Zusätzen, so daß Büchner als er Anfangs Juni mit seinem treuen Freunde Schütz, dem einzigen Mitgliede der Gießener Burschenschaft, welches auch seiner "Gesellschaft" beigetreten, in Butzbach erschien, um die Schrift abzuholen, höchst un- liebsam überrascht war. Auch ließ er es an heftigen Protesten nicht fehlen, mußte aber schließlich doch nachgeben, um den Druck der Schrift nicht länger zu verzögern. Denn Weidig hatte sich vorsichtiger Weise von dem Frankfurter "Männer- bund" die Autorisation erwirkt, daß nur solche Schriften aus Hessen, welche er empfahl, in der von diesem Vereine eingerichteten Officin zu Offenbach gedruckt werden sollten. Erst nachdem Büchner zugesichert, alle Aenderungen Weidig's gelten zu lassen, gab dieser jene Empfehlung und die beiden Studenten brachten das Manuscript selbst nach Offenbach. Da jedoch die Druckerei, welche im Keller eines abgelegenen Hauses an der Straße nach Sachsenhausen untergebracht war, nur über ungeübte Arbeiter verfügte, die obendrein aus Furcht vor der Polizei nur Nachts arbeiteten, so dauerte die Her- stellung der kleinen, nur acht Octavseiten umfassenden Bro- schüre an vier Wochen. Erst im Juli 1834 erhielt Büchner die ersten fertigen Exemplare. Schütz und Minnigerode hatten sie aus Offenbach abgeholt und nach Butzbach gebracht.
Die Broschüre mag ihrem Verfasser, was Ausstattung und Correctheit betrifft, geringe Freude gemacht haben, (vgl. S. 281) wichtiger ist, daß er sie wegen der Veränderungen Weidig's gar nicht mehr als sein Werk anerkennen wollte. Weidig habe ihm, klagte er seinem treuen Becker, "gerade das, worauf er das meiste Gewicht gelegt, und wodurch alles Andere gleichsam legitimirt werde, durchgestrichen". Da die ursprüngliche Fassung nicht mehr erhalten ist, so müssen wir
G. Büchners Werke. h
Zuſätzen, ſo daß Büchner als er Anfangs Juni mit ſeinem treuen Freunde Schütz, dem einzigen Mitgliede der Gießener Burſchenſchaft, welches auch ſeiner "Geſellſchaft" beigetreten, in Butzbach erſchien, um die Schrift abzuholen, höchſt un- liebſam überraſcht war. Auch ließ er es an heftigen Proteſten nicht fehlen, mußte aber ſchließlich doch nachgeben, um den Druck der Schrift nicht länger zu verzögern. Denn Weidig hatte ſich vorſichtiger Weiſe von dem Frankfurter "Männer- bund" die Autoriſation erwirkt, daß nur ſolche Schriften aus Heſſen, welche er empfahl, in der von dieſem Vereine eingerichteten Officin zu Offenbach gedruckt werden ſollten. Erſt nachdem Büchner zugeſichert, alle Aenderungen Weidig's gelten zu laſſen, gab dieſer jene Empfehlung und die beiden Studenten brachten das Manuſcript ſelbſt nach Offenbach. Da jedoch die Druckerei, welche im Keller eines abgelegenen Hauſes an der Straße nach Sachſenhauſen untergebracht war, nur über ungeübte Arbeiter verfügte, die obendrein aus Furcht vor der Polizei nur Nachts arbeiteten, ſo dauerte die Her- ſtellung der kleinen, nur acht Octavſeiten umfaſſenden Bro- ſchüre an vier Wochen. Erſt im Juli 1834 erhielt Büchner die erſten fertigen Exemplare. Schütz und Minnigerode hatten ſie aus Offenbach abgeholt und nach Butzbach gebracht.
Die Broſchüre mag ihrem Verfaſſer, was Ausſtattung und Correctheit betrifft, geringe Freude gemacht haben, (vgl. S. 281) wichtiger iſt, daß er ſie wegen der Veränderungen Weidig's gar nicht mehr als ſein Werk anerkennen wollte. Weidig habe ihm, klagte er ſeinem treuen Becker, "gerade das, worauf er das meiſte Gewicht gelegt, und wodurch alles Andere gleichſam legitimirt werde, durchgeſtrichen". Da die urſprüngliche Faſſung nicht mehr erhalten iſt, ſo müſſen wir
G. Büchners Werke. h
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[CXIII/0129]
Zuſätzen, ſo daß Büchner als er Anfangs Juni mit ſeinem
treuen Freunde Schütz, dem einzigen Mitgliede der Gießener
Burſchenſchaft, welches auch ſeiner "Geſellſchaft" beigetreten,
in Butzbach erſchien, um die Schrift abzuholen, höchſt un-
liebſam überraſcht war. Auch ließ er es an heftigen Proteſten
nicht fehlen, mußte aber ſchließlich doch nachgeben, um den
Druck der Schrift nicht länger zu verzögern. Denn Weidig
hatte ſich vorſichtiger Weiſe von dem Frankfurter "Männer-
bund" die Autoriſation erwirkt, daß nur ſolche Schriften
aus Heſſen, welche er empfahl, in der von dieſem Vereine
eingerichteten Officin zu Offenbach gedruckt werden ſollten.
Erſt nachdem Büchner zugeſichert, alle Aenderungen Weidig's
gelten zu laſſen, gab dieſer jene Empfehlung und die beiden
Studenten brachten das Manuſcript ſelbſt nach Offenbach.
Da jedoch die Druckerei, welche im Keller eines abgelegenen
Hauſes an der Straße nach Sachſenhauſen untergebracht war,
nur über ungeübte Arbeiter verfügte, die obendrein aus Furcht
vor der Polizei nur Nachts arbeiteten, ſo dauerte die Her-
ſtellung der kleinen, nur acht Octavſeiten umfaſſenden Bro-
ſchüre an vier Wochen. Erſt im Juli 1834 erhielt Büchner
die erſten fertigen Exemplare. Schütz und Minnigerode hatten
ſie aus Offenbach abgeholt und nach Butzbach gebracht.
Die Broſchüre mag ihrem Verfaſſer, was Ausſtattung
und Correctheit betrifft, geringe Freude gemacht haben, (vgl.
S. 281) wichtiger iſt, daß er ſie wegen der Veränderungen
Weidig's gar nicht mehr als ſein Werk anerkennen wollte.
Weidig habe ihm, klagte er ſeinem treuen Becker, "gerade
das, worauf er das meiſte Gewicht gelegt, und wodurch alles
Andere gleichſam legitimirt werde, durchgeſtrichen". Da die
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CXIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/129>, abgerufen am 25.11.2024.
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