unbeschreibliche Angst befiel ihn, er hatte das Ende seines Satzes verloren; dann meinte er, er müsse das zuletzt ge- sprochene Wort behalten und immer sprechen, nur mit großer Anstrengung unterdrückte er diese Gelüste. Es bekümmerte die guten Leute tief, wenn er manchmal in ruhigen Augen- blicken bei ihnen saß und unbefangen sprach, und er dann stotterte, und eine unaussprechliche Angst sich in seinen Zügen malte, er die Personen, die ihm zunächst saßen, krampfhaft am Arme faßte und erst nach und nach wieder zu sich kam. War er allein, oder las er, war's noch ärger, all seine geistige Thätigkeit blieb manchmal in einem Gedanken hängen; dachte er an eine fremde Person, oder stellte er sie sich lebhaft vor, so war es ihm, als würde er sie selbst, er verwirrte sich selbst, und dabei hatte er einen unendlichen Trieb, mit Allem um ihn im Geiste willkürlich umzugehen; die Natur, Menschen, nur Oberlin ausgenommen, -- Alles traumartig, kalt; er amüsirte sich, die Häuser auf die Dächer zu stellen, die Menschen an- und auszukleiden, die wahn- witzigsten Possen auszusinnen. Manchmal fühlte er einen unwiderstehlichen Drang, das Ding, das er gerade im Sinne hatte, auszuführen, und dann schnitt er entsetzliche Fratzen. Einst saß er neben Oberlin, die Katze lag gegenüber auf einem Stuhl. Plötzlich wurden seine Augen starr, er hielt sie unverrückt auf das Thier gerichtet; dann glitt er lang- sam den Stuhl hinunter, die Katze ebenfalls, sie war wie bezaubert von seinem Blick, sie gerieth in ungeheure Angst, sie sträubte sich scheu, Lenz mit den nämlichen Tönen, mit fürchterlichem, entstelltem Gesichte; wie in Verzweiflung stürzten Beide aufeinander los, da endlich erhob sich Madame Oberlin, um sie zu trennen. Dann war er wieder tief be-
unbeſchreibliche Angſt befiel ihn, er hatte das Ende ſeines Satzes verloren; dann meinte er, er müſſe das zuletzt ge- ſprochene Wort behalten und immer ſprechen, nur mit großer Anſtrengung unterdrückte er dieſe Gelüſte. Es bekümmerte die guten Leute tief, wenn er manchmal in ruhigen Augen- blicken bei ihnen ſaß und unbefangen ſprach, und er dann ſtotterte, und eine unausſprechliche Angſt ſich in ſeinen Zügen malte, er die Perſonen, die ihm zunächſt ſaßen, krampfhaft am Arme faßte und erſt nach und nach wieder zu ſich kam. War er allein, oder las er, war's noch ärger, all ſeine geiſtige Thätigkeit blieb manchmal in einem Gedanken hängen; dachte er an eine fremde Perſon, oder ſtellte er ſie ſich lebhaft vor, ſo war es ihm, als würde er ſie ſelbſt, er verwirrte ſich ſelbſt, und dabei hatte er einen unendlichen Trieb, mit Allem um ihn im Geiſte willkürlich umzugehen; die Natur, Menſchen, nur Oberlin ausgenommen, — Alles traumartig, kalt; er amüſirte ſich, die Häuſer auf die Dächer zu ſtellen, die Menſchen an- und auszukleiden, die wahn- witzigſten Poſſen auszuſinnen. Manchmal fühlte er einen unwiderſtehlichen Drang, das Ding, das er gerade im Sinne hatte, auszuführen, und dann ſchnitt er entſetzliche Fratzen. Einſt ſaß er neben Oberlin, die Katze lag gegenüber auf einem Stuhl. Plötzlich wurden ſeine Augen ſtarr, er hielt ſie unverrückt auf das Thier gerichtet; dann glitt er lang- ſam den Stuhl hinunter, die Katze ebenfalls, ſie war wie bezaubert von ſeinem Blick, ſie gerieth in ungeheure Angſt, ſie ſträubte ſich ſcheu, Lenz mit den nämlichen Tönen, mit fürchterlichem, entſtelltem Geſichte; wie in Verzweiflung ſtürzten Beide aufeinander los, da endlich erhob ſich Madame Oberlin, um ſie zu trennen. Dann war er wieder tief be-
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unbeſchreibliche Angſt befiel ihn, er hatte das Ende ſeines
Satzes verloren; dann meinte er, er müſſe das zuletzt ge-
ſprochene Wort behalten und immer ſprechen, nur mit großer
Anſtrengung unterdrückte er dieſe Gelüſte. Es bekümmerte
die guten Leute tief, wenn er manchmal in ruhigen Augen-
blicken bei ihnen ſaß und unbefangen ſprach, und er dann
ſtotterte, und eine unausſprechliche Angſt ſich in ſeinen
Zügen malte, er die Perſonen, die ihm zunächſt ſaßen,
krampfhaft am Arme faßte und erſt nach und nach wieder
zu ſich kam. War er allein, oder las er, war's noch ärger,
all ſeine geiſtige Thätigkeit blieb manchmal in einem Gedanken
hängen; dachte er an eine fremde Perſon, oder ſtellte er ſie
ſich lebhaft vor, ſo war es ihm, als würde er ſie ſelbſt, er
verwirrte ſich ſelbſt, und dabei hatte er einen unendlichen
Trieb, mit Allem um ihn im Geiſte willkürlich umzugehen;
die Natur, Menſchen, nur Oberlin ausgenommen, — Alles
traumartig, kalt; er amüſirte ſich, die Häuſer auf die Dächer
zu ſtellen, die Menſchen an- und auszukleiden, die wahn-
witzigſten Poſſen auszuſinnen. Manchmal fühlte er einen
unwiderſtehlichen Drang, das Ding, das er gerade im Sinne
hatte, auszuführen, und dann ſchnitt er entſetzliche Fratzen.
Einſt ſaß er neben Oberlin, die Katze lag gegenüber auf
einem Stuhl. Plötzlich wurden ſeine Augen ſtarr, er hielt
ſie unverrückt auf das Thier gerichtet; dann glitt er lang-
ſam den Stuhl hinunter, die Katze ebenfalls, ſie war wie
bezaubert von ſeinem Blick, ſie gerieth in ungeheure Angſt,
ſie ſträubte ſich ſcheu, Lenz mit den nämlichen Tönen, mit
fürchterlichem, entſtelltem Geſichte; wie in Verzweiflung
ſtürzten Beide aufeinander los, da endlich erhob ſich Madame
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/431>, abgerufen am 25.11.2024.
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