uns begnügen, diese Klage zu verzeichnen, ohne ihre Be- rechtigung prüfen zu können. Doch gibt auch Becker an, daß jene Veränderungen tief einschneidende gewesen: "Die Druckschrift unterscheidet sich vom Original namentlich da- durch, daß an die Stelle der "Reichen" die "Vornehmen" gesetzt sind, und daß das, was gegen die sogenannte liberale Partei gesagt war, weggelassen und mit Anderem, was sich blos auf die Wirksamkeit der constitutionellen Verfassung bezieht, ersetzt worden ist, wodurch denn der Charakter der Schrift noch gehässiger geworden ist." Das Büchner'sche Manuscript, meint er, sei eigentlich "eine schwärmerische Predigt gegen den Mammon" gewesen. Als Stellen, die von Weidig herrühren, bezeichnet er den "Vorbericht" und den Schluß, sowie die biblischen Citate. Auch ohne diese äußere Beglaubigung würde es Jedermann klar werden, daß der Atheist Büchner jene gotttrunkenen Sätze unmöglich geschrieben haben kann, wie ihm auch solche Bibelfestigkeit nicht zu Gebote stand. Ebenso wird aus inneren Gründen Niemand den unerfahrenen Studenten für den Verfasser jener praktischen, sogar ein wenig jesuitischen Rathschläge halten, welche der "Vorbericht" enthält. Da eine Ausscheidung all dieser Zu- sätze Weidig's beim Abdruck nicht möglich war, ohne den Zusammenhang der Schrift zu zerreißen, so findet sich min- destens S. 285 ff. ein möglichst genaues Verzeichniß der- selben beigegeben, welches man bei der Lectüre berücksichtigen wolle. Wer dies thut und sich jene Angaben Becker's in's Gedächtniß ruft, wird wohl mit uns zu dem Resultate kommen: zwar laborirt die Druckschrift an dem unvermittelten Contrast jener religiös-schwärmerischen mit den scharfen, nüchternen, durch Zahlen belegten Stellen, zwar mag ferner
uns begnügen, dieſe Klage zu verzeichnen, ohne ihre Be- rechtigung prüfen zu können. Doch gibt auch Becker an, daß jene Veränderungen tief einſchneidende geweſen: "Die Druckſchrift unterſcheidet ſich vom Original namentlich da- durch, daß an die Stelle der "Reichen" die "Vornehmen" geſetzt ſind, und daß das, was gegen die ſogenannte liberale Partei geſagt war, weggelaſſen und mit Anderem, was ſich blos auf die Wirkſamkeit der conſtitutionellen Verfaſſung bezieht, erſetzt worden iſt, wodurch denn der Charakter der Schrift noch gehäſſiger geworden iſt." Das Büchner'ſche Manuſcript, meint er, ſei eigentlich "eine ſchwärmeriſche Predigt gegen den Mammon" geweſen. Als Stellen, die von Weidig herrühren, bezeichnet er den "Vorbericht" und den Schluß, ſowie die bibliſchen Citate. Auch ohne dieſe äußere Beglaubigung würde es Jedermann klar werden, daß der Atheiſt Büchner jene gotttrunkenen Sätze unmöglich geſchrieben haben kann, wie ihm auch ſolche Bibelfeſtigkeit nicht zu Gebote ſtand. Ebenſo wird aus inneren Gründen Niemand den unerfahrenen Studenten für den Verfaſſer jener praktiſchen, ſogar ein wenig jeſuitiſchen Rathſchläge halten, welche der "Vorbericht" enthält. Da eine Ausſcheidung all dieſer Zu- ſätze Weidig's beim Abdruck nicht möglich war, ohne den Zuſammenhang der Schrift zu zerreißen, ſo findet ſich min- deſtens S. 285 ff. ein möglichſt genaues Verzeichniß der- ſelben beigegeben, welches man bei der Lectüre berückſichtigen wolle. Wer dies thut und ſich jene Angaben Becker's in's Gedächtniß ruft, wird wohl mit uns zu dem Reſultate kommen: zwar laborirt die Druckſchrift an dem unvermittelten Contraſt jener religiös-ſchwärmeriſchen mit den ſcharfen, nüchternen, durch Zahlen belegten Stellen, zwar mag ferner
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[CXIV/0130]
uns begnügen, dieſe Klage zu verzeichnen, ohne ihre Be-
rechtigung prüfen zu können. Doch gibt auch Becker an,
daß jene Veränderungen tief einſchneidende geweſen: "Die
Druckſchrift unterſcheidet ſich vom Original namentlich da-
durch, daß an die Stelle der "Reichen" die "Vornehmen"
geſetzt ſind, und daß das, was gegen die ſogenannte liberale
Partei geſagt war, weggelaſſen und mit Anderem, was ſich
blos auf die Wirkſamkeit der conſtitutionellen Verfaſſung
bezieht, erſetzt worden iſt, wodurch denn der Charakter der
Schrift noch gehäſſiger geworden iſt." Das Büchner'ſche
Manuſcript, meint er, ſei eigentlich "eine ſchwärmeriſche
Predigt gegen den Mammon" geweſen. Als Stellen, die von
Weidig herrühren, bezeichnet er den "Vorbericht" und den
Schluß, ſowie die bibliſchen Citate. Auch ohne dieſe äußere
Beglaubigung würde es Jedermann klar werden, daß der
Atheiſt Büchner jene gotttrunkenen Sätze unmöglich geſchrieben
haben kann, wie ihm auch ſolche Bibelfeſtigkeit nicht zu
Gebote ſtand. Ebenſo wird aus inneren Gründen Niemand
den unerfahrenen Studenten für den Verfaſſer jener praktiſchen,
ſogar ein wenig jeſuitiſchen Rathſchläge halten, welche der
"Vorbericht" enthält. Da eine Ausſcheidung all dieſer Zu-
ſätze Weidig's beim Abdruck nicht möglich war, ohne den
Zuſammenhang der Schrift zu zerreißen, ſo findet ſich min-
deſtens S. 285 ff. ein möglichſt genaues Verzeichniß der-
ſelben beigegeben, welches man bei der Lectüre berückſichtigen
wolle. Wer dies thut und ſich jene Angaben Becker's in's
Gedächtniß ruft, wird wohl mit uns zu dem Reſultate
kommen: zwar laborirt die Druckſchrift an dem unvermittelten
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CXIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/130>, abgerufen am 22.11.2024.
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