Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.
schlagenen Köpfen Fleckkugeln für ihre schmutzigen Kleider zu machen, weil du immer einen sauber gebürsteten Rock trägst? Ja, du kannst dich wehren, wenn sie dir darauf spucken oder Löcher hineinreißen; aber was geht's dich an, so lange sie dich in Ruhe lassen? Wenn sie sich nicht geniren, so herum zu gehen, hast du deßwegen das Recht, sie ins Grabloch zu sperren? Bist du der Polizeisoldat des Himmels? und -- kannst du es nicht eben so gut mit ansehen, als dein lieber Herrgott, so halte dir dein Schnupftuch vor die Augen. Robespierre. Du läugnest die Tugend? Danton. Und das Laster. Es gibt nur Epicuräer, und zwar grobe und feine; Christus war der feinste; das ist der einzige Unterschied, den ich zwischen den Menschen herausbringen kann. Jeder handelt seiner Natur gemäß, das heißt, er thut, was ihm wohl thut. -- Nicht wahr, Unbe- stechlicher, es ist grausam, dir die Absätze so von den Schuhen zu treten? Robespierre. Danton, das Laster ist zu gewissen Zeiten Hochverrath. Danton. Du darfst es nicht proscribiren, ums Himmels- willen nicht, das wäre undankbar, du bist ihm zu viel schuldig, durch den Contrast nämlich. -- Uebrigens, um bei deinen Begriffen zu bleiben, unsere Streiche müssen der Republik nützlich sein, man darf nicht die Unschuldigen mit den Schul- digen treffen. Robespierre. Wer sagt dir denn, daß ein Unschuldiger getroffen worden sei? Danton. Hörst du, Fabricius? Es starb kein Un- schuldiger! (Er geht; im Hinausgehen zu Paris): Wir dürfen
ſchlagenen Köpfen Fleckkugeln für ihre ſchmutzigen Kleider zu machen, weil du immer einen ſauber gebürſteten Rock trägſt? Ja, du kannſt dich wehren, wenn ſie dir darauf ſpucken oder Löcher hineinreißen; aber was geht's dich an, ſo lange ſie dich in Ruhe laſſen? Wenn ſie ſich nicht geniren, ſo herum zu gehen, haſt du deßwegen das Recht, ſie ins Grabloch zu ſperren? Biſt du der Polizeiſoldat des Himmels? und — kannſt du es nicht eben ſo gut mit anſehen, als dein lieber Herrgott, ſo halte dir dein Schnupftuch vor die Augen. Robespierre. Du läugneſt die Tugend? Danton. Und das Laſter. Es gibt nur Epicuräer, und zwar grobe und feine; Chriſtus war der feinſte; das iſt der einzige Unterſchied, den ich zwiſchen den Menſchen herausbringen kann. Jeder handelt ſeiner Natur gemäß, das heißt, er thut, was ihm wohl thut. — Nicht wahr, Unbe- ſtechlicher, es iſt grauſam, dir die Abſätze ſo von den Schuhen zu treten? Robespierre. Danton, das Laſter iſt zu gewiſſen Zeiten Hochverrath. Danton. Du darfſt es nicht proſcribiren, ums Himmels- willen nicht, das wäre undankbar, du biſt ihm zu viel ſchuldig, durch den Contraſt nämlich. — Uebrigens, um bei deinen Begriffen zu bleiben, unſere Streiche müſſen der Republik nützlich ſein, man darf nicht die Unſchuldigen mit den Schul- digen treffen. Robespierre. Wer ſagt dir denn, daß ein Unſchuldiger getroffen worden ſei? Danton. Hörſt du, Fabricius? Es ſtarb kein Un- ſchuldiger! (Er geht; im Hinausgehen zu Paris): Wir dürfen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="act" n="3"> <div type="scene" n="4"> <sp who="#DANTON"> <p><pb facs="#f0227" n="31"/> ſchlagenen Köpfen Fleckkugeln für ihre ſchmutzigen Kleider zu<lb/> machen, weil du immer einen ſauber gebürſteten Rock trägſt?<lb/> Ja, du kannſt dich wehren, wenn ſie dir darauf ſpucken oder<lb/> Löcher hineinreißen; aber was geht's dich an, ſo lange ſie<lb/> dich in Ruhe laſſen? Wenn ſie ſich nicht geniren, ſo herum<lb/> zu gehen, haſt du deßwegen das Recht, ſie ins Grabloch<lb/> zu ſperren? Biſt du der Polizeiſoldat des Himmels? und<lb/> — kannſt du es nicht eben ſo gut mit anſehen, als dein<lb/> lieber Herrgott, ſo halte dir dein Schnupftuch vor die<lb/> Augen.</p> </sp><lb/> <sp who="#ROB"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Robespierre.</hi> </hi> </speaker> <p>Du läugneſt die Tugend?</p> </sp><lb/> <sp who="#DANTON"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker> <p>Und das Laſter. Es gibt nur Epicuräer,<lb/> und zwar grobe und feine; Chriſtus war der feinſte; das<lb/> iſt der einzige Unterſchied, den ich zwiſchen den Menſchen<lb/> herausbringen kann. Jeder handelt ſeiner Natur gemäß, das<lb/> heißt, er thut, was ihm wohl thut. — Nicht wahr, Unbe-<lb/> ſtechlicher, es iſt grauſam, dir die Abſätze ſo von den Schuhen<lb/> zu treten?</p> </sp><lb/> <sp who="#ROB"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Robespierre.</hi> </hi> </speaker> <p>Danton, das Laſter iſt zu gewiſſen Zeiten<lb/> Hochverrath.</p> </sp><lb/> <sp who="#DANTON"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker> <p>Du darfſt es nicht proſcribiren, ums Himmels-<lb/> willen nicht, das wäre undankbar, du biſt ihm zu viel ſchuldig,<lb/> durch den Contraſt nämlich. — Uebrigens, um bei deinen<lb/> Begriffen zu bleiben, unſere Streiche müſſen der Republik<lb/> nützlich ſein, man darf nicht die Unſchuldigen mit den Schul-<lb/> digen treffen.</p> </sp><lb/> <sp who="#ROB"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Robespierre.</hi> </hi> </speaker> <p>Wer ſagt dir denn, daß ein Unſchuldiger<lb/> getroffen worden ſei?</p> </sp><lb/> <sp who="#DANTON"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker> <p>Hörſt du, Fabricius? Es ſtarb kein Un-<lb/> ſchuldiger! <stage>(Er geht; im Hinausgehen zu Paris):</stage> Wir dürfen<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [31/0227]
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Ja, du kannſt dich wehren, wenn ſie dir darauf ſpucken oder
Löcher hineinreißen; aber was geht's dich an, ſo lange ſie
dich in Ruhe laſſen? Wenn ſie ſich nicht geniren, ſo herum
zu gehen, haſt du deßwegen das Recht, ſie ins Grabloch
zu ſperren? Biſt du der Polizeiſoldat des Himmels? und
— kannſt du es nicht eben ſo gut mit anſehen, als dein
lieber Herrgott, ſo halte dir dein Schnupftuch vor die
Augen.
Robespierre. Du läugneſt die Tugend?
Danton. Und das Laſter. Es gibt nur Epicuräer,
und zwar grobe und feine; Chriſtus war der feinſte; das
iſt der einzige Unterſchied, den ich zwiſchen den Menſchen
herausbringen kann. Jeder handelt ſeiner Natur gemäß, das
heißt, er thut, was ihm wohl thut. — Nicht wahr, Unbe-
ſtechlicher, es iſt grauſam, dir die Abſätze ſo von den Schuhen
zu treten?
Robespierre. Danton, das Laſter iſt zu gewiſſen Zeiten
Hochverrath.
Danton. Du darfſt es nicht proſcribiren, ums Himmels-
willen nicht, das wäre undankbar, du biſt ihm zu viel ſchuldig,
durch den Contraſt nämlich. — Uebrigens, um bei deinen
Begriffen zu bleiben, unſere Streiche müſſen der Republik
nützlich ſein, man darf nicht die Unſchuldigen mit den Schul-
digen treffen.
Robespierre. Wer ſagt dir denn, daß ein Unſchuldiger
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ſchuldiger! (Er geht; im Hinausgehen zu Paris): Wir dürfen
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