Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

geheime Gesellschaft zumuthe, sicherlich befremdet zurücktreten
würden. Darauf wandte Büchner mit einiger Berechtigung
ein: er vermöge nicht einzusehen, warum bei Vereinen, welche
ihre Mitglieder auf das Statut vereideten, größere Gefahr
der Entdeckung walte, als bei einem formlosen Zusammen-
wirken verschiedener Charaktere, daß ja ferner sein Plan ge-
rade darauf ausgehe, die unbedingt Verläßlichen von den
"Halben, Lahmen und Zahmen" zu scheiden. Wolle man
aber auch ferner die Hilfe der "Constitutionellen", von der
er allerdings nicht viel halte, in Anspruch nehmen, so könne
dies ja in der bisherigen Weise geschehen, auch wenn die
Radikalen vereint zusammenständen! Doch erwiesen sich diese
Gründe ebenso vergeblich, als die Entrüstung, in welche
Büchner nun gerieth -- Weidig konnte nicht nachgeben,
schon aus dem einfachen Grunde nicht, weil er selbst keines-
wegs für die Republik war, also auch -- er, der Führer!
-- das gemeinsame Statut nicht hätte beeiden können! Doch
verschwieg er dies persönliche Motiv und schützte nur immer
seine praktische Erfahrung vor. Das mochte Büchner durch-
schaut haben, es kam zu peinlichen Erörterungen, und ein
gänzlicher Bruch blieb nur mit Mühe vermieden. Doch gab
Büchner seinen Kampf nicht auf, gestählt durch die Zu-
stimmung, welche sein Plan bei den meisten anderen Partei-
genossen fand. Endlich konnte sich auch Weidig der herr-
schenden Strömmug nicht länger entgegensetzen und es kam
zu einem Compromiß: er könne, erklärte er, die Nützlichkeit
solcher geheimen Gesellschaften nicht einsehen und werde sich
daher jedes Zuthuns enthalten -- wolle aber Büchner die
Sache versuchen, so werde er nicht entgegenwirken. Nun
ging dieser rasch an's Werk und gründete binnen wenigen

geheime Geſellſchaft zumuthe, ſicherlich befremdet zurücktreten
würden. Darauf wandte Büchner mit einiger Berechtigung
ein: er vermöge nicht einzuſehen, warum bei Vereinen, welche
ihre Mitglieder auf das Statut vereideten, größere Gefahr
der Entdeckung walte, als bei einem formloſen Zuſammen-
wirken verſchiedener Charaktere, daß ja ferner ſein Plan ge-
rade darauf ausgehe, die unbedingt Verläßlichen von den
"Halben, Lahmen und Zahmen" zu ſcheiden. Wolle man
aber auch ferner die Hilfe der "Conſtitutionellen", von der
er allerdings nicht viel halte, in Anſpruch nehmen, ſo könne
dies ja in der bisherigen Weiſe geſchehen, auch wenn die
Radikalen vereint zuſammenſtänden! Doch erwieſen ſich dieſe
Gründe ebenſo vergeblich, als die Entrüſtung, in welche
Büchner nun gerieth — Weidig konnte nicht nachgeben,
ſchon aus dem einfachen Grunde nicht, weil er ſelbſt keines-
wegs für die Republik war, alſo auch — er, der Führer!
— das gemeinſame Statut nicht hätte beeiden können! Doch
verſchwieg er dies perſönliche Motiv und ſchützte nur immer
ſeine praktiſche Erfahrung vor. Das mochte Büchner durch-
ſchaut haben, es kam zu peinlichen Erörterungen, und ein
gänzlicher Bruch blieb nur mit Mühe vermieden. Doch gab
Büchner ſeinen Kampf nicht auf, geſtählt durch die Zu-
ſtimmung, welche ſein Plan bei den meiſten anderen Partei-
genoſſen fand. Endlich konnte ſich auch Weidig der herr-
ſchenden Strömmug nicht länger entgegenſetzen und es kam
zu einem Compromiß: er könne, erklärte er, die Nützlichkeit
ſolcher geheimen Geſellſchaften nicht einſehen und werde ſich
daher jedes Zuthuns enthalten — wolle aber Büchner die
Sache verſuchen, ſo werde er nicht entgegenwirken. Nun
ging dieſer raſch an's Werk und gründete binnen wenigen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0122" n="CVI"/>
geheime Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zumuthe, &#x017F;icherlich befremdet zurücktreten<lb/>
würden. Darauf wandte Büchner mit einiger Berechtigung<lb/>
ein: er vermöge nicht einzu&#x017F;ehen, warum bei Vereinen, welche<lb/>
ihre Mitglieder auf das Statut vereideten, größere Gefahr<lb/>
der Entdeckung walte, als bei einem formlo&#x017F;en Zu&#x017F;ammen-<lb/>
wirken ver&#x017F;chiedener Charaktere, daß ja ferner &#x017F;ein Plan ge-<lb/>
rade darauf ausgehe, die unbedingt Verläßlichen von den<lb/>
"Halben, Lahmen und Zahmen" zu &#x017F;cheiden. Wolle man<lb/>
aber auch ferner die Hilfe der "Con&#x017F;titutionellen", von der<lb/>
er allerdings nicht viel halte, in An&#x017F;pruch nehmen, &#x017F;o könne<lb/>
dies ja in der bisherigen Wei&#x017F;e ge&#x017F;chehen, auch wenn die<lb/>
Radikalen vereint zu&#x017F;ammen&#x017F;tänden! Doch erwie&#x017F;en &#x017F;ich die&#x017F;e<lb/>
Gründe eben&#x017F;o vergeblich, als die Entrü&#x017F;tung, in welche<lb/>
Büchner nun gerieth &#x2014; Weidig <hi rendition="#g">konnte</hi> nicht nachgeben,<lb/>
&#x017F;chon aus dem einfachen Grunde nicht, weil er &#x017F;elb&#x017F;t keines-<lb/>
wegs für die Republik war, al&#x017F;o auch &#x2014; er, der Führer!<lb/>
&#x2014; das gemein&#x017F;ame Statut nicht hätte beeiden können! Doch<lb/>
ver&#x017F;chwieg er dies per&#x017F;önliche Motiv und &#x017F;chützte nur immer<lb/>
&#x017F;eine prakti&#x017F;che Erfahrung vor. Das mochte Büchner durch-<lb/>
&#x017F;chaut haben, es kam zu peinlichen Erörterungen, und ein<lb/>
gänzlicher Bruch blieb nur mit Mühe vermieden. Doch gab<lb/><hi rendition="#g">Büchner</hi> &#x017F;einen Kampf nicht auf, ge&#x017F;tählt durch die Zu-<lb/>
&#x017F;timmung, welche &#x017F;ein Plan bei den mei&#x017F;ten anderen Partei-<lb/>
geno&#x017F;&#x017F;en fand. Endlich konnte &#x017F;ich auch <hi rendition="#g">Weidig</hi> der herr-<lb/>
&#x017F;chenden Strömmug nicht länger entgegen&#x017F;etzen und es kam<lb/>
zu einem Compromiß: er könne, erklärte er, die Nützlichkeit<lb/>
&#x017F;olcher geheimen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften nicht ein&#x017F;ehen und werde &#x017F;ich<lb/>
daher jedes Zuthuns enthalten &#x2014; wolle aber Büchner die<lb/>
Sache ver&#x017F;uchen, &#x017F;o werde er nicht entgegenwirken. Nun<lb/>
ging die&#x017F;er ra&#x017F;ch an's Werk und gründete binnen wenigen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[CVI/0122] geheime Geſellſchaft zumuthe, ſicherlich befremdet zurücktreten würden. Darauf wandte Büchner mit einiger Berechtigung ein: er vermöge nicht einzuſehen, warum bei Vereinen, welche ihre Mitglieder auf das Statut vereideten, größere Gefahr der Entdeckung walte, als bei einem formloſen Zuſammen- wirken verſchiedener Charaktere, daß ja ferner ſein Plan ge- rade darauf ausgehe, die unbedingt Verläßlichen von den "Halben, Lahmen und Zahmen" zu ſcheiden. Wolle man aber auch ferner die Hilfe der "Conſtitutionellen", von der er allerdings nicht viel halte, in Anſpruch nehmen, ſo könne dies ja in der bisherigen Weiſe geſchehen, auch wenn die Radikalen vereint zuſammenſtänden! Doch erwieſen ſich dieſe Gründe ebenſo vergeblich, als die Entrüſtung, in welche Büchner nun gerieth — Weidig konnte nicht nachgeben, ſchon aus dem einfachen Grunde nicht, weil er ſelbſt keines- wegs für die Republik war, alſo auch — er, der Führer! — das gemeinſame Statut nicht hätte beeiden können! Doch verſchwieg er dies perſönliche Motiv und ſchützte nur immer ſeine praktiſche Erfahrung vor. Das mochte Büchner durch- ſchaut haben, es kam zu peinlichen Erörterungen, und ein gänzlicher Bruch blieb nur mit Mühe vermieden. Doch gab Büchner ſeinen Kampf nicht auf, geſtählt durch die Zu- ſtimmung, welche ſein Plan bei den meiſten anderen Partei- genoſſen fand. Endlich konnte ſich auch Weidig der herr- ſchenden Strömmug nicht länger entgegenſetzen und es kam zu einem Compromiß: er könne, erklärte er, die Nützlichkeit ſolcher geheimen Geſellſchaften nicht einſehen und werde ſich daher jedes Zuthuns enthalten — wolle aber Büchner die Sache verſuchen, ſo werde er nicht entgegenwirken. Nun ging dieſer raſch an's Werk und gründete binnen wenigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/122
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/122>, abgerufen am 05.05.2024.