als wär' ihr die Welt zu weit, sie zog sich so in sich zurück, sie suchte das engste Plätzchen im ganzen Haus, und da saß sie, als wäre ihre ganze Seligkeit nur in einem kleinen Punkt, und dann war mir's auch so; wie ein Kind hätte ich dann spielen können. Jetzt ist es mir so eng, so eng, sehen Sie, es ist mir manchmal, als stieß' ich mit den Händen an den Himmel; o ich ersticke! Es ist mir dabei oft, als fühlt' ich physischen Schmerz, da in der linken Seite, im Arm, womit ich sie sonst faßte. Doch kann ich sie mir nicht mehr vorstellen, das Bild läuft mir fort, und dies martert mich; nur wenn es mir manchmal ganz hell wird, so ist mir wieder recht wohl". -- Er sprach später noch oft mit Madame Oberlin davon, aber meist in abge- brochenen Sätzen; sie wußte wenig zu antworten, doch that es ihm wohl.
Unterdessen ging es fort mit seinen religiösen Quälereien. Je leerer, je kälter, je sterbender er sich innerlich fühlte, desto mehr drängte es ihn, eine Gluth in sich zu wecken, es kamen ihm Erinnerungen an die Zeiten, wo Alles in ihm sich drängte, wo er unter all seinen Empfindungen keuchte; und jetzt so todt! Er verzweifelte an sich selbst, dann warf er sich nieder, er rang die Hände, er rührte Alles in sich auf; aber todt! Dann flehte er, Gott möge ein Zeichen an ihm thun, dann wühlte er in sich, fastete, lag träumend am Boden. Am dritten Hornung hörte er, ein Kind in Fouday sei gestorben, er faßte es auf, wie eine fixe Idee. Er zog sich in sein Zimmer und fastete einen Tag. Am vierten trat er plötzlich ins Zimmer zu Madame Oberlin, er hatte sich das Gesicht mit Asche beschmiert und forderte einen alten Sack; sie erschrack, man gab ihm, was er ver-
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als wär' ihr die Welt zu weit, ſie zog ſich ſo in ſich zurück, ſie ſuchte das engſte Plätzchen im ganzen Haus, und da ſaß ſie, als wäre ihre ganze Seligkeit nur in einem kleinen Punkt, und dann war mir's auch ſo; wie ein Kind hätte ich dann ſpielen können. Jetzt iſt es mir ſo eng, ſo eng, ſehen Sie, es iſt mir manchmal, als ſtieß' ich mit den Händen an den Himmel; o ich erſticke! Es iſt mir dabei oft, als fühlt' ich phyſiſchen Schmerz, da in der linken Seite, im Arm, womit ich ſie ſonſt faßte. Doch kann ich ſie mir nicht mehr vorſtellen, das Bild läuft mir fort, und dies martert mich; nur wenn es mir manchmal ganz hell wird, ſo iſt mir wieder recht wohl". — Er ſprach ſpäter noch oft mit Madame Oberlin davon, aber meiſt in abge- brochenen Sätzen; ſie wußte wenig zu antworten, doch that es ihm wohl.
Unterdeſſen ging es fort mit ſeinen religiöſen Quälereien. Je leerer, je kälter, je ſterbender er ſich innerlich fühlte, deſto mehr drängte es ihn, eine Gluth in ſich zu wecken, es kamen ihm Erinnerungen an die Zeiten, wo Alles in ihm ſich drängte, wo er unter all ſeinen Empfindungen keuchte; und jetzt ſo todt! Er verzweifelte an ſich ſelbſt, dann warf er ſich nieder, er rang die Hände, er rührte Alles in ſich auf; aber todt! Dann flehte er, Gott möge ein Zeichen an ihm thun, dann wühlte er in ſich, faſtete, lag träumend am Boden. Am dritten Hornung hörte er, ein Kind in Fouday ſei geſtorben, er faßte es auf, wie eine fixe Idee. Er zog ſich in ſein Zimmer und faſtete einen Tag. Am vierten trat er plötzlich ins Zimmer zu Madame Oberlin, er hatte ſich das Geſicht mit Aſche beſchmiert und forderte einen alten Sack; ſie erſchrack, man gab ihm, was er ver-
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als wär' ihr die Welt zu weit, ſie zog ſich ſo in ſich zurück,
ſie ſuchte das engſte Plätzchen im ganzen Haus, und da ſaß
ſie, als wäre ihre ganze Seligkeit nur in einem kleinen
Punkt, und dann war mir's auch ſo; wie ein Kind hätte
ich dann ſpielen können. Jetzt iſt es mir ſo eng, ſo eng,
ſehen Sie, es iſt mir manchmal, als ſtieß' ich mit den
Händen an den Himmel; o ich erſticke! Es iſt mir dabei
oft, als fühlt' ich phyſiſchen Schmerz, da in der linken
Seite, im Arm, womit ich ſie ſonſt faßte. Doch kann ich
ſie mir nicht mehr vorſtellen, das Bild läuft mir fort, und
dies martert mich; nur wenn es mir manchmal ganz hell
wird, ſo iſt mir wieder recht wohl". — Er ſprach ſpäter
noch oft mit Madame Oberlin davon, aber meiſt in abge-
brochenen Sätzen; ſie wußte wenig zu antworten, doch that
es ihm wohl.
Unterdeſſen ging es fort mit ſeinen religiöſen Quälereien.
Je leerer, je kälter, je ſterbender er ſich innerlich fühlte,
deſto mehr drängte es ihn, eine Gluth in ſich zu wecken, es
kamen ihm Erinnerungen an die Zeiten, wo Alles in ihm
ſich drängte, wo er unter all ſeinen Empfindungen keuchte;
und jetzt ſo todt! Er verzweifelte an ſich ſelbſt, dann warf
er ſich nieder, er rang die Hände, er rührte Alles in ſich
auf; aber todt! Dann flehte er, Gott möge ein Zeichen
an ihm thun, dann wühlte er in ſich, faſtete, lag träumend
am Boden. Am dritten Hornung hörte er, ein Kind in
Fouday ſei geſtorben, er faßte es auf, wie eine fixe Idee.
Er zog ſich in ſein Zimmer und faſtete einen Tag. Am
vierten trat er plötzlich ins Zimmer zu Madame Oberlin,
er hatte ſich das Geſicht mit Aſche beſchmiert und forderte
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/423>, abgerufen am 25.11.2024.
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