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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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geistig fühlte und lebte, um so abgestumpfter würde dieser
elementarische Sinn; er halte ihn nicht für einen hohen
Zustand, er sei nicht selbstständig genug, aber er meine, es
müsse ein unendliches Wonnegefühl sein, so von dem eigen-
thümlichen Leben jeder Form berührt zu werden, für Gesteine,
Metalle, Wasser und Pflanzen eine Seele zu haben, so
traumartig jedes Wesen in der Natur in sich aufzunehmen,
wie die Blumen mit dem Zu- und Abnehmen des Mondes
die Luft.

Er sprach sich selbst weiter aus, wie in Allem eine
unaussprechliche Harmonie, ein Ton, eine Seligkeit sei, die
in den höheren Formen mit mehr Organen aus sich heraus-
griffe, tönte, auffaßte und dafür aber auch um so tiefer
afficirt würde; wie in den niedrigen Formen Alles zurück-
gedrängter, beschränkter, dafür aber auch die Ruhe in sich
größer sei. Er verfolgte das noch weiter. Oberlin brach
es ab, es führte ihn zu weit von seiner einfachen Art ab.
Ein andermal zeigte ihm Oberlin Farbentäfelchen, er setzte
ihm auseinander, in welcher Beziehung jede Farbe mit dem
Menschen stände; er brachte zwölf Apostel heraus, deren
jeder durch eine Farbe repräsentirt würde. Lenz faßte das
auf, er spann die Sache weiter, kam in ängstliche Träume,
fing an wie Stilling die Apocalypse zu lesen, und las viel
in der Bibel.

Um diese Zeit kam Kaufmann mit seiner Braut ins
Steinthal. Lenzen war Anfangs das Zusammentreffen un-
angenehm, er hatte sich so ein Plätzchen zurechtgemacht, das
bischen Ruhe war ihm so kostbar, -- und jetzt kam ihm
Jemand entgegen, der ihn an so vieles erinnerte, mit dem
er sprechen, reden mußte, der seine Verhältnisse kannte.

geiſtig fühlte und lebte, um ſo abgeſtumpfter würde dieſer
elementariſche Sinn; er halte ihn nicht für einen hohen
Zuſtand, er ſei nicht ſelbſtſtändig genug, aber er meine, es
müſſe ein unendliches Wonnegefühl ſein, ſo von dem eigen-
thümlichen Leben jeder Form berührt zu werden, für Geſteine,
Metalle, Waſſer und Pflanzen eine Seele zu haben, ſo
traumartig jedes Weſen in der Natur in ſich aufzunehmen,
wie die Blumen mit dem Zu- und Abnehmen des Mondes
die Luft.

Er ſprach ſich ſelbſt weiter aus, wie in Allem eine
unausſprechliche Harmonie, ein Ton, eine Seligkeit ſei, die
in den höheren Formen mit mehr Organen aus ſich heraus-
griffe, tönte, auffaßte und dafür aber auch um ſo tiefer
afficirt würde; wie in den niedrigen Formen Alles zurück-
gedrängter, beſchränkter, dafür aber auch die Ruhe in ſich
größer ſei. Er verfolgte das noch weiter. Oberlin brach
es ab, es führte ihn zu weit von ſeiner einfachen Art ab.
Ein andermal zeigte ihm Oberlin Farbentäfelchen, er ſetzte
ihm auseinander, in welcher Beziehung jede Farbe mit dem
Menſchen ſtände; er brachte zwölf Apoſtel heraus, deren
jeder durch eine Farbe repräſentirt würde. Lenz faßte das
auf, er ſpann die Sache weiter, kam in ängſtliche Träume,
fing an wie Stilling die Apocalypſe zu leſen, und las viel
in der Bibel.

Um dieſe Zeit kam Kaufmann mit ſeiner Braut ins
Steinthal. Lenzen war Anfangs das Zuſammentreffen un-
angenehm, er hatte ſich ſo ein Plätzchen zurechtgemacht, das
bischen Ruhe war ihm ſo koſtbar, — und jetzt kam ihm
Jemand entgegen, der ihn an ſo vieles erinnerte, mit dem
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[217/0413] geiſtig fühlte und lebte, um ſo abgeſtumpfter würde dieſer elementariſche Sinn; er halte ihn nicht für einen hohen Zuſtand, er ſei nicht ſelbſtſtändig genug, aber er meine, es müſſe ein unendliches Wonnegefühl ſein, ſo von dem eigen- thümlichen Leben jeder Form berührt zu werden, für Geſteine, Metalle, Waſſer und Pflanzen eine Seele zu haben, ſo traumartig jedes Weſen in der Natur in ſich aufzunehmen, wie die Blumen mit dem Zu- und Abnehmen des Mondes die Luft. Er ſprach ſich ſelbſt weiter aus, wie in Allem eine unausſprechliche Harmonie, ein Ton, eine Seligkeit ſei, die in den höheren Formen mit mehr Organen aus ſich heraus- griffe, tönte, auffaßte und dafür aber auch um ſo tiefer afficirt würde; wie in den niedrigen Formen Alles zurück- gedrängter, beſchränkter, dafür aber auch die Ruhe in ſich größer ſei. Er verfolgte das noch weiter. Oberlin brach es ab, es führte ihn zu weit von ſeiner einfachen Art ab. Ein andermal zeigte ihm Oberlin Farbentäfelchen, er ſetzte ihm auseinander, in welcher Beziehung jede Farbe mit dem Menſchen ſtände; er brachte zwölf Apoſtel heraus, deren jeder durch eine Farbe repräſentirt würde. Lenz faßte das auf, er ſpann die Sache weiter, kam in ängſtliche Träume, fing an wie Stilling die Apocalypſe zu leſen, und las viel in der Bibel. Um dieſe Zeit kam Kaufmann mit ſeiner Braut ins Steinthal. Lenzen war Anfangs das Zuſammentreffen un- angenehm, er hatte ſich ſo ein Plätzchen zurechtgemacht, das bischen Ruhe war ihm ſo koſtbar, — und jetzt kam ihm Jemand entgegen, der ihn an ſo vieles erinnerte, mit dem er ſprechen, reden mußte, der ſeine Verhältniſſe kannte.

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/413>, abgerufen am 22.11.2024.