gebt ihm ein Scepter in die Hand, aber es ist eine Ruthe, womit ihr gezüchtigt werdet; ihr setzt ihn auf eueren Thron, aber es ist ein Marterstuhl für euch und eure Kinder. Der Fürst ist der Kopf des Blutegels, der über euch hinkriecht, die Minister sind seine Zähne, und die Beamten sein Schwanz. Die hungrigen Mägen aller vornehmen Herrn, denen er die hohen Stellen vertheilt, sind Schröpfköpfe, die er dem Lande setzt. Das L. das unter seinen Verordnungen steht, ist das Malzeichen des Thieres, das die Götzendiener unserer Zeit anbeten. Der Fürstenmantel ist der Teppich, auf dem sich die Herrn und Damen vom Adel und Hofe in ihrer Geilheit übereinander wälzen -- mit Orden und Bändern decken sie ihre Geschwüre, und mit kostbaren Ge- wändern bekleiden sie ihre aussätzigen Leiber. Die Töchter des Volks sind ihre Mägde und Huren, die Söhne des Volks ihre Lakaien und Soldaten. Geht einmal nach Darmstadt und seht, wie die Herrn sich für euer Geld dort lustig machen, und erzählt dann euern hungernden Weibern und Kindern, daß ihr Brod an fremden Bäuchen herrlich angeschlagen sei, erzählt ihnen von den schönen Kleidern, die in ihrem Schweiß gefärbt, und von den zierlichen Bändern, die aus den Schwielen ihrer Hände geschnitten sind, erzählt von den stattlichen Häusern, die aus den Knochen des Volks gebaut sind; und dann kriecht in eure rauchigen Hütten und bückt euch auf euren steinigten Aeckern, damit eure Kinder auch einmal hingehen können, wenn ein Erbprinz mit einer Erbprinzessin für einen anderen Erbprinzen Rath schaffen will, und durch die geöffneten Glasthüren das Tischtuch sehen, woran die Herrn speisen, und die Lampen riechen, aus denen man mit dem Fett der Bauern illuminirt. Das alles
gebt ihm ein Scepter in die Hand, aber es iſt eine Ruthe, womit ihr gezüchtigt werdet; ihr ſetzt ihn auf eueren Thron, aber es iſt ein Marterſtuhl für euch und eure Kinder. Der Fürſt iſt der Kopf des Blutegels, der über euch hinkriecht, die Miniſter ſind ſeine Zähne, und die Beamten ſein Schwanz. Die hungrigen Mägen aller vornehmen Herrn, denen er die hohen Stellen vertheilt, ſind Schröpfköpfe, die er dem Lande ſetzt. Das L. das unter ſeinen Verordnungen ſteht, iſt das Malzeichen des Thieres, das die Götzendiener unſerer Zeit anbeten. Der Fürſtenmantel iſt der Teppich, auf dem ſich die Herrn und Damen vom Adel und Hofe in ihrer Geilheit übereinander wälzen — mit Orden und Bändern decken ſie ihre Geſchwüre, und mit koſtbaren Ge- wändern bekleiden ſie ihre ausſätzigen Leiber. Die Töchter des Volks ſind ihre Mägde und Huren, die Söhne des Volks ihre Lakaien und Soldaten. Geht einmal nach Darmſtadt und ſeht, wie die Herrn ſich für euer Geld dort luſtig machen, und erzählt dann euern hungernden Weibern und Kindern, daß ihr Brod an fremden Bäuchen herrlich angeſchlagen ſei, erzählt ihnen von den ſchönen Kleidern, die in ihrem Schweiß gefärbt, und von den zierlichen Bändern, die aus den Schwielen ihrer Hände geſchnitten ſind, erzählt von den ſtattlichen Häuſern, die aus den Knochen des Volks gebaut ſind; und dann kriecht in eure rauchigen Hütten und bückt euch auf euren ſteinigten Aeckern, damit eure Kinder auch einmal hingehen können, wenn ein Erbprinz mit einer Erbprinzeſſin für einen anderen Erbprinzen Rath ſchaffen will, und durch die geöffneten Glasthüren das Tiſchtuch ſehen, woran die Herrn ſpeiſen, und die Lampen riechen, aus denen man mit dem Fett der Bauern illuminirt. Das alles
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gebt ihm ein Scepter in die Hand, aber es iſt eine Ruthe,
womit ihr gezüchtigt werdet; ihr ſetzt ihn auf eueren Thron,
aber es iſt ein Marterſtuhl für euch und eure Kinder. Der
Fürſt iſt der Kopf des Blutegels, der über euch hinkriecht,
die Miniſter ſind ſeine Zähne, und die Beamten ſein
Schwanz. Die hungrigen Mägen aller vornehmen Herrn,
denen er die hohen Stellen vertheilt, ſind Schröpfköpfe, die
er dem Lande ſetzt. Das L. das unter ſeinen Verordnungen
ſteht, iſt das Malzeichen des Thieres, das die Götzendiener
unſerer Zeit anbeten. Der Fürſtenmantel iſt der Teppich,
auf dem ſich die Herrn und Damen vom Adel und Hofe in
ihrer Geilheit übereinander wälzen — mit Orden und
Bändern decken ſie ihre Geſchwüre, und mit koſtbaren Ge-
wändern bekleiden ſie ihre ausſätzigen Leiber. Die Töchter
des Volks ſind ihre Mägde und Huren, die Söhne des
Volks ihre Lakaien und Soldaten. Geht einmal nach
Darmſtadt und ſeht, wie die Herrn ſich für euer Geld dort
luſtig machen, und erzählt dann euern hungernden Weibern
und Kindern, daß ihr Brod an fremden Bäuchen herrlich
angeſchlagen ſei, erzählt ihnen von den ſchönen Kleidern, die
in ihrem Schweiß gefärbt, und von den zierlichen Bändern,
die aus den Schwielen ihrer Hände geſchnitten ſind, erzählt
von den ſtattlichen Häuſern, die aus den Knochen des Volks
gebaut ſind; und dann kriecht in eure rauchigen Hütten und
bückt euch auf euren ſteinigten Aeckern, damit eure Kinder
auch einmal hingehen können, wenn ein Erbprinz mit einer
Erbprinzeſſin für einen anderen Erbprinzen Rath ſchaffen
will, und durch die geöffneten Glasthüren das Tiſchtuch
ſehen, woran die Herrn ſpeiſen, und die Lampen riechen, aus
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/468>, abgerufen am 24.11.2024.
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