Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

Wo scheu der Mensch den Fuß vom Boden hebt,
Und Fels und Stein allein nach oben strebt?
Wo doppelt, doppelt schön der Aether blaut
Und doppelt tief der Mensch zur Erde schaut,
Wo stolze Adler ihre Heimath haben.
Und wo am Ruder sitzen doch die Raben.
Der Alpen Kind, wie ist dein Ruf verhallt!
Einst groß, wie sie, und jetzt, wie sie, nur kalt!
-- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --
-- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --
-- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --
-- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --

II.
Gleich Rosenhauch auf einer Jungfrau Wangen
Seh' ich den Abend im Gebirge prangen;
Im zarten Dufte glühen sie vor mir,
Die Gletscher, denen treu die Sonne hier
Ihr erstes und ihr letztes Lächeln zeigt;
Und aus den Flammen wie ein Phönix steigt
Der Mond mit silberstrahlendem Gefieder,
In jede Woge taucht sein Bildniß nieder.
Ob stumm sie ruht, ob leuchtend sie sich bricht,
Sie wird verklärt und er vergißt sie nicht.
So mag der Geist der Welt in unser Denken,
In jede Blüthe, jede Brust sie senken.
Dem Mond streut still mit schmeichelnder Geberde
Goldwölkchen auf die Bahn des Abends Wehn,
Gleich Blumen, doch nicht Blumen dieser Erde,
Die welken müssen, ehe sie vergehn.
Dort in den Nachen wirft mit kalter Hand
Sein letztes Gold das herbstlich gelbe Land,
Und meine Seele sieht in süßer Ruh'
Der Perlen Träufeln von den Rudern zu,
Wie sie von Ringen hin zu Ringen tönen.

Wo ſcheu der Menſch den Fuß vom Boden hebt,
Und Fels und Stein allein nach oben ſtrebt?
Wo doppelt, doppelt ſchön der Aether blaut
Und doppelt tief der Menſch zur Erde ſchaut,
Wo ſtolze Adler ihre Heimath haben.
Und wo am Ruder ſitzen doch die Raben.
Der Alpen Kind, wie iſt dein Ruf verhallt!
Einſt groß, wie ſie, und jetzt, wie ſie, nur kalt!
— — — — — — — — — — — — — — —
— — — — — — — — — — — — — — —
— — — — — — — — — — — — — — —
— — — — — — — — — — — — — — —

II.
Gleich Roſenhauch auf einer Jungfrau Wangen
Seh' ich den Abend im Gebirge prangen;
Im zarten Dufte glühen ſie vor mir,
Die Gletſcher, denen treu die Sonne hier
Ihr erſtes und ihr letztes Lächeln zeigt;
Und aus den Flammen wie ein Phönix ſteigt
Der Mond mit ſilberſtrahlendem Gefieder,
In jede Woge taucht ſein Bildniß nieder.
Ob ſtumm ſie ruht, ob leuchtend ſie ſich bricht,
Sie wird verklärt und er vergißt ſie nicht.
So mag der Geiſt der Welt in unſer Denken,
In jede Blüthe, jede Bruſt ſie ſenken.
Dem Mond ſtreut ſtill mit ſchmeichelnder Geberde
Goldwölkchen auf die Bahn des Abends Wehn,
Gleich Blumen, doch nicht Blumen dieſer Erde,
Die welken müſſen, ehe ſie vergehn.
Dort in den Nachen wirft mit kalter Hand
Sein letztes Gold das herbſtlich gelbe Land,
Und meine Seele ſieht in ſüßer Ruh'
Der Perlen Träufeln von den Rudern zu,
Wie ſie von Ringen hin zu Ringen tönen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg type="poem">
              <lg n="4">
                <pb facs="#f0636" n="440"/>
                <l>Wo &#x017F;cheu der Men&#x017F;ch den Fuß vom Boden hebt,</l><lb/>
                <l>Und Fels und Stein allein nach oben &#x017F;trebt?</l><lb/>
                <l>Wo doppelt, doppelt &#x017F;chön der Aether blaut</l><lb/>
                <l>Und doppelt tief der Men&#x017F;ch zur Erde &#x017F;chaut,</l><lb/>
                <l>Wo &#x017F;tolze Adler ihre Heimath haben.</l><lb/>
                <l>Und wo am Ruder &#x017F;itzen doch die Raben.</l><lb/>
                <l>Der Alpen Kind, wie i&#x017F;t dein Ruf verhallt!</l><lb/>
                <l>Ein&#x017F;t groß, wie &#x017F;ie, und jetzt, wie &#x017F;ie, nur <hi rendition="#g">kalt</hi>!</l><lb/>
                <l>&#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014;</l><lb/>
                <l>&#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014;</l><lb/>
                <l>&#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014;</l><lb/>
                <l>&#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014;</l>
              </lg>
            </lg><lb/>
            <lg type="poem">
              <head>II.</head><lb/>
              <lg n="1">
                <l>Gleich Ro&#x017F;enhauch auf einer Jungfrau Wangen</l><lb/>
                <l>Seh' ich den Abend im Gebirge prangen;</l><lb/>
                <l>Im zarten Dufte glühen &#x017F;ie vor mir,</l><lb/>
                <l>Die Glet&#x017F;cher, denen treu die Sonne hier</l><lb/>
                <l>Ihr er&#x017F;tes und ihr letztes Lächeln zeigt;</l><lb/>
                <l>Und aus den Flammen wie ein Phönix &#x017F;teigt</l><lb/>
                <l>Der Mond mit &#x017F;ilber&#x017F;trahlendem Gefieder,</l><lb/>
                <l>In jede Woge taucht &#x017F;ein Bildniß nieder.</l><lb/>
                <l>Ob &#x017F;tumm &#x017F;ie ruht, ob leuchtend &#x017F;ie &#x017F;ich bricht,</l><lb/>
                <l>Sie wird verklärt und er vergißt &#x017F;ie nicht.</l><lb/>
                <l>So mag der Gei&#x017F;t der Welt in un&#x017F;er Denken,</l><lb/>
                <l>In jede Blüthe, jede Bru&#x017F;t &#x017F;ie &#x017F;enken.</l><lb/>
                <l>Dem Mond &#x017F;treut &#x017F;till mit &#x017F;chmeichelnder Geberde</l><lb/>
                <l>Goldwölkchen auf die Bahn des Abends Wehn,</l><lb/>
                <l>Gleich Blumen, doch nicht Blumen die&#x017F;er Erde,</l><lb/>
                <l>Die welken mü&#x017F;&#x017F;en, ehe &#x017F;ie vergehn.</l><lb/>
                <l>Dort in den Nachen wirft mit kalter Hand</l><lb/>
                <l>Sein letztes Gold das herb&#x017F;tlich gelbe Land,</l><lb/>
                <l>Und meine Seele &#x017F;ieht in &#x017F;üßer Ruh'</l><lb/>
                <l>Der Perlen Träufeln von den Rudern zu,</l><lb/>
                <l>Wie &#x017F;ie von Ringen hin zu Ringen tönen.</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[440/0636] Wo ſcheu der Menſch den Fuß vom Boden hebt, Und Fels und Stein allein nach oben ſtrebt? Wo doppelt, doppelt ſchön der Aether blaut Und doppelt tief der Menſch zur Erde ſchaut, Wo ſtolze Adler ihre Heimath haben. Und wo am Ruder ſitzen doch die Raben. Der Alpen Kind, wie iſt dein Ruf verhallt! Einſt groß, wie ſie, und jetzt, wie ſie, nur kalt! — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — II. Gleich Roſenhauch auf einer Jungfrau Wangen Seh' ich den Abend im Gebirge prangen; Im zarten Dufte glühen ſie vor mir, Die Gletſcher, denen treu die Sonne hier Ihr erſtes und ihr letztes Lächeln zeigt; Und aus den Flammen wie ein Phönix ſteigt Der Mond mit ſilberſtrahlendem Gefieder, In jede Woge taucht ſein Bildniß nieder. Ob ſtumm ſie ruht, ob leuchtend ſie ſich bricht, Sie wird verklärt und er vergißt ſie nicht. So mag der Geiſt der Welt in unſer Denken, In jede Blüthe, jede Bruſt ſie ſenken. Dem Mond ſtreut ſtill mit ſchmeichelnder Geberde Goldwölkchen auf die Bahn des Abends Wehn, Gleich Blumen, doch nicht Blumen dieſer Erde, Die welken müſſen, ehe ſie vergehn. Dort in den Nachen wirft mit kalter Hand Sein letztes Gold das herbſtlich gelbe Land, Und meine Seele ſieht in ſüßer Ruh' Der Perlen Träufeln von den Rudern zu, Wie ſie von Ringen hin zu Ringen tönen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/636
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/636>, abgerufen am 19.05.2024.