ihm jene der Einheit. Auch darin erwies er sich als "Teutscher von 1816", wie in vielen anderen Stücken; sein Lieblingsdichter war Klopstock, wogegen er Goethe grimmig haßte; die französische Revolution war ihm ein Gräuel, weil sie die Vernunft als Göttin proclamirt, und der Gedanke einer Emancipation der Juden schien ihm sündhaft, weil Gott dieses Volk verstoßen. Während seine meisten Gesinnungs- genossen allmählig von jenen christlich-germanischen Principien abkamen und entweder zahme Staatsbürger wurden oder moderne Freiheitsideen acceptirten, blieb Weidig, auf das kleine Butzbach und den Verkehr mit Leuten, die er völlig beeinflußte, angewiesen, denselben unwandelbar treu. Daraus erklärt es sich auch, daß er keineswegs für eine deutsche Republik schwärmte, auch keineswegs ein Freund der Fran- zosen war -- sein Traum war die Aufrichtung eines mäch- tigen Erbkaiserthums, welches Deutschland in seinen alten Grenzen (Lothringen und Burgund einbegriffen) aufrichten und, nach Italien hinübergreifend, der "Hydra des Papst- thums" das Haupt zertreten sollte! Aber weil er mit allen Liberalen und Demokraten das nächste Ziel: die Aenderung der gegenwärtigen Zustände, gemeinsam hatte, so wußte er sich auch, von einer seltenen Menschenkenntniß und einer ungemeinen persönlichen Liebenswürdigkeit unterstützt, mit Allen zu vertragen. Was gegen den Bundestag und die Kleinstaaterei ging, konnte auf seine Hilfe zählen: darum unterstützte er Gärth und Rauschenplath bei ihren Vor- bereitungen zum Frankfurter Putsch, darum opferte er sein ganzes, nicht unbeträchtliches Vermögen zur Unterstützung der liberalen Presse, darum ließ er, der Mann der Revo- lution, sich die Mühe nicht verdrießen, bei einer Gemeinde-
ihm jene der Einheit. Auch darin erwies er ſich als "Teutſcher von 1816", wie in vielen anderen Stücken; ſein Lieblingsdichter war Klopſtock, wogegen er Goethe grimmig haßte; die franzöſiſche Revolution war ihm ein Gräuel, weil ſie die Vernunft als Göttin proclamirt, und der Gedanke einer Emancipation der Juden ſchien ihm ſündhaft, weil Gott dieſes Volk verſtoßen. Während ſeine meiſten Geſinnungs- genoſſen allmählig von jenen chriſtlich-germaniſchen Principien abkamen und entweder zahme Staatsbürger wurden oder moderne Freiheitsideen acceptirten, blieb Weidig, auf das kleine Butzbach und den Verkehr mit Leuten, die er völlig beeinflußte, angewieſen, denſelben unwandelbar treu. Daraus erklärt es ſich auch, daß er keineswegs für eine deutſche Republik ſchwärmte, auch keineswegs ein Freund der Fran- zoſen war — ſein Traum war die Aufrichtung eines mäch- tigen Erbkaiſerthums, welches Deutſchland in ſeinen alten Grenzen (Lothringen und Burgund einbegriffen) aufrichten und, nach Italien hinübergreifend, der "Hydra des Papſt- thums" das Haupt zertreten ſollte! Aber weil er mit allen Liberalen und Demokraten das nächſte Ziel: die Aenderung der gegenwärtigen Zuſtände, gemeinſam hatte, ſo wußte er ſich auch, von einer ſeltenen Menſchenkenntniß und einer ungemeinen perſönlichen Liebenswürdigkeit unterſtützt, mit Allen zu vertragen. Was gegen den Bundestag und die Kleinſtaaterei ging, konnte auf ſeine Hilfe zählen: darum unterſtützte er Gärth und Rauſchenplath bei ihren Vor- bereitungen zum Frankfurter Putſch, darum opferte er ſein ganzes, nicht unbeträchtliches Vermögen zur Unterſtützung der liberalen Preſſe, darum ließ er, der Mann der Revo- lution, ſich die Mühe nicht verdrießen, bei einer Gemeinde-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0116"n="C"/>
ihm jene der Einheit. Auch darin erwies er ſich als<lb/>
"Teutſcher von 1816", wie in vielen anderen Stücken; ſein<lb/>
Lieblingsdichter war Klopſtock, wogegen er Goethe grimmig<lb/>
haßte; die franzöſiſche Revolution war ihm ein Gräuel, weil<lb/>ſie die Vernunft als Göttin proclamirt, und der Gedanke<lb/>
einer Emancipation der Juden ſchien ihm ſündhaft, weil Gott<lb/>
dieſes Volk verſtoßen. Während ſeine meiſten Geſinnungs-<lb/>
genoſſen allmählig von jenen chriſtlich-germaniſchen Principien<lb/>
abkamen und entweder zahme Staatsbürger wurden oder<lb/>
moderne Freiheitsideen acceptirten, blieb <hirendition="#g">Weidig</hi>, auf das<lb/>
kleine Butzbach und den Verkehr mit Leuten, die er völlig<lb/>
beeinflußte, angewieſen, denſelben unwandelbar treu. Daraus<lb/>
erklärt es ſich auch, daß er keineswegs für eine deutſche<lb/>
Republik ſchwärmte, auch keineswegs ein Freund der Fran-<lb/>
zoſen war —ſein Traum war die Aufrichtung eines mäch-<lb/>
tigen Erbkaiſerthums, welches Deutſchland in ſeinen alten<lb/>
Grenzen (Lothringen und Burgund einbegriffen) aufrichten<lb/>
und, nach Italien hinübergreifend, der "Hydra des Papſt-<lb/>
thums" das Haupt zertreten ſollte! Aber weil er mit allen<lb/>
Liberalen und Demokraten das nächſte Ziel: die Aenderung<lb/>
der gegenwärtigen Zuſtände, gemeinſam hatte, ſo wußte er<lb/>ſich auch, von einer ſeltenen Menſchenkenntniß und einer<lb/>
ungemeinen perſönlichen Liebenswürdigkeit unterſtützt, mit<lb/>
Allen zu vertragen. Was gegen den Bundestag und die<lb/>
Kleinſtaaterei ging, konnte auf ſeine Hilfe zählen: darum<lb/>
unterſtützte er Gärth und Rauſchenplath bei ihren Vor-<lb/>
bereitungen zum Frankfurter Putſch, darum opferte er ſein<lb/>
ganzes, nicht unbeträchtliches Vermögen zur Unterſtützung<lb/>
der liberalen Preſſe, darum ließ er, der Mann der Revo-<lb/>
lution, ſich die Mühe nicht verdrießen, bei einer Gemeinde-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[C/0116]
ihm jene der Einheit. Auch darin erwies er ſich als
"Teutſcher von 1816", wie in vielen anderen Stücken; ſein
Lieblingsdichter war Klopſtock, wogegen er Goethe grimmig
haßte; die franzöſiſche Revolution war ihm ein Gräuel, weil
ſie die Vernunft als Göttin proclamirt, und der Gedanke
einer Emancipation der Juden ſchien ihm ſündhaft, weil Gott
dieſes Volk verſtoßen. Während ſeine meiſten Geſinnungs-
genoſſen allmählig von jenen chriſtlich-germaniſchen Principien
abkamen und entweder zahme Staatsbürger wurden oder
moderne Freiheitsideen acceptirten, blieb Weidig, auf das
kleine Butzbach und den Verkehr mit Leuten, die er völlig
beeinflußte, angewieſen, denſelben unwandelbar treu. Daraus
erklärt es ſich auch, daß er keineswegs für eine deutſche
Republik ſchwärmte, auch keineswegs ein Freund der Fran-
zoſen war — ſein Traum war die Aufrichtung eines mäch-
tigen Erbkaiſerthums, welches Deutſchland in ſeinen alten
Grenzen (Lothringen und Burgund einbegriffen) aufrichten
und, nach Italien hinübergreifend, der "Hydra des Papſt-
thums" das Haupt zertreten ſollte! Aber weil er mit allen
Liberalen und Demokraten das nächſte Ziel: die Aenderung
der gegenwärtigen Zuſtände, gemeinſam hatte, ſo wußte er
ſich auch, von einer ſeltenen Menſchenkenntniß und einer
ungemeinen perſönlichen Liebenswürdigkeit unterſtützt, mit
Allen zu vertragen. Was gegen den Bundestag und die
Kleinſtaaterei ging, konnte auf ſeine Hilfe zählen: darum
unterſtützte er Gärth und Rauſchenplath bei ihren Vor-
bereitungen zum Frankfurter Putſch, darum opferte er ſein
ganzes, nicht unbeträchtliches Vermögen zur Unterſtützung
der liberalen Preſſe, darum ließ er, der Mann der Revo-
lution, ſich die Mühe nicht verdrießen, bei einer Gemeinde-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. C. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/116>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.