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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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geben hätte, er möchte ruhig sein, seine Sache mit Gott
allein ausmachen, alle möglichen Schläge würden keine
einzige seiner Sünden tilgen; dafür hätte Jesus gesorgt, zu
dem möchte er sich wenden. Er ging.

Beim Nachtessen war er wie gewöhnlich etwas tief-
sinnig. Doch sprach er von allerlei, aber mit ängstlicher
Hast. Um Mitternacht wurde Oberlin durch ein Geräusch
geweckt. Lenz rannte durch den Hof, rief mit hohler, harter
Stimme den Namen Friederike, mit äußerster Schnelle, Ver-
wirrung und Verzweiflung ausgesprochen, er stürzte sich dann
in den Brunnentrog, patschte darin, wieder heraus und
herauf in sein Zimmer, wieder herunter in den Trog, und
so einige Mal, endlich wurde er still. Die Mägde, die in
der Kinderstube unter ihm schliefen, sagten, sie hätten oft,
insonderheit aber in selbiger Nacht, ein Brummen gehört,
das sie mit nichts als mit dem Tone einer Haberpfeife zu
vergleichen wußten. Vielleicht war es sein Winseln, mit
hohler, fürchterlicher, verzweifelnder Stimme.

Am folgenden Morgen kam Lenz lange nicht. Endlich
ging Oberlin hinauf in sein Zimmer, er lag im Bett ruhig
und unbeweglich. Oberlin mußte lange fragen, ehe er Ant-
wort bekam; endlich sagte er: Ja, Herr Pfarrer, sehen Sie,
die Langeweile! die Langeweile! o! so langweilig, ich weiß
gar nicht mehr, was ich sagen soll, ich habe schon alle
Figuren auf die Wand gezeichnet. Oberlin sagte ihm, er
möge sich zu Gott wenden; da lachte er und sagte: ja wenn
ich so glücklich wäre, wie Sie, einen so behaglichen Zeit-
vertreib aufzufinden, ja man könnte sich die Zeit schon so
ausfüllen. Alles aus Müßiggang. Denn die Meisten beten
aus Langeweile, die Anderen verlieben sich aus Langeweile,

geben hätte, er möchte ruhig ſein, ſeine Sache mit Gott
allein ausmachen, alle möglichen Schläge würden keine
einzige ſeiner Sünden tilgen; dafür hätte Jeſus geſorgt, zu
dem möchte er ſich wenden. Er ging.

Beim Nachteſſen war er wie gewöhnlich etwas tief-
ſinnig. Doch ſprach er von allerlei, aber mit ängſtlicher
Haſt. Um Mitternacht wurde Oberlin durch ein Geräuſch
geweckt. Lenz rannte durch den Hof, rief mit hohler, harter
Stimme den Namen Friederike, mit äußerſter Schnelle, Ver-
wirrung und Verzweiflung ausgeſprochen, er ſtürzte ſich dann
in den Brunnentrog, patſchte darin, wieder heraus und
herauf in ſein Zimmer, wieder herunter in den Trog, und
ſo einige Mal, endlich wurde er ſtill. Die Mägde, die in
der Kinderſtube unter ihm ſchliefen, ſagten, ſie hätten oft,
inſonderheit aber in ſelbiger Nacht, ein Brummen gehört,
das ſie mit nichts als mit dem Tone einer Haberpfeife zu
vergleichen wußten. Vielleicht war es ſein Winſeln, mit
hohler, fürchterlicher, verzweifelnder Stimme.

Am folgenden Morgen kam Lenz lange nicht. Endlich
ging Oberlin hinauf in ſein Zimmer, er lag im Bett ruhig
und unbeweglich. Oberlin mußte lange fragen, ehe er Ant-
wort bekam; endlich ſagte er: Ja, Herr Pfarrer, ſehen Sie,
die Langeweile! die Langeweile! o! ſo langweilig, ich weiß
gar nicht mehr, was ich ſagen ſoll, ich habe ſchon alle
Figuren auf die Wand gezeichnet. Oberlin ſagte ihm, er
möge ſich zu Gott wenden; da lachte er und ſagte: ja wenn
ich ſo glücklich wäre, wie Sie, einen ſo behaglichen Zeit-
vertreib aufzufinden, ja man könnte ſich die Zeit ſchon ſo
ausfüllen. Alles aus Müßiggang. Denn die Meiſten beten
aus Langeweile, die Anderen verlieben ſich aus Langeweile,

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[231/0427] geben hätte, er möchte ruhig ſein, ſeine Sache mit Gott allein ausmachen, alle möglichen Schläge würden keine einzige ſeiner Sünden tilgen; dafür hätte Jeſus geſorgt, zu dem möchte er ſich wenden. Er ging. Beim Nachteſſen war er wie gewöhnlich etwas tief- ſinnig. Doch ſprach er von allerlei, aber mit ängſtlicher Haſt. Um Mitternacht wurde Oberlin durch ein Geräuſch geweckt. Lenz rannte durch den Hof, rief mit hohler, harter Stimme den Namen Friederike, mit äußerſter Schnelle, Ver- wirrung und Verzweiflung ausgeſprochen, er ſtürzte ſich dann in den Brunnentrog, patſchte darin, wieder heraus und herauf in ſein Zimmer, wieder herunter in den Trog, und ſo einige Mal, endlich wurde er ſtill. Die Mägde, die in der Kinderſtube unter ihm ſchliefen, ſagten, ſie hätten oft, inſonderheit aber in ſelbiger Nacht, ein Brummen gehört, das ſie mit nichts als mit dem Tone einer Haberpfeife zu vergleichen wußten. Vielleicht war es ſein Winſeln, mit hohler, fürchterlicher, verzweifelnder Stimme. Am folgenden Morgen kam Lenz lange nicht. Endlich ging Oberlin hinauf in ſein Zimmer, er lag im Bett ruhig und unbeweglich. Oberlin mußte lange fragen, ehe er Ant- wort bekam; endlich ſagte er: Ja, Herr Pfarrer, ſehen Sie, die Langeweile! die Langeweile! o! ſo langweilig, ich weiß gar nicht mehr, was ich ſagen ſoll, ich habe ſchon alle Figuren auf die Wand gezeichnet. Oberlin ſagte ihm, er möge ſich zu Gott wenden; da lachte er und ſagte: ja wenn ich ſo glücklich wäre, wie Sie, einen ſo behaglichen Zeit- vertreib aufzufinden, ja man könnte ſich die Zeit ſchon ſo ausfüllen. Alles aus Müßiggang. Denn die Meiſten beten aus Langeweile, die Anderen verlieben ſich aus Langeweile,

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/427>, abgerufen am 25.11.2024.