Gedichte an
Gutzkow ſchrieb, "kein Verehrer der Manier à la Schwab und
Uhland und der Partei, die immer rückwärts in's Mittel-
alter greift, weil ſie in der Gegenwart keinen Platz aus-
füllen kann." (S. 387.) Wenn er dieſen Sagen gleichwohl
ſchon bei ihrer Entſtehung ſeine freudige Theilnahme wid-
mete, ſo geſchah dies neben der Freundſchaft für die Ver-
faſſer aus deutſchem Patriotismus. "Es wäre traurig", dachte
er ſchon damals, "wenn das Münſter ganz auf fremdem
Boden ſtände!"

Dies leitet uns zu den politiſchen Anſichten, die Büchner
in Straßburg gewonnen. Sie verdienen nähere Beleuchtung,
weil ſie ſein geſammtes weiteres Wirken als Menſch, wie
als Dichter beſtimmt und gelenkt haben, weil ſie ferner an
ſich pſychologiſch merkwürdig ſind. Denn hier begegnete
uns eine Conſequenz der Ueberzeugung und eine Klarheit
der Anſchauung, wie ſie in ſo jungen Jahren faſt unerhört
ſind. Und doppelt wunderbar müſſen ſie uns in jenen
Tagen erſcheinen, da tolle Schwärmerei in der Luft lag,
dick wie Novembernebel.

Man weiß, daß der achtzehnjährige Jüngling, ehe er nach
Straßburg kam, tiefer und nachhaltiger, als dies in ſolchem

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[XLVIII/0064] Auguſt und Adolf Stöber, erſterer 1808, letzterer 1810 zu Straßburg geboren, welche damals eben an der Academie ihrer Vaterſtadt ihre theologiſchen und philoſophiſchen Stu- dien beendeten. Beide ſind in der Folge zu ſo klangvollen Namen gekommen, daß ihre Dichtweiſe hier als bekannt vorausgeſetzt werden kann. Büchner nun ging mit ihnen ſo weit, als etwa in der Folge mit den Romantikern; er fand den Volkston und die Pflege nationaler Stoffe löblich, aber er war, wie er ſpäter ſelbſt über dieſe Gedichte an Gutzkow ſchrieb, "kein Verehrer der Manier à la Schwab und Uhland und der Partei, die immer rückwärts in's Mittel- alter greift, weil ſie in der Gegenwart keinen Platz aus- füllen kann." (S. 387.) Wenn er dieſen Sagen gleichwohl ſchon bei ihrer Entſtehung ſeine freudige Theilnahme wid- mete, ſo geſchah dies neben der Freundſchaft für die Ver- faſſer aus deutſchem Patriotismus. "Es wäre traurig", dachte er ſchon damals, "wenn das Münſter ganz auf fremdem Boden ſtände!" Dies leitet uns zu den politiſchen Anſichten, die Büchner in Straßburg gewonnen. Sie verdienen nähere Beleuchtung, weil ſie ſein geſammtes weiteres Wirken als Menſch, wie als Dichter beſtimmt und gelenkt haben, weil ſie ferner an ſich pſychologiſch merkwürdig ſind. Denn hier begegnete uns eine Conſequenz der Ueberzeugung und eine Klarheit der Anſchauung, wie ſie in ſo jungen Jahren faſt unerhört ſind. Und doppelt wunderbar müſſen ſie uns in jenen Tagen erſcheinen, da tolle Schwärmerei in der Luft lag, dick wie Novembernebel. Man weiß, daß der achtzehnjährige Jüngling, ehe er nach Straßburg kam, tiefer und nachhaltiger, als dies in ſolchem

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. XLVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/64>, abgerufen am 27.11.2024.