Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

und damit auch jener Ton -- am 8. August detaillirt er
seinen Eltern bereits das blutige Unrecht, welches ihm die
Polizei durch ihren schnöden Verdacht bereitet: "Das Gerücht
mit Offenbach", fügt er hinzu, "ist jedenfalls eine schnöde
Erfindung". Der biedere Kuhl hatte nämlich am 7. August
angezeigt, daß der "Landbote" in Offenbach gedruckt worden
sei, die Frankfurter Polizei hatte darauf die geheime Presse
entdeckt, das Gerücht hiervon war nach Darmstadt gedrungen,
und hatte die Eltern erschreckt, weil sie wußten, daß Georg
in Offenbach gewesen. Er wußte keinen anderen Ausweg,
als die Entdeckung selbst zu leugnen. Gleichzeitig glaubte
er jedoch für alle Fälle vorbauen und den Eltern für die
Eventualität seiner Verhaftung im Voraus Trost geben zu
sollen, den Trost seiner Unschuld. -- "Sollte man, sowie
man ohne die gesetzlich nothwendige Ursache meine Papiere
durchsucht, mich auch ohne dieselbe festnehmen, in Gottes
Namen! ich kann so wenig darüber hinaus und es ist dies
so wenig meine Schuld, als wenn eine Heerde Banditen mich
anhielte, plünderte und mordete!" Das wäre den armen
Eltern ein schwacher Trost gewesen! Zum Glück bedurften
sie seiner nicht, Georg blieb unbehelligt und darum hält er
es in seinem letzten Briefe aus Gießen gar nicht mehr nöthig,
seine Unschuld zu betheuern, er erzählt nur noch von seiner An-
klage gegen Georgi und bedauert, daß sie resultatlos geblieben!

Es war ein Glück für den Jüngling, daß die Eltern
seiner Betheuerung nicht glaubten. Ohne ihn zu einem
Geständniß zu drängen, beriefen sie ihn Ende August nach
Darmstadt zurück und ließen ihn nicht wieder nach Gießen
gehen. Die letzten Monate, welche Büchner auf deutschem
Boden verlebt, hat er im elterlichen Hause zugebracht. --


und damit auch jener Ton — am 8. Auguſt detaillirt er
ſeinen Eltern bereits das blutige Unrecht, welches ihm die
Polizei durch ihren ſchnöden Verdacht bereitet: "Das Gerücht
mit Offenbach", fügt er hinzu, "iſt jedenfalls eine ſchnöde
Erfindung". Der biedere Kuhl hatte nämlich am 7. Auguſt
angezeigt, daß der "Landbote" in Offenbach gedruckt worden
ſei, die Frankfurter Polizei hatte darauf die geheime Preſſe
entdeckt, das Gerücht hiervon war nach Darmſtadt gedrungen,
und hatte die Eltern erſchreckt, weil ſie wußten, daß Georg
in Offenbach geweſen. Er wußte keinen anderen Ausweg,
als die Entdeckung ſelbſt zu leugnen. Gleichzeitig glaubte
er jedoch für alle Fälle vorbauen und den Eltern für die
Eventualität ſeiner Verhaftung im Voraus Troſt geben zu
ſollen, den Troſt ſeiner Unſchuld. — "Sollte man, ſowie
man ohne die geſetzlich nothwendige Urſache meine Papiere
durchſucht, mich auch ohne dieſelbe feſtnehmen, in Gottes
Namen! ich kann ſo wenig darüber hinaus und es iſt dies
ſo wenig meine Schuld, als wenn eine Heerde Banditen mich
anhielte, plünderte und mordete!" Das wäre den armen
Eltern ein ſchwacher Troſt geweſen! Zum Glück bedurften
ſie ſeiner nicht, Georg blieb unbehelligt und darum hält er
es in ſeinem letzten Briefe aus Gießen gar nicht mehr nöthig,
ſeine Unſchuld zu betheuern, er erzählt nur noch von ſeiner An-
klage gegen Georgi und bedauert, daß ſie reſultatlos geblieben!

Es war ein Glück für den Jüngling, daß die Eltern
ſeiner Betheuerung nicht glaubten. Ohne ihn zu einem
Geſtändniß zu drängen, beriefen ſie ihn Ende Auguſt nach
Darmſtadt zurück und ließen ihn nicht wieder nach Gießen
gehen. Die letzten Monate, welche Büchner auf deutſchem
Boden verlebt, hat er im elterlichen Hauſe zugebracht. —


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0159" n="CXLIII"/>
und damit auch jener Ton &#x2014; am 8. Augu&#x017F;t detaillirt er<lb/>
&#x017F;einen Eltern bereits das blutige Unrecht, welches ihm die<lb/>
Polizei durch ihren &#x017F;chnöden Verdacht bereitet: "Das Gerücht<lb/>
mit Offenbach", fügt er hinzu, "i&#x017F;t jedenfalls eine &#x017F;chnöde<lb/>
Erfindung". Der biedere Kuhl hatte nämlich am 7. Augu&#x017F;t<lb/>
angezeigt, daß der "Landbote" in Offenbach gedruckt worden<lb/>
&#x017F;ei, die Frankfurter Polizei hatte darauf die geheime Pre&#x017F;&#x017F;e<lb/>
entdeckt, das Gerücht hiervon war nach Darm&#x017F;tadt gedrungen,<lb/>
und hatte die Eltern er&#x017F;chreckt, weil &#x017F;ie wußten, daß Georg<lb/>
in Offenbach gewe&#x017F;en. Er wußte keinen anderen Ausweg,<lb/>
als die Entdeckung &#x017F;elb&#x017F;t zu leugnen. Gleichzeitig glaubte<lb/>
er jedoch für alle Fälle vorbauen und den Eltern für die<lb/>
Eventualität &#x017F;einer Verhaftung im Voraus Tro&#x017F;t geben zu<lb/>
&#x017F;ollen, den Tro&#x017F;t &#x017F;einer Un&#x017F;chuld. &#x2014; "Sollte man, &#x017F;owie<lb/>
man ohne die ge&#x017F;etzlich nothwendige Ur&#x017F;ache meine Papiere<lb/>
durch&#x017F;ucht, mich auch ohne die&#x017F;elbe fe&#x017F;tnehmen, in Gottes<lb/>
Namen! ich kann &#x017F;o wenig darüber hinaus und es i&#x017F;t dies<lb/>
&#x017F;o wenig meine Schuld, als wenn eine Heerde Banditen mich<lb/>
anhielte, plünderte und mordete!" Das wäre den armen<lb/>
Eltern ein &#x017F;chwacher Tro&#x017F;t gewe&#x017F;en! Zum Glück bedurften<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;einer nicht, Georg blieb unbehelligt und darum hält er<lb/>
es in &#x017F;einem letzten Briefe aus Gießen gar nicht mehr nöthig,<lb/>
&#x017F;eine Un&#x017F;chuld zu betheuern, er erzählt nur noch von &#x017F;einer An-<lb/>
klage gegen Georgi und bedauert, daß &#x017F;ie re&#x017F;ultatlos geblieben!</p><lb/>
        <p>Es war ein Glück für den Jüngling, daß die Eltern<lb/>
&#x017F;einer Betheuerung nicht glaubten. Ohne ihn zu einem<lb/>
Ge&#x017F;tändniß zu drängen, beriefen &#x017F;ie ihn Ende Augu&#x017F;t nach<lb/>
Darm&#x017F;tadt zurück und ließen ihn nicht wieder nach Gießen<lb/>
gehen. Die letzten Monate, welche Büchner auf deut&#x017F;chem<lb/>
Boden verlebt, hat er im elterlichen Hau&#x017F;e zugebracht. &#x2014;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[CXLIII/0159] und damit auch jener Ton — am 8. Auguſt detaillirt er ſeinen Eltern bereits das blutige Unrecht, welches ihm die Polizei durch ihren ſchnöden Verdacht bereitet: "Das Gerücht mit Offenbach", fügt er hinzu, "iſt jedenfalls eine ſchnöde Erfindung". Der biedere Kuhl hatte nämlich am 7. Auguſt angezeigt, daß der "Landbote" in Offenbach gedruckt worden ſei, die Frankfurter Polizei hatte darauf die geheime Preſſe entdeckt, das Gerücht hiervon war nach Darmſtadt gedrungen, und hatte die Eltern erſchreckt, weil ſie wußten, daß Georg in Offenbach geweſen. Er wußte keinen anderen Ausweg, als die Entdeckung ſelbſt zu leugnen. Gleichzeitig glaubte er jedoch für alle Fälle vorbauen und den Eltern für die Eventualität ſeiner Verhaftung im Voraus Troſt geben zu ſollen, den Troſt ſeiner Unſchuld. — "Sollte man, ſowie man ohne die geſetzlich nothwendige Urſache meine Papiere durchſucht, mich auch ohne dieſelbe feſtnehmen, in Gottes Namen! ich kann ſo wenig darüber hinaus und es iſt dies ſo wenig meine Schuld, als wenn eine Heerde Banditen mich anhielte, plünderte und mordete!" Das wäre den armen Eltern ein ſchwacher Troſt geweſen! Zum Glück bedurften ſie ſeiner nicht, Georg blieb unbehelligt und darum hält er es in ſeinem letzten Briefe aus Gießen gar nicht mehr nöthig, ſeine Unſchuld zu betheuern, er erzählt nur noch von ſeiner An- klage gegen Georgi und bedauert, daß ſie reſultatlos geblieben! Es war ein Glück für den Jüngling, daß die Eltern ſeiner Betheuerung nicht glaubten. Ohne ihn zu einem Geſtändniß zu drängen, beriefen ſie ihn Ende Auguſt nach Darmſtadt zurück und ließen ihn nicht wieder nach Gießen gehen. Die letzten Monate, welche Büchner auf deutſchem Boden verlebt, hat er im elterlichen Hauſe zugebracht. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/159
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CXLIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/159>, abgerufen am 07.05.2024.