lesen, nie rastloser an seiner allgemeinen Bildung gearbeitet, als in jenen Tagen. Gründlicher, als im Winter zuvor, machte er sich mit den Systemen des Spinoza und Cartesius vertraut und lernte, wie früher, die französische, so nun die moderne englische Literatur kennen. Tiefsten Eindruck machten ihm namentlich die Werke Byron's. Von deutschen Dichtern war ihm, nächst Goethe, Tieck sehr sympathisch und während jenes Besuchs seiner Braut las er mit ihr den "Aufruhr in den Cevennen", welche Novelle er für ein Muster ihrer Gattung hielt. Die meiste Zeit jedoch verwendete er auf das Studium der Geschichte der französischen Revolution; während er sich in Gießen mit den allgemein zugänglichen Schriften hatte begnügen müssen, lieferte ihm nun die große Bibliothek in Darmstadt die einschlägigen Quellenwerke: den Moniteur, die Briefe Mirabeau's an seine Wähler, Me- moiren, Reden u. s. w. Freilich mußte er diese Lectüre dem Blicke Dr. Büchner's verbergen, und hielt, wenn er ein solches Buch im Laboratorium zu lesen wagte, stets einen großen Atlas der Anatomie bereit, mit dem er es nöthigen Falls bedecken konnte.
Leider hatte er dem Vater weit mehr zu verbergen, als solche theoretische Beschäftigung mit der Revolution, nämlich sehr energische praktische Bestrebungen dieser Art. Denn während seines ganzen Darmstädter Aufenthaltes blieb er nicht blos in eifrigster Verbindung mit den anderen Häuptern der Partei, sondern agitirte obendrein auf eigene Faust weiter und zwar viel kühner und leidenschaftlicher, als es damals jene Anderen wagten.
Es muß uns dies fast räthselhaft anmuthen, wenn wir erwägen, daß Büchner sich nie viel Erfolg von solcher Wirk-
leſen, nie raſtloſer an ſeiner allgemeinen Bildung gearbeitet, als in jenen Tagen. Gründlicher, als im Winter zuvor, machte er ſich mit den Syſtemen des Spinoza und Carteſius vertraut und lernte, wie früher, die franzöſiſche, ſo nun die moderne engliſche Literatur kennen. Tiefſten Eindruck machten ihm namentlich die Werke Byron's. Von deutſchen Dichtern war ihm, nächſt Goethe, Tieck ſehr ſympathiſch und während jenes Beſuchs ſeiner Braut las er mit ihr den "Aufruhr in den Cevennen", welche Novelle er für ein Muſter ihrer Gattung hielt. Die meiſte Zeit jedoch verwendete er auf das Studium der Geſchichte der franzöſiſchen Revolution; während er ſich in Gießen mit den allgemein zugänglichen Schriften hatte begnügen müſſen, lieferte ihm nun die große Bibliothek in Darmſtadt die einſchlägigen Quellenwerke: den Moniteur, die Briefe Mirabeau's an ſeine Wähler, Me- moiren, Reden u. ſ. w. Freilich mußte er dieſe Lectüre dem Blicke Dr. Büchner's verbergen, und hielt, wenn er ein ſolches Buch im Laboratorium zu leſen wagte, ſtets einen großen Atlas der Anatomie bereit, mit dem er es nöthigen Falls bedecken konnte.
Leider hatte er dem Vater weit mehr zu verbergen, als ſolche theoretiſche Beſchäftigung mit der Revolution, nämlich ſehr energiſche praktiſche Beſtrebungen dieſer Art. Denn während ſeines ganzen Darmſtädter Aufenthaltes blieb er nicht blos in eifrigſter Verbindung mit den anderen Häuptern der Partei, ſondern agitirte obendrein auf eigene Fauſt weiter und zwar viel kühner und leidenſchaftlicher, als es damals jene Anderen wagten.
Es muß uns dies faſt räthſelhaft anmuthen, wenn wir erwägen, daß Büchner ſich nie viel Erfolg von ſolcher Wirk-
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[CXLVI/0162]
leſen, nie raſtloſer an ſeiner allgemeinen Bildung gearbeitet,
als in jenen Tagen. Gründlicher, als im Winter zuvor,
machte er ſich mit den Syſtemen des Spinoza und Carteſius
vertraut und lernte, wie früher, die franzöſiſche, ſo nun die
moderne engliſche Literatur kennen. Tiefſten Eindruck machten
ihm namentlich die Werke Byron's. Von deutſchen Dichtern
war ihm, nächſt Goethe, Tieck ſehr ſympathiſch und während
jenes Beſuchs ſeiner Braut las er mit ihr den "Aufruhr in
den Cevennen", welche Novelle er für ein Muſter ihrer
Gattung hielt. Die meiſte Zeit jedoch verwendete er auf
das Studium der Geſchichte der franzöſiſchen Revolution;
während er ſich in Gießen mit den allgemein zugänglichen
Schriften hatte begnügen müſſen, lieferte ihm nun die große
Bibliothek in Darmſtadt die einſchlägigen Quellenwerke: den
Moniteur, die Briefe Mirabeau's an ſeine Wähler, Me-
moiren, Reden u. ſ. w. Freilich mußte er dieſe Lectüre
dem Blicke Dr. Büchner's verbergen, und hielt, wenn er ein
ſolches Buch im Laboratorium zu leſen wagte, ſtets einen
großen Atlas der Anatomie bereit, mit dem er es nöthigen
Falls bedecken konnte.
Leider hatte er dem Vater weit mehr zu verbergen, als
ſolche theoretiſche Beſchäftigung mit der Revolution, nämlich
ſehr energiſche praktiſche Beſtrebungen dieſer Art. Denn
während ſeines ganzen Darmſtädter Aufenthaltes blieb er
nicht blos in eifrigſter Verbindung mit den anderen Häuptern
der Partei, ſondern agitirte obendrein auf eigene Fauſt weiter
und zwar viel kühner und leidenſchaftlicher, als es damals
jene Anderen wagten.
Es muß uns dies faſt räthſelhaft anmuthen, wenn wir
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CXLVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/162>, abgerufen am 27.11.2024.
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