Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite
des Tyrannen bewaffnet ist. Regiere der Despot seine thier-
ähnlichen Unterthanen durch den Schrecken, er hat Recht als
Despot. Zerschmettert durch den Schrecken die Feinde der
Freiheit, und ihr habt als Stifter der Republik nicht minder
Recht. Die Revolutionsregierung ist der Despotismus der
Freiheit gegen die Tyrannei. Erbarmen mit den Royalisten!
rufen gewisse Leute. Erbarmen mit Bösewichtern? Nein!
Erbarmen für die Unschuld, Erbarmen für die Schwäche,
Erbarmen für die Unglücklichen, Erbarmen für die Mensch-
heit! Nur dem friedlichen Bürger gebührt der Schutz der
Gesellschaft! In einer Republik sind nur Republikaner --
Bürger; Royalisten und Fremde sind Feinde. Die Unter-
drücker der Menschheit bestrafen, ist Gnade, ihnen verzeihen,
ist Barbarei. Alle Aeußerungen einer falschen Empfindsam-
keit scheinen mir Seufzer, welche nach England oder Oestreich
fliegen. -- Aber, nicht zufrieden, den Arm des Volkes zu
entwaffnen, sucht man noch die heiligsten Quellen seiner
Kraft durch das Laster zu vergiften. Dies ist der feinste,
gefährlichste und abscheulichste Angriff auf die Freiheit. Nur
der höllischste Macchiavellismus, doch -- nein! ich will nicht
sagen, daß ein solcher Plan in dem Gehirne eines Menschen
hätte ausgebrütet werden können! Es mag unwillkürlich
geschehen, doch die Absicht thut nichts zur Sache, die Wirkung
bleibt die nämliche, die Gefahr ist gleich groß! Das Laster
ist das Kainszeichen des Aristokratismus. In einer Republik
ist es nicht nur ein moralisches, sondern auch ein politisches
Verbrechen; der Lasterhafte ist der politische Feind der Frei-
heit, er ist ihr um so gefährlicher, je größer die Dienste sind,
die er ihr scheinbar erwiesen. Der gefährlichste Bürger ist
derjenige, welcher leichter ein Dutzend rother Mützen verbraucht,
2 *
des Tyrannen bewaffnet iſt. Regiere der Despot ſeine thier-
ähnlichen Unterthanen durch den Schrecken, er hat Recht als
Despot. Zerſchmettert durch den Schrecken die Feinde der
Freiheit, und ihr habt als Stifter der Republik nicht minder
Recht. Die Revolutionsregierung iſt der Despotismus der
Freiheit gegen die Tyrannei. Erbarmen mit den Royaliſten!
rufen gewiſſe Leute. Erbarmen mit Böſewichtern? Nein!
Erbarmen für die Unſchuld, Erbarmen für die Schwäche,
Erbarmen für die Unglücklichen, Erbarmen für die Menſch-
heit! Nur dem friedlichen Bürger gebührt der Schutz der
Geſellſchaft! In einer Republik ſind nur Republikaner —
Bürger; Royaliſten und Fremde ſind Feinde. Die Unter-
drücker der Menſchheit beſtrafen, iſt Gnade, ihnen verzeihen,
iſt Barbarei. Alle Aeußerungen einer falſchen Empfindſam-
keit ſcheinen mir Seufzer, welche nach England oder Oeſtreich
fliegen. — Aber, nicht zufrieden, den Arm des Volkes zu
entwaffnen, ſucht man noch die heiligſten Quellen ſeiner
Kraft durch das Laſter zu vergiften. Dies iſt der feinſte,
gefährlichſte und abſcheulichſte Angriff auf die Freiheit. Nur
der hölliſchſte Macchiavellismus, doch — nein! ich will nicht
ſagen, daß ein ſolcher Plan in dem Gehirne eines Menſchen
hätte ausgebrütet werden können! Es mag unwillkürlich
geſchehen, doch die Abſicht thut nichts zur Sache, die Wirkung
bleibt die nämliche, die Gefahr iſt gleich groß! Das Laſter
iſt das Kainszeichen des Ariſtokratismus. In einer Republik
iſt es nicht nur ein moraliſches, ſondern auch ein politiſches
Verbrechen; der Laſterhafte iſt der politiſche Feind der Frei-
heit, er iſt ihr um ſo gefährlicher, je größer die Dienſte ſind,
die er ihr ſcheinbar erwieſen. Der gefährlichſte Bürger iſt
derjenige, welcher leichter ein Dutzend rother Mützen verbraucht,
2 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div type="act" n="3">
            <div type="scene" n="4">
              <sp who="#ROB">
                <p><pb facs="#f0215" n="19"/>
des Tyrannen bewaffnet i&#x017F;t. Regiere der Despot &#x017F;eine thier-<lb/>
ähnlichen Unterthanen durch den Schrecken, er hat Recht als<lb/>
Despot. Zer&#x017F;chmettert durch den Schrecken die Feinde der<lb/>
Freiheit, und ihr habt als Stifter der Republik nicht minder<lb/>
Recht. Die Revolutionsregierung i&#x017F;t der Despotismus der<lb/>
Freiheit gegen die Tyrannei. Erbarmen mit den Royali&#x017F;ten!<lb/>
rufen gewi&#x017F;&#x017F;e Leute. Erbarmen mit Bö&#x017F;ewichtern? Nein!<lb/>
Erbarmen für die Un&#x017F;chuld, Erbarmen für die Schwäche,<lb/>
Erbarmen für die Unglücklichen, Erbarmen für die Men&#x017F;ch-<lb/>
heit! Nur dem friedlichen Bürger gebührt der Schutz der<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft! In einer Republik &#x017F;ind nur Republikaner &#x2014;<lb/>
Bürger; Royali&#x017F;ten und Fremde &#x017F;ind Feinde. Die Unter-<lb/>
drücker der Men&#x017F;chheit be&#x017F;trafen, i&#x017F;t Gnade, ihnen verzeihen,<lb/>
i&#x017F;t Barbarei. Alle Aeußerungen einer fal&#x017F;chen Empfind&#x017F;am-<lb/>
keit &#x017F;cheinen mir Seufzer, welche nach England oder Oe&#x017F;treich<lb/>
fliegen. &#x2014; Aber, nicht zufrieden, den Arm des Volkes zu<lb/>
entwaffnen, &#x017F;ucht man noch die heilig&#x017F;ten Quellen &#x017F;einer<lb/>
Kraft durch das La&#x017F;ter zu vergiften. Dies i&#x017F;t der fein&#x017F;te,<lb/>
gefährlich&#x017F;te und ab&#x017F;cheulich&#x017F;te Angriff auf die Freiheit. Nur<lb/>
der hölli&#x017F;ch&#x017F;te Macchiavellismus, doch &#x2014; nein! ich will nicht<lb/>
&#x017F;agen, daß ein &#x017F;olcher Plan in dem Gehirne eines Men&#x017F;chen<lb/>
hätte ausgebrütet werden können! Es mag unwillkürlich<lb/>
ge&#x017F;chehen, doch die Ab&#x017F;icht thut nichts zur Sache, die Wirkung<lb/>
bleibt die nämliche, die Gefahr i&#x017F;t gleich groß! Das La&#x017F;ter<lb/>
i&#x017F;t das Kainszeichen des Ari&#x017F;tokratismus. In einer Republik<lb/>
i&#x017F;t es nicht nur ein morali&#x017F;ches, &#x017F;ondern auch ein politi&#x017F;ches<lb/>
Verbrechen; der La&#x017F;terhafte i&#x017F;t der politi&#x017F;che Feind der Frei-<lb/>
heit, er i&#x017F;t ihr um &#x017F;o gefährlicher, je größer die Dien&#x017F;te &#x017F;ind,<lb/>
die er ihr &#x017F;cheinbar erwie&#x017F;en. Der gefährlich&#x017F;te Bürger i&#x017F;t<lb/>
derjenige, welcher leichter ein Dutzend rother Mützen verbraucht,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">2 *</fw><lb/></p>
              </sp>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0215] des Tyrannen bewaffnet iſt. Regiere der Despot ſeine thier- ähnlichen Unterthanen durch den Schrecken, er hat Recht als Despot. Zerſchmettert durch den Schrecken die Feinde der Freiheit, und ihr habt als Stifter der Republik nicht minder Recht. Die Revolutionsregierung iſt der Despotismus der Freiheit gegen die Tyrannei. Erbarmen mit den Royaliſten! rufen gewiſſe Leute. Erbarmen mit Böſewichtern? Nein! Erbarmen für die Unſchuld, Erbarmen für die Schwäche, Erbarmen für die Unglücklichen, Erbarmen für die Menſch- heit! Nur dem friedlichen Bürger gebührt der Schutz der Geſellſchaft! In einer Republik ſind nur Republikaner — Bürger; Royaliſten und Fremde ſind Feinde. Die Unter- drücker der Menſchheit beſtrafen, iſt Gnade, ihnen verzeihen, iſt Barbarei. Alle Aeußerungen einer falſchen Empfindſam- keit ſcheinen mir Seufzer, welche nach England oder Oeſtreich fliegen. — Aber, nicht zufrieden, den Arm des Volkes zu entwaffnen, ſucht man noch die heiligſten Quellen ſeiner Kraft durch das Laſter zu vergiften. Dies iſt der feinſte, gefährlichſte und abſcheulichſte Angriff auf die Freiheit. Nur der hölliſchſte Macchiavellismus, doch — nein! ich will nicht ſagen, daß ein ſolcher Plan in dem Gehirne eines Menſchen hätte ausgebrütet werden können! Es mag unwillkürlich geſchehen, doch die Abſicht thut nichts zur Sache, die Wirkung bleibt die nämliche, die Gefahr iſt gleich groß! Das Laſter iſt das Kainszeichen des Ariſtokratismus. In einer Republik iſt es nicht nur ein moraliſches, ſondern auch ein politiſches Verbrechen; der Laſterhafte iſt der politiſche Feind der Frei- heit, er iſt ihr um ſo gefährlicher, je größer die Dienſte ſind, die er ihr ſcheinbar erwieſen. Der gefährlichſte Bürger iſt derjenige, welcher leichter ein Dutzend rother Mützen verbraucht, 2 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/215
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/215>, abgerufen am 02.05.2024.