einen starken Mitkämpfer erblickte und seinen Beifall nicht sparte, konnte es natürlich von reactionär-pietistischer Seite nicht an der Bekämpfung eines Autors fehlen, der die Prin- cipien der Revolution und der Freigeisterei so offen und mit so seltenem Talent entwickelt hatte, und zwar gerade aus derjenigen Periode der Französischen Umwälzung, welche man bisher nur verstohlen und alsdann nicht ohne die lebhaftesten Aeußerungen eines frommen Abscheues zu nennen gewohnt war. Büchner selbst blieb diesem Treiben ziemlich fremd; nur versprengte Nachrichten über das Schicksal seines Erst- lings kamen zu ihm über den Rhein; dagegen blieb er von jetzt an in fortwährender brieflicher Verbindung mit Gutzkow. (Man vergl. S. 381 u. flgd.) In den abgedruckten Briefen aus Straßburg vom 5. Mai (S. 347) und vom 28. Juli 1835 (S. 353) gibt er einen zur Beurtheilung wesentlichen Commentar zu Danton" und eine Selbstrecension des- selben. --
Der großen geistigen Aufregung folgte in Straßburg Abspannung, aber auch eine wohlthätige Ruhe und Erholung in der Nähe der Geliebten. Büchner fühlte sich sicher vor den gefürchteten Leiden eines langwierigen Kerkers, und eine heitere Stimmung spricht aus seinen Briefen, die nur durch die Sorge um seine Zukunft und den Schmerz über die Leiden seiner politischen Freunde in Deutschland getrübt wird. Dem politischen Treiben, das um jene Zeit durch den in Lau- sanne in der Schweiz zwischen den Abgesandten des "Jungen Europa" und denen der französischen Republikaner geschlos- senen Verbrüderungsvertrag (10. April 1836) neue Nahrung erhielt, blieb er von jetzt an fern. Gutzkow schreibt darüber: "Büchner hörte bald auf, von gewaltsamen Umwälzungen zu
einen ſtarken Mitkämpfer erblickte und ſeinen Beifall nicht ſparte, konnte es natürlich von reactionär-pietiſtiſcher Seite nicht an der Bekämpfung eines Autors fehlen, der die Prin- cipien der Revolution und der Freigeiſterei ſo offen und mit ſo ſeltenem Talent entwickelt hatte, und zwar gerade aus derjenigen Periode der Franzöſiſchen Umwälzung, welche man bisher nur verſtohlen und alsdann nicht ohne die lebhafteſten Aeußerungen eines frommen Abſcheues zu nennen gewohnt war. Büchner ſelbſt blieb dieſem Treiben ziemlich fremd; nur verſprengte Nachrichten über das Schickſal ſeines Erſt- lings kamen zu ihm über den Rhein; dagegen blieb er von jetzt an in fortwährender brieflicher Verbindung mit Gutzkow. (Man vergl. S. 381 u. flgd.) In den abgedruckten Briefen aus Straßburg vom 5. Mai (S. 347) und vom 28. Juli 1835 (S. 353) gibt er einen zur Beurtheilung weſentlichen Commentar zu Danton" und eine Selbſtrecenſion des- ſelben. —
Der großen geiſtigen Aufregung folgte in Straßburg Abſpannung, aber auch eine wohlthätige Ruhe und Erholung in der Nähe der Geliebten. Büchner fühlte ſich ſicher vor den gefürchteten Leiden eines langwierigen Kerkers, und eine heitere Stimmung ſpricht aus ſeinen Briefen, die nur durch die Sorge um ſeine Zukunft und den Schmerz über die Leiden ſeiner politiſchen Freunde in Deutſchland getrübt wird. Dem politiſchen Treiben, das um jene Zeit durch den in Lau- ſanne in der Schweiz zwiſchen den Abgeſandten des "Jungen Europa" und denen der franzöſiſchen Republikaner geſchloſ- ſenen Verbrüderungsvertrag (10. April 1836) neue Nahrung erhielt, blieb er von jetzt an fern. Gutzkow ſchreibt darüber: "Büchner hörte bald auf, von gewaltſamen Umwälzungen zu
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0183"n="CLXVII"/>
einen ſtarken Mitkämpfer erblickte und ſeinen Beifall nicht<lb/>ſparte, konnte es natürlich von reactionär-pietiſtiſcher Seite<lb/>
nicht an der Bekämpfung eines Autors fehlen, der die Prin-<lb/>
cipien der Revolution und der Freigeiſterei ſo offen und mit<lb/>ſo ſeltenem Talent entwickelt hatte, und zwar gerade aus<lb/>
derjenigen Periode der Franzöſiſchen Umwälzung, welche man<lb/>
bisher nur verſtohlen und alsdann nicht ohne die lebhafteſten<lb/>
Aeußerungen eines frommen Abſcheues zu nennen gewohnt<lb/>
war. Büchner ſelbſt blieb dieſem Treiben ziemlich fremd;<lb/>
nur verſprengte Nachrichten über das Schickſal ſeines Erſt-<lb/>
lings kamen zu ihm über den Rhein; dagegen blieb er von<lb/>
jetzt an in fortwährender brieflicher Verbindung mit Gutzkow.<lb/>
(Man vergl. S. 381 u. flgd.) In den abgedruckten Briefen<lb/>
aus Straßburg vom 5. Mai (S. 347) und vom 28. Juli<lb/>
1835 (S. 353) gibt er einen zur Beurtheilung weſentlichen<lb/>
Commentar zu Danton" und eine Selbſtrecenſion des-<lb/>ſelben. —</p><lb/><p>Der großen geiſtigen Aufregung folgte in <hirendition="#g">Straßburg</hi><lb/>
Abſpannung, aber auch eine wohlthätige Ruhe und Erholung<lb/>
in der Nähe der Geliebten. Büchner fühlte ſich ſicher vor<lb/>
den gefürchteten Leiden eines langwierigen Kerkers, und eine<lb/>
heitere Stimmung ſpricht aus ſeinen Briefen, die nur durch<lb/>
die Sorge um ſeine Zukunft und den Schmerz über die Leiden<lb/>ſeiner politiſchen Freunde in Deutſchland getrübt wird. Dem<lb/>
politiſchen Treiben, das um jene Zeit durch den in <hirendition="#g">Lau</hi>-<lb/><hirendition="#g">ſanne</hi> in der Schweiz zwiſchen den Abgeſandten des "Jungen<lb/>
Europa" und denen der franzöſiſchen Republikaner geſchloſ-<lb/>ſenen Verbrüderungsvertrag (10. April 1836) neue Nahrung<lb/>
erhielt, blieb er von jetzt an fern. Gutzkow ſchreibt darüber:<lb/>
"Büchner hörte bald auf, von gewaltſamen Umwälzungen zu<lb/></p></div></body></text></TEI>
[CLXVII/0183]
einen ſtarken Mitkämpfer erblickte und ſeinen Beifall nicht
ſparte, konnte es natürlich von reactionär-pietiſtiſcher Seite
nicht an der Bekämpfung eines Autors fehlen, der die Prin-
cipien der Revolution und der Freigeiſterei ſo offen und mit
ſo ſeltenem Talent entwickelt hatte, und zwar gerade aus
derjenigen Periode der Franzöſiſchen Umwälzung, welche man
bisher nur verſtohlen und alsdann nicht ohne die lebhafteſten
Aeußerungen eines frommen Abſcheues zu nennen gewohnt
war. Büchner ſelbſt blieb dieſem Treiben ziemlich fremd;
nur verſprengte Nachrichten über das Schickſal ſeines Erſt-
lings kamen zu ihm über den Rhein; dagegen blieb er von
jetzt an in fortwährender brieflicher Verbindung mit Gutzkow.
(Man vergl. S. 381 u. flgd.) In den abgedruckten Briefen
aus Straßburg vom 5. Mai (S. 347) und vom 28. Juli
1835 (S. 353) gibt er einen zur Beurtheilung weſentlichen
Commentar zu Danton" und eine Selbſtrecenſion des-
ſelben. —
Der großen geiſtigen Aufregung folgte in Straßburg
Abſpannung, aber auch eine wohlthätige Ruhe und Erholung
in der Nähe der Geliebten. Büchner fühlte ſich ſicher vor
den gefürchteten Leiden eines langwierigen Kerkers, und eine
heitere Stimmung ſpricht aus ſeinen Briefen, die nur durch
die Sorge um ſeine Zukunft und den Schmerz über die Leiden
ſeiner politiſchen Freunde in Deutſchland getrübt wird. Dem
politiſchen Treiben, das um jene Zeit durch den in Lau-
ſanne in der Schweiz zwiſchen den Abgeſandten des "Jungen
Europa" und denen der franzöſiſchen Republikaner geſchloſ-
ſenen Verbrüderungsvertrag (10. April 1836) neue Nahrung
erhielt, blieb er von jetzt an fern. Gutzkow ſchreibt darüber:
"Büchner hörte bald auf, von gewaltſamen Umwälzungen zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CLXVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/183>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.