Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

Auch diese Zeit -- vom September 1834 bis zu den
letzten Februartagen des nächsten Jahres -- war für ihn
überreich an Kämpfen, an inneren und äußeren Drangsalen
peinlichster Art. Gleichwohl muß uns dieser traurige Winter
zugleich als der wichtigste und fruchtbarste Abschnitt dieses
kurzen Lebens erscheinen, weil Büchner da sein bestes und
berühmtestes Werk schuf: "Dantons Tod". Auf dieses
Drama müssen wir also im Folgenden das Hauptgewicht
legen. Aber seine Entstehung wie sein Wesen sind so eng
mit den persönlichen Verhältnissen des Dichters verknüpft,
daß eine eingehende Darlegung derselben schon aus diesem
Grunde unerläßlich wird.

Es ist, wie gesagt, nur Unerquickliches davon zu be-
richten. Vor Allem mußte sich der Jüngling nach dem, was
vorangegangen, im elterlichen Hause höchst unbehaglich fühlen.
Der Vater begegnete ihm mit Strenge und Mißtrauen und
war ja leider zu Beidem vollauf berechtigt. Ahnte auch Dr.
Büchner nicht entfernt, welche Rolle Georg unter den Ra-
dicalen gespielt, so war er doch fest von dessen Antheilnahme
an den hochverrätherischen Bestrebungen überzeugt und dies
genügte, um den loyalen Staatsdiener mit herbem Groll,
den besorgten Vater mit tiefem Schmerze zu erfüllen. Die
stolzen Hoffnungen, die er auf seinen Erstgeborenen gesetzt,
drohten zu Schanden zu werden, umsomehr, da ja auch in
dessen akademischen Studien eine Pause eingetreten war.
Georg litt schwer unter dem Groll des Vaters, welcher sich
bei dem Wesen des harten Mannes oft rücksichtslos äußerte
und nur dem vermittelnden Einfluß der milden, liebenswür-
digen Mutter war es zu danken, daß ein völliger Bruch
vermieden blieb. Uebrigens gestand er auch ihr nicht, in

Auch dieſe Zeit — vom September 1834 bis zu den
letzten Februartagen des nächſten Jahres — war für ihn
überreich an Kämpfen, an inneren und äußeren Drangſalen
peinlichſter Art. Gleichwohl muß uns dieſer traurige Winter
zugleich als der wichtigſte und fruchtbarſte Abſchnitt dieſes
kurzen Lebens erſcheinen, weil Büchner da ſein beſtes und
berühmteſtes Werk ſchuf: "Dantons Tod". Auf dieſes
Drama müſſen wir alſo im Folgenden das Hauptgewicht
legen. Aber ſeine Entſtehung wie ſein Weſen ſind ſo eng
mit den perſönlichen Verhältniſſen des Dichters verknüpft,
daß eine eingehende Darlegung derſelben ſchon aus dieſem
Grunde unerläßlich wird.

Es iſt, wie geſagt, nur Unerquickliches davon zu be-
richten. Vor Allem mußte ſich der Jüngling nach dem, was
vorangegangen, im elterlichen Hauſe höchſt unbehaglich fühlen.
Der Vater begegnete ihm mit Strenge und Mißtrauen und
war ja leider zu Beidem vollauf berechtigt. Ahnte auch Dr.
Büchner nicht entfernt, welche Rolle Georg unter den Ra-
dicalen geſpielt, ſo war er doch feſt von deſſen Antheilnahme
an den hochverrätheriſchen Beſtrebungen überzeugt und dies
genügte, um den loyalen Staatsdiener mit herbem Groll,
den beſorgten Vater mit tiefem Schmerze zu erfüllen. Die
ſtolzen Hoffnungen, die er auf ſeinen Erſtgeborenen geſetzt,
drohten zu Schanden zu werden, umſomehr, da ja auch in
deſſen akademiſchen Studien eine Pauſe eingetreten war.
Georg litt ſchwer unter dem Groll des Vaters, welcher ſich
bei dem Weſen des harten Mannes oft rückſichtslos äußerte
und nur dem vermittelnden Einfluß der milden, liebenswür-
digen Mutter war es zu danken, daß ein völliger Bruch
vermieden blieb. Uebrigens geſtand er auch ihr nicht, in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0160" n="CXLIV"/>
        <p>Auch die&#x017F;e Zeit &#x2014; vom September 1834 bis zu den<lb/>
letzten Februartagen des näch&#x017F;ten Jahres &#x2014; war für ihn<lb/>
überreich an Kämpfen, an inneren und äußeren Drang&#x017F;alen<lb/>
peinlich&#x017F;ter Art. Gleichwohl muß uns die&#x017F;er traurige Winter<lb/>
zugleich als der wichtig&#x017F;te und fruchtbar&#x017F;te Ab&#x017F;chnitt die&#x017F;es<lb/>
kurzen Lebens er&#x017F;cheinen, weil Büchner da &#x017F;ein be&#x017F;tes und<lb/>
berühmte&#x017F;tes Werk &#x017F;chuf: "Dantons Tod". Auf die&#x017F;es<lb/>
Drama mü&#x017F;&#x017F;en wir al&#x017F;o im Folgenden das Hauptgewicht<lb/>
legen. Aber &#x017F;eine Ent&#x017F;tehung wie &#x017F;ein We&#x017F;en &#x017F;ind &#x017F;o eng<lb/>
mit den per&#x017F;önlichen Verhältni&#x017F;&#x017F;en des Dichters verknüpft,<lb/>
daß eine eingehende Darlegung der&#x017F;elben &#x017F;chon aus die&#x017F;em<lb/>
Grunde unerläßlich wird.</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t, wie ge&#x017F;agt, nur Unerquickliches davon zu be-<lb/>
richten. Vor Allem mußte &#x017F;ich der Jüngling nach dem, was<lb/>
vorangegangen, im elterlichen Hau&#x017F;e höch&#x017F;t unbehaglich fühlen.<lb/>
Der Vater begegnete ihm mit Strenge und Mißtrauen und<lb/>
war ja leider zu Beidem vollauf berechtigt. Ahnte auch <hi rendition="#aq">Dr.</hi><lb/>
Büchner nicht entfernt, welche Rolle Georg unter den Ra-<lb/>
dicalen ge&#x017F;pielt, &#x017F;o war er doch fe&#x017F;t von de&#x017F;&#x017F;en Antheilnahme<lb/>
an den hochverrätheri&#x017F;chen Be&#x017F;trebungen überzeugt und dies<lb/>
genügte, um den loyalen Staatsdiener mit herbem Groll,<lb/>
den be&#x017F;orgten Vater mit tiefem Schmerze zu erfüllen. Die<lb/>
&#x017F;tolzen Hoffnungen, die er auf &#x017F;einen Er&#x017F;tgeborenen ge&#x017F;etzt,<lb/>
drohten zu Schanden zu werden, um&#x017F;omehr, da ja auch in<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en akademi&#x017F;chen Studien eine Pau&#x017F;e eingetreten war.<lb/>
Georg litt &#x017F;chwer unter dem Groll des Vaters, welcher &#x017F;ich<lb/>
bei dem We&#x017F;en des harten Mannes oft rück&#x017F;ichtslos äußerte<lb/>
und nur dem vermittelnden Einfluß der milden, liebenswür-<lb/>
digen Mutter war es zu danken, daß ein völliger Bruch<lb/>
vermieden blieb. Uebrigens ge&#x017F;tand er auch ihr nicht, in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[CXLIV/0160] Auch dieſe Zeit — vom September 1834 bis zu den letzten Februartagen des nächſten Jahres — war für ihn überreich an Kämpfen, an inneren und äußeren Drangſalen peinlichſter Art. Gleichwohl muß uns dieſer traurige Winter zugleich als der wichtigſte und fruchtbarſte Abſchnitt dieſes kurzen Lebens erſcheinen, weil Büchner da ſein beſtes und berühmteſtes Werk ſchuf: "Dantons Tod". Auf dieſes Drama müſſen wir alſo im Folgenden das Hauptgewicht legen. Aber ſeine Entſtehung wie ſein Weſen ſind ſo eng mit den perſönlichen Verhältniſſen des Dichters verknüpft, daß eine eingehende Darlegung derſelben ſchon aus dieſem Grunde unerläßlich wird. Es iſt, wie geſagt, nur Unerquickliches davon zu be- richten. Vor Allem mußte ſich der Jüngling nach dem, was vorangegangen, im elterlichen Hauſe höchſt unbehaglich fühlen. Der Vater begegnete ihm mit Strenge und Mißtrauen und war ja leider zu Beidem vollauf berechtigt. Ahnte auch Dr. Büchner nicht entfernt, welche Rolle Georg unter den Ra- dicalen geſpielt, ſo war er doch feſt von deſſen Antheilnahme an den hochverrätheriſchen Beſtrebungen überzeugt und dies genügte, um den loyalen Staatsdiener mit herbem Groll, den beſorgten Vater mit tiefem Schmerze zu erfüllen. Die ſtolzen Hoffnungen, die er auf ſeinen Erſtgeborenen geſetzt, drohten zu Schanden zu werden, umſomehr, da ja auch in deſſen akademiſchen Studien eine Pauſe eingetreten war. Georg litt ſchwer unter dem Groll des Vaters, welcher ſich bei dem Weſen des harten Mannes oft rückſichtslos äußerte und nur dem vermittelnden Einfluß der milden, liebenswür- digen Mutter war es zu danken, daß ein völliger Bruch vermieden blieb. Uebrigens geſtand er auch ihr nicht, in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/160
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CXLIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/160>, abgerufen am 07.05.2024.