Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

und es sind Verordnungen oder Gesetze vorhanden, nach denen
jeder sich richten muß, so sagt man, sie bilden einen Staat.
Der Staat also sind Alle; die Ordner im Staate sind die
Gesetze, durch welche das Wohl Aller gesichert wird, und
die aus dem Wohl Aller hervorgehen sollen. -- Seht
nun, was man in dem Großherzogthum aus dem Staat
gemacht hat; seht was es heißt: die Ordnung im Staate
erhalten! 700,000 Menschen bezahlen dafür 6 Millionen,
d. h. sie werden zu Ackergäulen und Pflugstieren gemacht,
damit sie in Ordnung leben. In Ordnung leben heißt
hungern und geschunden werden.

Wer sind denn die, welche diese Ordnung gemacht
haben, und die wachen, diese Ordnung zu erhalten? Das ist
die Großherzogliche Regierung. Die Regierung wird ge-
bildet von dem Großherzog und seinen obersten Beamten,
die anderen Beamten sind Männer, die von der Regierung
berufen werden, um jene Ordnung in Kraft zu erhalten.
Ihre Anzahl ist Legion: Staatsräthe und Regierungsräthe,
Landräthe und Kreisräthe, Geistliche Räthe und Schulräthe,
Finanzräthe und Forsträthe u. s. w. mit allem ihrem Heer
von Sekretären u. s. w. Das Volk ist ihre Heerde, sie
sind seine Hirten, Melker und Schinder; sie haben die Häute
der Bauern an, der Raub der Armen ist in ihrem Hause;
die Thränen der Wittwen und Waisen sind das Schmalz
auf ihren Gesichtern; sie herrschen frei und ermahnen das
Volk zur Knechtschaft. Ihnen gebt ihr 6,000,000 fl. Ab-
gaben; sie haben dafür die Mühe, euch zu regieren; d. h. sich
von euch füttern zu lassen und euch euere Menschen- und
Bürgerrechte zu rauben. Sehet, was die Ernte eueres
Schweißes ist!


und es ſind Verordnungen oder Geſetze vorhanden, nach denen
jeder ſich richten muß, ſo ſagt man, ſie bilden einen Staat.
Der Staat alſo ſind Alle; die Ordner im Staate ſind die
Geſetze, durch welche das Wohl Aller geſichert wird, und
die aus dem Wohl Aller hervorgehen ſollen. — Seht
nun, was man in dem Großherzogthum aus dem Staat
gemacht hat; ſeht was es heißt: die Ordnung im Staate
erhalten! 700,000 Menſchen bezahlen dafür 6 Millionen,
d. h. ſie werden zu Ackergäulen und Pflugſtieren gemacht,
damit ſie in Ordnung leben. In Ordnung leben heißt
hungern und geſchunden werden.

Wer ſind denn die, welche dieſe Ordnung gemacht
haben, und die wachen, dieſe Ordnung zu erhalten? Das iſt
die Großherzogliche Regierung. Die Regierung wird ge-
bildet von dem Großherzog und ſeinen oberſten Beamten,
die anderen Beamten ſind Männer, die von der Regierung
berufen werden, um jene Ordnung in Kraft zu erhalten.
Ihre Anzahl iſt Legion: Staatsräthe und Regierungsräthe,
Landräthe und Kreisräthe, Geiſtliche Räthe und Schulräthe,
Finanzräthe und Forſträthe u. ſ. w. mit allem ihrem Heer
von Sekretären u. ſ. w. Das Volk iſt ihre Heerde, ſie
ſind ſeine Hirten, Melker und Schinder; ſie haben die Häute
der Bauern an, der Raub der Armen iſt in ihrem Hauſe;
die Thränen der Wittwen und Waiſen ſind das Schmalz
auf ihren Geſichtern; ſie herrſchen frei und ermahnen das
Volk zur Knechtſchaft. Ihnen gebt ihr 6,000,000 fl. Ab-
gaben; ſie haben dafür die Mühe, euch zu regieren; d. h. ſich
von euch füttern zu laſſen und euch euere Menſchen- und
Bürgerrechte zu rauben. Sehet, was die Ernte eueres
Schweißes iſt!


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0463" n="267"/>
und es &#x017F;ind Verordnungen oder Ge&#x017F;etze vorhanden, nach denen<lb/>
jeder &#x017F;ich richten muß, &#x017F;o &#x017F;agt man, &#x017F;ie bilden einen Staat.<lb/>
Der Staat al&#x017F;o &#x017F;ind <hi rendition="#g">Alle</hi>; die Ordner im Staate &#x017F;ind die<lb/>
Ge&#x017F;etze, durch welche das Wohl <hi rendition="#g">Aller</hi> ge&#x017F;ichert wird, und<lb/>
die aus dem Wohl <hi rendition="#g">Aller</hi> hervorgehen &#x017F;ollen. &#x2014; Seht<lb/>
nun, was man in dem Großherzogthum aus dem Staat<lb/>
gemacht hat; &#x017F;eht was es heißt: die Ordnung im Staate<lb/>
erhalten! 700,000 Men&#x017F;chen bezahlen dafür 6 Millionen,<lb/>
d. h. &#x017F;ie werden zu Ackergäulen und Pflug&#x017F;tieren gemacht,<lb/>
damit &#x017F;ie in Ordnung leben. In Ordnung leben heißt<lb/>
hungern und ge&#x017F;chunden werden.</p><lb/>
              <p>Wer &#x017F;ind denn die, welche die&#x017F;e Ordnung gemacht<lb/>
haben, und die wachen, die&#x017F;e Ordnung zu erhalten? Das i&#x017F;t<lb/>
die Großherzogliche Regierung. Die Regierung wird ge-<lb/>
bildet von dem Großherzog und &#x017F;einen ober&#x017F;ten Beamten,<lb/>
die anderen Beamten &#x017F;ind Männer, die von der Regierung<lb/>
berufen werden, um jene Ordnung in Kraft zu erhalten.<lb/>
Ihre Anzahl i&#x017F;t Legion: Staatsräthe und Regierungsräthe,<lb/>
Landräthe und Kreisräthe, Gei&#x017F;tliche Räthe und Schulräthe,<lb/>
Finanzräthe und For&#x017F;träthe u. &#x017F;. w. mit allem ihrem Heer<lb/>
von Sekretären u. &#x017F;. w. Das Volk i&#x017F;t ihre Heerde, &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;eine Hirten, Melker und Schinder; &#x017F;ie haben die Häute<lb/>
der Bauern an, der Raub der Armen i&#x017F;t in ihrem Hau&#x017F;e;<lb/>
die Thränen der Wittwen und Wai&#x017F;en &#x017F;ind das Schmalz<lb/>
auf ihren Ge&#x017F;ichtern; &#x017F;ie herr&#x017F;chen frei und ermahnen das<lb/>
Volk zur Knecht&#x017F;chaft. Ihnen gebt ihr 6,000,000 fl. Ab-<lb/>
gaben; &#x017F;ie haben dafür die Mühe, euch zu regieren; d. h. &#x017F;ich<lb/>
von euch füttern zu la&#x017F;&#x017F;en und euch euere Men&#x017F;chen- und<lb/>
Bürgerrechte zu rauben. Sehet, was die Ernte eueres<lb/>
Schweißes i&#x017F;t!</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0463] und es ſind Verordnungen oder Geſetze vorhanden, nach denen jeder ſich richten muß, ſo ſagt man, ſie bilden einen Staat. Der Staat alſo ſind Alle; die Ordner im Staate ſind die Geſetze, durch welche das Wohl Aller geſichert wird, und die aus dem Wohl Aller hervorgehen ſollen. — Seht nun, was man in dem Großherzogthum aus dem Staat gemacht hat; ſeht was es heißt: die Ordnung im Staate erhalten! 700,000 Menſchen bezahlen dafür 6 Millionen, d. h. ſie werden zu Ackergäulen und Pflugſtieren gemacht, damit ſie in Ordnung leben. In Ordnung leben heißt hungern und geſchunden werden. Wer ſind denn die, welche dieſe Ordnung gemacht haben, und die wachen, dieſe Ordnung zu erhalten? Das iſt die Großherzogliche Regierung. Die Regierung wird ge- bildet von dem Großherzog und ſeinen oberſten Beamten, die anderen Beamten ſind Männer, die von der Regierung berufen werden, um jene Ordnung in Kraft zu erhalten. Ihre Anzahl iſt Legion: Staatsräthe und Regierungsräthe, Landräthe und Kreisräthe, Geiſtliche Räthe und Schulräthe, Finanzräthe und Forſträthe u. ſ. w. mit allem ihrem Heer von Sekretären u. ſ. w. Das Volk iſt ihre Heerde, ſie ſind ſeine Hirten, Melker und Schinder; ſie haben die Häute der Bauern an, der Raub der Armen iſt in ihrem Hauſe; die Thränen der Wittwen und Waiſen ſind das Schmalz auf ihren Geſichtern; ſie herrſchen frei und ermahnen das Volk zur Knechtſchaft. Ihnen gebt ihr 6,000,000 fl. Ab- gaben; ſie haben dafür die Mühe, euch zu regieren; d. h. ſich von euch füttern zu laſſen und euch euere Menſchen- und Bürgerrechte zu rauben. Sehet, was die Ernte eueres Schweißes iſt!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/463
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/463>, abgerufen am 19.05.2024.