schrieben. Ich kann auch hier noch anführen, daß der Vor- bericht ebenfalls von Weidig verfaßt worden ist. Büchner war über die Veränderung, welche Weidig mit der Schrift vorgenommen hatte, außerordentlich aufgebracht, er wollte sie nicht mehr als die seinige anerkennen und sagte, daß er ihm gerade das, worauf er das meiste Gewicht gelegt habe, und wodurch alles andere gleichsam legitimirt werde, durch- gestrichen habe."
Frage. "Der Landbote war seinem Inhalte nach hauptsächlich für's Großherzogthum Hessen bestimmt. Dem- ungeachtet war, wie Sie sich auch selbst schon ausgesprochen haben, der Zweck der Ausbreitung von Flugschriften um- fassender. Durch Aufreizung des Volkes in unserem Lande konnte für die gewünschte allgemeine, deutsche Freiheit wenig genützt werden; es mußten daher offenbar weitere Mittel in Aussicht genommen worden sein, um jenen Hauptzweck zu erreichen, und worin haben dieselben wohl bestanden?" --
Antwort des August Becker. Büchner, der bei seinem mehrjährigen Aufenhalte in Frankreich das deutsche Volk wenig kannte, wollte, wie er mir oft gesagt hat, sich durch diese Flugschrift überzeugen, in wie weit das deutsche Volk geneigt sei, an einer Revolution Antheil zu nehmen. Er sah indessen ein, daß das gemeine Volk eine Auseinander- setzung seiner Verhältnisse zum deutschen Bund nicht verstehen und einem Aufruf, seine angeborenen Rechte zu erkämpfen, kein Gehör geben werde; im Gegentheil glaubte er, daß es nur dann bewogen werden könne, seine gegenwärtige Lage zu verändern, wenn man ihm seine naheliegenden Interessen vor Augen lege. Dies hat Büchner in der Flugschrift ge-
ſchrieben. Ich kann auch hier noch anführen, daß der Vor- bericht ebenfalls von Weidig verfaßt worden iſt. Büchner war über die Veränderung, welche Weidig mit der Schrift vorgenommen hatte, außerordentlich aufgebracht, er wollte ſie nicht mehr als die ſeinige anerkennen und ſagte, daß er ihm gerade das, worauf er das meiſte Gewicht gelegt habe, und wodurch alles andere gleichſam legitimirt werde, durch- geſtrichen habe."
Frage. "Der Landbote war ſeinem Inhalte nach hauptſächlich für's Großherzogthum Heſſen beſtimmt. Dem- ungeachtet war, wie Sie ſich auch ſelbſt ſchon ausgeſprochen haben, der Zweck der Ausbreitung von Flugſchriften um- faſſender. Durch Aufreizung des Volkes in unſerem Lande konnte für die gewünſchte allgemeine, deutſche Freiheit wenig genützt werden; es mußten daher offenbar weitere Mittel in Ausſicht genommen worden ſein, um jenen Hauptzweck zu erreichen, und worin haben dieſelben wohl beſtanden?" —
Antwort des Auguſt Becker. Büchner, der bei ſeinem mehrjährigen Aufenhalte in Frankreich das deutſche Volk wenig kannte, wollte, wie er mir oft geſagt hat, ſich durch dieſe Flugſchrift überzeugen, in wie weit das deutſche Volk geneigt ſei, an einer Revolution Antheil zu nehmen. Er ſah indeſſen ein, daß das gemeine Volk eine Auseinander- ſetzung ſeiner Verhältniſſe zum deutſchen Bund nicht verſtehen und einem Aufruf, ſeine angeborenen Rechte zu erkämpfen, kein Gehör geben werde; im Gegentheil glaubte er, daß es nur dann bewogen werden könne, ſeine gegenwärtige Lage zu verändern, wenn man ihm ſeine naheliegenden Intereſſen vor Augen lege. Dies hat Büchner in der Flugſchrift ge-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0611"n="415"/>ſchrieben. Ich kann auch hier noch anführen, daß der Vor-<lb/>
bericht ebenfalls von Weidig verfaßt worden iſt. Büchner<lb/>
war über die Veränderung, welche Weidig mit der Schrift<lb/>
vorgenommen hatte, außerordentlich aufgebracht, er wollte ſie<lb/>
nicht mehr als die ſeinige anerkennen und ſagte, daß er ihm<lb/>
gerade das, worauf er das meiſte Gewicht gelegt habe, und<lb/>
wodurch alles andere gleichſam legitimirt werde, durch-<lb/>
geſtrichen habe."</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#g">Frage</hi>. "Der Landbote war ſeinem Inhalte nach<lb/>
hauptſächlich für's Großherzogthum Heſſen beſtimmt. Dem-<lb/>
ungeachtet war, wie Sie ſich auch ſelbſt ſchon ausgeſprochen<lb/>
haben, der Zweck der Ausbreitung von Flugſchriften um-<lb/>
faſſender. Durch Aufreizung des Volkes in unſerem Lande<lb/>
konnte für die gewünſchte allgemeine, deutſche Freiheit wenig<lb/>
genützt werden; es mußten daher offenbar weitere Mittel in<lb/>
Ausſicht genommen worden ſein, um jenen Hauptzweck zu<lb/>
erreichen, und worin haben dieſelben wohl beſtanden?" —</p><lb/><p><hirendition="#g">Antwort</hi> des <hirendition="#g">Auguſt Becker</hi>. Büchner, der bei<lb/>ſeinem mehrjährigen Aufenhalte in Frankreich das deutſche<lb/>
Volk wenig kannte, wollte, wie er mir oft geſagt hat, ſich<lb/>
durch dieſe Flugſchrift überzeugen, in wie weit das deutſche<lb/>
Volk geneigt ſei, an einer Revolution Antheil zu nehmen.<lb/>
Er ſah indeſſen ein, daß das gemeine Volk eine Auseinander-<lb/>ſetzung ſeiner Verhältniſſe zum deutſchen Bund nicht verſtehen<lb/>
und einem Aufruf, <choice><sic>ſſeine</sic><corr>ſeine</corr></choice> angeborenen Rechte zu erkämpfen,<lb/>
kein Gehör geben werde; im Gegentheil glaubte er, daß es<lb/>
nur dann bewogen werden könne, ſeine gegenwärtige Lage<lb/>
zu verändern, wenn man ihm ſeine naheliegenden Intereſſen<lb/>
vor Augen lege. Dies hat Büchner in der Flugſchrift ge-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[415/0611]
ſchrieben. Ich kann auch hier noch anführen, daß der Vor-
bericht ebenfalls von Weidig verfaßt worden iſt. Büchner
war über die Veränderung, welche Weidig mit der Schrift
vorgenommen hatte, außerordentlich aufgebracht, er wollte ſie
nicht mehr als die ſeinige anerkennen und ſagte, daß er ihm
gerade das, worauf er das meiſte Gewicht gelegt habe, und
wodurch alles andere gleichſam legitimirt werde, durch-
geſtrichen habe."
Frage. "Der Landbote war ſeinem Inhalte nach
hauptſächlich für's Großherzogthum Heſſen beſtimmt. Dem-
ungeachtet war, wie Sie ſich auch ſelbſt ſchon ausgeſprochen
haben, der Zweck der Ausbreitung von Flugſchriften um-
faſſender. Durch Aufreizung des Volkes in unſerem Lande
konnte für die gewünſchte allgemeine, deutſche Freiheit wenig
genützt werden; es mußten daher offenbar weitere Mittel in
Ausſicht genommen worden ſein, um jenen Hauptzweck zu
erreichen, und worin haben dieſelben wohl beſtanden?" —
Antwort des Auguſt Becker. Büchner, der bei
ſeinem mehrjährigen Aufenhalte in Frankreich das deutſche
Volk wenig kannte, wollte, wie er mir oft geſagt hat, ſich
durch dieſe Flugſchrift überzeugen, in wie weit das deutſche
Volk geneigt ſei, an einer Revolution Antheil zu nehmen.
Er ſah indeſſen ein, daß das gemeine Volk eine Auseinander-
ſetzung ſeiner Verhältniſſe zum deutſchen Bund nicht verſtehen
und einem Aufruf, ſeine angeborenen Rechte zu erkämpfen,
kein Gehör geben werde; im Gegentheil glaubte er, daß es
nur dann bewogen werden könne, ſeine gegenwärtige Lage
zu verändern, wenn man ihm ſeine naheliegenden Intereſſen
vor Augen lege. Dies hat Büchner in der Flugſchrift ge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/611>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.