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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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stand auf und schlug sich zu dem Feinde. Da ergrimmte das
Volk und erhob sich in seiner Kraft. Es erdrückte die Ver-
räther und zerschmetterte die Söldner der Könige. Die junge
Freiheit wuchs im Blut der Tyrannen, und vor ihrer Stimme
bebten die Throne und jauchzten die Völker. Aber die
Franzosen verkauften selbst ihre junge Freiheit für den Ruhm,
den ihnen Napoleon darbot und erhoben ihn auf den Kaiser-
thron. -- Da ließ der Allmächtige das Heer des Kaisers
in Rußland erfrieren und züchtigte Frankreich durch die Knute
der Kosaken und gab den Franzosen die dickwanstigen Bour-
bonen wieder zu Königen, damit Frankreich sich bekehre vom
Götzendienst der erblichen Königsherrschaft und dem Gotte
diene, der die Menschen frei und gleich geschaffen. Aber
als die Zeit seiner Strafe verflossen war, und tapfere Männer
im Julius 1830 den meineidigen König Karl den Zehnten
aus dem Lande jagten, da wendete dennoch das befreite
Frankreich sich abermals zur halberblichen Königsherrschaft
und band sich in dem Heuchler Louis Philipp eine neue
Zuchtruthe auf. In Deutschland und ganz Europa aber war
große Freude, als der zehnte Karl vom Thron gestürzt ward,
und die unterdrückten deutschen Länder richteten sich zum
Kampfe für die Freiheit. Da rathschlagten die Fürsten, wie
sie dem Grimm des Volkes entgehen sollten und die listigen
unter ihnen sagten: Laßt uns einen Theil unserer Gewalt
abgeben, daß wir das Uebrige behalten. Und sie traten vor
das Volk und sprachen: Wir wollen euch die Freiheit schenken,
um die ihr kämpfen wollt. -- Und zitternd vor Furcht
warfen sie einige Brocken hin und sprachen von ihrer Gnade.
Das Volk traute ihnen leider und legte sich zur Ruhe. --
Und so ward Deutschland betrogen wie Frankreich.


18 *

ſtand auf und ſchlug ſich zu dem Feinde. Da ergrimmte das
Volk und erhob ſich in ſeiner Kraft. Es erdrückte die Ver-
räther und zerſchmetterte die Söldner der Könige. Die junge
Freiheit wuchs im Blut der Tyrannen, und vor ihrer Stimme
bebten die Throne und jauchzten die Völker. Aber die
Franzoſen verkauften ſelbſt ihre junge Freiheit für den Ruhm,
den ihnen Napoleon darbot und erhoben ihn auf den Kaiſer-
thron. — Da ließ der Allmächtige das Heer des Kaiſers
in Rußland erfrieren und züchtigte Frankreich durch die Knute
der Koſaken und gab den Franzoſen die dickwanſtigen Bour-
bonen wieder zu Königen, damit Frankreich ſich bekehre vom
Götzendienſt der erblichen Königsherrſchaft und dem Gotte
diene, der die Menſchen frei und gleich geſchaffen. Aber
als die Zeit ſeiner Strafe verfloſſen war, und tapfere Männer
im Julius 1830 den meineidigen König Karl den Zehnten
aus dem Lande jagten, da wendete dennoch das befreite
Frankreich ſich abermals zur halberblichen Königsherrſchaft
und band ſich in dem Heuchler Louis Philipp eine neue
Zuchtruthe auf. In Deutſchland und ganz Europa aber war
große Freude, als der zehnte Karl vom Thron geſtürzt ward,
und die unterdrückten deutſchen Länder richteten ſich zum
Kampfe für die Freiheit. Da rathſchlagten die Fürſten, wie
ſie dem Grimm des Volkes entgehen ſollten und die liſtigen
unter ihnen ſagten: Laßt uns einen Theil unſerer Gewalt
abgeben, daß wir das Uebrige behalten. Und ſie traten vor
das Volk und ſprachen: Wir wollen euch die Freiheit ſchenken,
um die ihr kämpfen wollt. — Und zitternd vor Furcht
warfen ſie einige Brocken hin und ſprachen von ihrer Gnade.
Das Volk traute ihnen leider und legte ſich zur Ruhe. —
Und ſo ward Deutſchland betrogen wie Frankreich.


18 *
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[275/0471] ſtand auf und ſchlug ſich zu dem Feinde. Da ergrimmte das Volk und erhob ſich in ſeiner Kraft. Es erdrückte die Ver- räther und zerſchmetterte die Söldner der Könige. Die junge Freiheit wuchs im Blut der Tyrannen, und vor ihrer Stimme bebten die Throne und jauchzten die Völker. Aber die Franzoſen verkauften ſelbſt ihre junge Freiheit für den Ruhm, den ihnen Napoleon darbot und erhoben ihn auf den Kaiſer- thron. — Da ließ der Allmächtige das Heer des Kaiſers in Rußland erfrieren und züchtigte Frankreich durch die Knute der Koſaken und gab den Franzoſen die dickwanſtigen Bour- bonen wieder zu Königen, damit Frankreich ſich bekehre vom Götzendienſt der erblichen Königsherrſchaft und dem Gotte diene, der die Menſchen frei und gleich geſchaffen. Aber als die Zeit ſeiner Strafe verfloſſen war, und tapfere Männer im Julius 1830 den meineidigen König Karl den Zehnten aus dem Lande jagten, da wendete dennoch das befreite Frankreich ſich abermals zur halberblichen Königsherrſchaft und band ſich in dem Heuchler Louis Philipp eine neue Zuchtruthe auf. In Deutſchland und ganz Europa aber war große Freude, als der zehnte Karl vom Thron geſtürzt ward, und die unterdrückten deutſchen Länder richteten ſich zum Kampfe für die Freiheit. Da rathſchlagten die Fürſten, wie ſie dem Grimm des Volkes entgehen ſollten und die liſtigen unter ihnen ſagten: Laßt uns einen Theil unſerer Gewalt abgeben, daß wir das Uebrige behalten. Und ſie traten vor das Volk und ſprachen: Wir wollen euch die Freiheit ſchenken, um die ihr kämpfen wollt. — Und zitternd vor Furcht warfen ſie einige Brocken hin und ſprachen von ihrer Gnade. Das Volk traute ihnen leider und legte ſich zur Ruhe. — Und ſo ward Deutſchland betrogen wie Frankreich. 18 *

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/471>, abgerufen am 24.11.2024.